Mordanschlag
Ein Mordkommando hat den Präsidenten von Haiti Mittwochnacht im eigenen Haus getötet. Die Hintergründe sind unklar.
Wien/Port-au-Prince, 08. Juli 2021 | Der haitianische Präsident Jovenel Moïse ist ermordet worden. Moïse sei in der Nacht auf Mittwoch in seinem Haus von einem Mordkommando getötet worden, teilte der scheidende Regierungschef Claude Joseph am Mittwoch mit. Die Frau des Präsidenten wurde bei dem Angriff verletzt. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht. Joseph erklärte, er habe nun die Verantwortung für die Führung des Landes.
Anschlag in Präsidentenvilla
“Der Präsident wurde in seinem Haus von Ausländern ermordet, die Englisch und Spanisch sprachen”, sagte er. Er sprach von einer “unmenschlichen und barbarischen” Tat. Joseph rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und kündigte an, Polizei und Armee würden für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen. Allerdings waren in weiten Teilen der Hauptstadt Port-au-Prince Schüsse zu hören.
Die Hintergründe sind zunächst unklar, ebenso wie der Gesundheitszustand der Präsidentengattin. “Obwohl noch Details herauskommen, kann zum jetzigen Zeitpunkt bestätigt werden, dass es sich um einen wohl koordinierten Angriff durch eine gut ausgebildete und schwer bewaffnete Gruppe handelte”, teilte Haitis Botschaft in den USA mit.
In sozialen Medien wurden Videos verbreitet, die um die Präsidentenresidenz im wohlhabenden Vorort Pétion-Ville entstanden sein sollen. In einem Video soll einer der Angreifer auf Englisch rufen, es handle sich um einen Einsatz der US-Antidrogenbehörde DEA. Nach Medienberichten schloss die spanischsprachige Dominikanische Republik, die sich die Insel Hispaniola mit Haiti teilt, ihre Grenze zu dem Nachbarland.
Nach der Ermordung sind mehrere Verdächtige getötet worden. Vier “Söldner” seien am Mittwoch erschossen und zwei weitere festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Das Attentat auf Moïse löste international Bestürzung aus und dürfte die Krise in dem von Instabilität und großer Armut geprägten Karibikstaat noch verschärfen. Der UNO-Sicherheitsrat warnte vor einer weiteren Eskalation.
Seit 2016 Präsident
Die Regierung des Karibikstaates rief am Mittwoch jeweils 15 Tage Belagerungszustand und Staatstrauer aus. Außenminister Claude Joseph unterzeichnete beide Erlasse am Mittwoch als Übergangs-Premierminister. Moïse hatte am Montag Ariel Henry zu Josephs Nachfolger im Amt des Regierungschefs ernannt, Henry war aber bisher nicht vereidigt worden.
Der 53-jährige frühere Geschäftsmann Moïse war 2016 zum Präsidenten gewählt worden und war das Amt im Februar 2017 angetreten. Vor seinem Tod hatte er Haiti per Dekret regiert, nachdem eine Parlamentswahl unter anderem wegen Protesten gegen ihn verschoben worden war. Die Opposition warf ihm Korruption und den Aufbau einer Diktatur vor. Moïse hatte die Anschuldigungen stets bestritten und auf eine Verfassungsreform gedrängt, mit der er nach eigenen Angaben für mehr politische Stabilität sorgen wollte.
Moïse hatte den Premierminister des Landes innerhalb von vier Jahren sieben Mal ausgewechselt. Am Montag gab er die Ernennung des neuen Regierungschefs Ariel Henry bekannt, der Claude Joseph nach nur drei Monaten im Amt ablösen sollte.
Internationale Verurteilung
Die Tat ereignete sich inmitten einer wachsenden Spirale der Gewalt im Zuge zunehmender Bandenkriminalität und einer verschärften humanitären Krise in dem verarmten Karibikstaat, der unter einer schweren Nahrungsmittelknappheit leidet. Haiti ist das ärmste Land, das zum amerikanischen Kontinent gehört. Insbesondere Entführungen und Lösegeldforderungen krimineller Banden sorgen für große Verunsicherung in der Bevölkerung.
US-Präsident Joe Biden verurteilte die Tötung seines haitischen Kollegen als “schändlichen” Akt. Er sei “schockiert und traurig”, erklärte Biden am Mittwoch. Die USA stünden bereit, Haiti weiter dabei zu unterstützen, in dem Land auf Frieden und Sicherheit hinzuarbeiten. “Wir brauchen viel mehr Informationen, aber es ist sehr bedenklich in Bezug auf die Lage in Haiti”, sagte Biden wenig später anwesenden Journalisten zufolge im Garten des Weißen Hauses.
UNO-Generalsekretär António Guterres verlangte eine Aufklärung der Tat. “Die Täter dieses Verbrechens müssen vor Gericht gestellt werden”, ließ Guterres über seinen Sprecher Stephane Dujarric mitteilen. Der Generalsekretär fordere alle Haitianer auf, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und vereint zu bleiben. Die Vereinten Nationen würden Regierung und Volk von Haiti weiterhin zur Seite stehen.
(ot/apa)
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