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Kern kommentiert – Kunst, die Kultur zu begraben

Kern kommentiert

Ulrike Lunacek, Popup-Staatssekretärin, kommt nun zum zweiten und vielleicht nicht zum letzten Mal in den Genuss jener Seligsprechung, die den meisten erfolglosen Politikern zuteilwird, sobald diese der Realität ins Auge sehen und zurücktreten.

Wien, 15. Mai 2020 |

Österreichische Freunderlwirtschaft

Natürlich hat es Tradition, Ministerien mit bereichsfernen Personen zu besetzen. Alois Stöger, der Da Vinci der SPÖ, war 3-facher Minister. In Blümels parlament.gv.at-CV sucht man vergeblich nach Jobs in der Privatwirtschaft, was wohl nicht ganz abwegig wäre für einen Finanzminister. Andererseits zweifeln sogar Parteifreunde offen an Lunaceks Qualifikationen.

Die Jobvergabepolitik ist eine österreichische Abscheulichkeit und nirgendwo in der westlichen Welt hätte man Verständnis für die Mascherlposten komplett ungeeigneter Personen (Looking at you, Edtstadler).

Nicht nur wegen Freunderlwirtschaft werde ich mich nicht an der Seligsprechung Lunaceks beteiligen. Ihre Sprecherin hat kurz vor ihrem Rücktritt gefordert, dass die Medien sie mit Wohlwollen behandeln und positive Berichterstattung rüberrücken, bevor sie wieder mit ihnen spricht. Sorry, aber berechtigte Kritik muss man aushalten. Auch als Politiker mit einer Haut, so dünn wie ein Blattl Prosciutto Crudo.

Zwar keine Seligsprechung meinerseits, aber dennoch kann ich den Auftritt von Lunacek loben und dass sie doch mit Würde zurückgetreten ist (solange sie nicht sofort den nächsten Mascherlposten bekommt), während sich andere an ihre Posten klammern.

Clubs

Die Clubszene ist ähnlich betroffen wie Künstler, mit einer Erschwernis. Alles was in der Gastro falsch läuft, betrifft sie, genauso wie die Verfehlungen im Kulturbereich. Aber immerhin lässt man den Clubs mittlerweile die Ehre zuteilwerden, dass sie bis 23 Uhr aufsperren dürfen. Eine Uhrzeit, zu der potentielle Clubbesucher generell noch diskutieren, wo sie überhaupt hingehen.

Dann gibt es natürlich noch die Vienna Club Commission, deren Mitglieder so qualifiziert sind, dass Lunacek im Vergleich wirkt, als wäre sie für den Kunst & Kultur-Bereich geboren worden.

Es scheint, als hätte sich die Hilfe von der intransparenten Vienna Club Commission darauf beschränkt, dass für „ausgewählte“ Clubs Spendenaufrufe getätigt wurden. Vor 3 Monaten haben mir SPÖ, Grüne & NEOS Wien unisono erzählt, dass sie und sie alleine die Idee der Club Commission hatten. Es würde mich nicht wundern, wenn sich in 6 Monaten alle Parteien davon distanzieren wollen.

Van Gogh? Vaffan Gogh!

Zurück zu den Künstlern, deren Situation besorgniserregend ist. Viele sind nicht sozialversichert und können sich aufgrund der fehlenden Veranstaltungen ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten. Wir erleben nun wortwörtlich den hungernden Künstler in Österreich; einem der wohlhabendsten Länder der Welt.

Am 11.03.2020 wurde auf Kultur Heute (ORF) ein Unterstützungsfonds für den „wichtigen Wirtschaftsfaktor für Österreich“ propagiert. Nun sind bald 10 Wochen vergangen und die meisten KünstlerInnen, die ich kenne, haben nichts bekommen und es geht ihnen wöchentlich schlechter und schlechter. Durch Sprüche wie “der Fahrplan entsteht im Gehen” erkennt man, dass die Politik sich komplett verlaufen hat, wenn der Weg schon knapp 10 Wochen andauert.

Würde Van Gogh als junger Künstler in Österreich leben, wäre er sicher nicht förderungswürdig in Bezug auf den Härtefallfonds. Er müsste weiterhin in Armut unversichert leben und arbeiten, und wäre (fern von der Förderpolitik) von der finanziellen Unterstützung seines Bruders abhängig. Ob der Künstler in seiner Lebenszeit sein Werk im Erfolg sieht, liegt daher im Auge des Betrachters und nicht des Steuereintreibers. Wie Sie wissen, wurde er nach seinem Tod berühmt. Solange dürfen wir bei unseren Künstlern in Not nicht warten und sie währenddessen mit einem „vaffangogh“ abspeisen.

Wieso muss ein Künstler zum Bittsteller der Wirtschaftkammer werden?

Kurz & Schmerzhaft

Finanzminister Blümel, der den Geldbeutel fest zugeschnürt hält, hat Lunacek alleine gelassen. Die Bürokratie und Ohnmacht der Regierung hat ihr Unvermögen verschlimmert. Auch Kurz hat Lunacek komplett allein gelassen.

Ovid am Hipsterboard zu lesen, ersetzt keine Kulturpolitik.

Da sich der Kanzler für alles zuständig sieht und für alles hochleben lässt, könnte man meinen, dass er ebenfalls eine solide Teilschuld am Begräbnis der Kulturszene trägt.

Dass er, am Tag vor ihrem Rücktritt, in der ZiB 2 subtil ihren Rücktritt verkündet, ist auch nicht die feine Art, die man sich von einem Kanzler wünschen würde.

Kurz hat gesagt, die Pandemie ist eine Zumutung für die Kulturszene. Nein. Er und sein inhalts- & richtungsloses Gerede von einem „Plan für die Kulturnation Österreich“ ist eine Zumutung. Dass Künstler so abschätzig behandelt werden wie EPU & KMU ist eine Zumutung. Kurz muss sich ein Beispiel an Lunacek nehmen und endlich Fehler eingestehen.

Aber geschenkt. Denn wenn man sich ansieht, wie Kurz damals im Integrationsfonds agiert hat, wundert einen gar nichts mehr.

Was jedoch verwundert, ist die Verachtung, die Künstlern von Kurz & Lunacek entgegenschlägt. Denn Kurz & Lunacek sind doch selbst Künstler. Sie sind Meister der Kunst, die Kultur zu begraben.

Und dass Lunacek geht, während andere Politiker bleiben, zeigt nur, wie wenig Anstand die ÖVP besitzt. Keine Seligsprechung für Frau Lunacek, aber ein herzliches Dankeschön für ihren freiwilligen Abgang. Ischgl, Tilg & Co sollten es ihr gleichtun.

Zu guter Letzt würde es mich freuen, wenn wir uns morgen auf der 2-Meter-Abstand Demo für den Kunstbereich sehen. Ein wichtiges Zeichen, denn die Künstler werden draufkommen, dass Lunacek nicht die Wurzel allen Übels war.

Den Demoaufruf finden Sie auch auf Facebook: https://www.facebook.com/events/320260718944686/

Nikolaus Kern war Leiter der strategischen Kommunikation der „Sektion ohne Namen“ und ist Unternehmer, der momentan Gesichtsschutz-Visiere mit seiner Firma Protectus produziert.

Der Kommentar gibt nicht die Meinung der Redaktion, sondern ausschließlich des Autors wieder.

Titelbild: APA Picturedesk

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