»Grüner Pass«:
Menschen in Grün und Rot zu sortieren klingt zwar einfach, ist aber technisch gesehen scheinbar nicht so leicht umzusetzen. Der digitale “Grüne Pass” verzögert sich wieder, woran liegt das?
Wien, 2. Juni 2021 | Die Nachricht, dass der „Grüne Pass“ sich um mindestens eine Woche verzögern wird, hat viele wohl nicht mehr überrascht. Schließlich hat die Regierung den digitalen Impfnachweis ursprünglich schon für April angekündigt. Aber woran hapert es bei der Umsetzung eigentlich genau?
Gesundheitsministerium gibt EU die Schuld
Schon vor zwei Wochen gaben die Geschäftsführer der IT-Services der Sozialversicherung (SV), welche zum Teil für die technische Umsetzung des “Grünen Pass” verantwortlich sind, bekannt, dass der 4. Juni als Starttermin wohl nicht halten werde. Als Gründe wurden damals datenschutzrechtliche Bedenken und fehlende Rechtssicherheit genannt. Auch, dass der geplante QR-Code in einem „möglichen Widerspruch“ zum EU-Projekt stehen könnte, stimmte die SV skeptisch.
Am Montag bestätigte dann auch das Gesundheitsministerium: Die Fertigstellung des QR-Codes, mit dem der Corona-Status künftig im Wirtshaus, Fitnessstudio oder Theater nachgewiesen werden kann, verzögert sich um zumindest eine Woche. Schuld seien „IT-Anpassungen“, die Österreich aufgrund „kurzfristiger Änderungen der technischen Anforderungen der EU“ vornehmen müsse. Doch ist wirklich die EU schuld?
“Keine technischen Änderungen seit 21. April”
Wie die EU-Kommission am Dienstag bekannt gab, hätten sich die technischen Spezifikationen seit dem Beschluss der Mitgliedstaaten am 21. April nicht geändert. Aus dem Gesundheitsministerium in Wien hieß es dazu am selben Tag, dass Detailabstimmungen zum Zertifikat bis zuletzt auf Ebene der Techniker stattfänden. Österreich sei gerade dabei, alle Vorgaben sowohl hinsichtlich des Datenschutzes als auch hinsichtlich der Funktionalität zu finalisieren. Was diese Details nun genau mit Änderungen der EU zu tun haben, blieb offen.
Die EU dürfte daher wenig mit der Verzögerung in Österreich zu tun haben. Ist doch die technische Infrastruktur für den EU-weiten Einsatz des COVID-Zertifikats – wie es auf EU-Ebene genannt wird – seit Dienstag „live“, also einsatzbereit. Österreich hatte die Verbindung zum EU-Gateway, eine von der Kommission eingerichtete Schnittstelle, die den Austausch elektronischer Signaturschlüssel ermöglicht, als eines der ersten Länder bereits am 11. März getestet.
Sieben EU-Staaten – Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Kroatien und Polen – haben sich für den Anschluss an den Gateway entschieden und mit der Verwendung des “Grünen Passes” begonnen, wie die EU-Kommission am Dienstag mitteilte. Andere Staaten werden in den kommenden Tagen und Wochen folgen.
“Irrsinnig, für 19 Tage eine teure nationale Lösung umzusetzen”
Währenddessen erntet Österreichs Regierung für die abermalige Verzögerung ordentlich Kritik von der Opposition. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sieht das Projekt einer nationalen Lösung gescheitert: „Es wäre irrsinnig, für 19 Tage eine teure nationale Lösung umzusetzen, die dann ohnehin von der EU-Variante abgelöst wird, weil sie über die österreichischen Grenzen hinaus keine Wirkung hat.“ Ob die „3G-Zettelwirtschaft“ der Regierung nun knapp mehr als 2 Wochen länger dauere oder nicht, sei in dem Fall auch schon egal.
SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher kritisiert die „Inszenierung“ und die „leeren Versprechungen“ des Bundeskanzlers. Auch, dass man versuche, die Schuld der EU in die Schuhe zu schieben, sei inakzeptabel: „Die Regierung versucht ihre eigenen Fehler auch noch mit Unwahrheiten zu verschleiern. Mit der ständigen Desinformation und dem Verbreiten von Unwahrheiten muss endlich Schluss sein.“
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk