Montag, April 29, 2024

20 Jahre »Schuh des Manitu«: Debatte um Darstellung Homosexueller

20 Jahre »Schuh des Manitu«

Satire über Homosexuelle – darf man das? Zwei Jahrzehnte nach Veröffentlichung des Bully-Films “Der Schuh des Manitu” geht es 2021 um dessen Schwulenklischee. Das Wespennest “politische Korrektheit” im Film wird auch in Sachen Rassismus neu bespielt.

Wien, 12. Juli 2021 | Es war vor 20 Jahren – zwei Monate vor dem 11. September und gut einen Monat nach Klaus Wowereits “Ich bin schwul – und das ist auch gut so!”. Am 19. Juli 2001 kam die Karl-May-Film-Parodie “Der Schuh des Manitu” in die deutschen Kinos und nur einen Tag später in die österreichischen.

Michael “Bully” Herbigs Persiflage auf die alten Winnetou-Filme löste damals mit 11,7 Millionen Besuchern “Otto – Der Film” als erfolgreichsten bundesdeutschen Nachkriegskinostreifen ab.

Schwuler Winnetouch auf “Puder Rosa Ranch”

Radikale Klischee-Verdichtung und ihre “Aufhebung im kompletten Nonsens – all das macht den besonderen Reiz dieser Westernklamotte aus”, rezensierte damals die Nachrichtenagentur dpa. In dem Film geht es um die beiden zu Unrecht des Mordes beschuldigten Blutsbrüder Abahachi (Herbig) und Ranger (Christian Tramitz). Die Abbilder der legendären Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand sprechen einen sehr speziellen Südstaatendialekt: Bayerisch.

Sie suchen nach einer Schatzkarte für einen Edelstein, der ihnen helfen könnte, sich freizukaufen. Doch der wahre Mörder, Gangsterboss Santa Maria (Sky du Mont), ist auf ihren Fersen. Und dann ist da noch der bisher verschwiegene schwule Abahachi-Zwillingsbruder Winnetouch, der auf der “Puder Rosa Ranch” eine Schönheitsfarm betreibt und in die Jagd nach dem Schatz hineingezogen wird.

Schuh des Manitu homophob?

An dieser Figur übt der Autor Johannes Kram seit Jahren Kritik. In seinem Buch “Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber… – Die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft” wirft er dem Film vor, Klischees kultiviert und lange dafür gesorgt zu haben, dass queere Belange nicht ernst genommen wurden.

“Deutschland kann endlich über sich selber lachen, bildete es sich damals ein. Dabei lachte es vor allem über Homosexuelle, besser gesagt tuntige Schwule.” Wer das aber sage, gelte als Spielverderber, so die These.

Kram sieht beim “Schuh des Manitu” humortechnisch “eine Renaissance des Schenkelklopferspaßes der Wirtschaftswunderzeit”. Bullys Tuntenparodien seien im Gegensatz zu anderen Schwulenwitzen rund um das Jahr 2000 – etwa von Stefan Raab oder Oliver Pocher – oft fein beobachtet und gekonnt gespielt.

Dennoch dränge sich der Verdacht auf, dass man in der damals rot-grünen Republik mit der neuen Eingetragenen Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule irgendwie erwartete, dass die Homos nun zufrieden sein müssten und gefälligst bei ihrer Lächerlichmachung mitlachen sollten.

Herbig: „Würden es genau so wieder machen“

Angesprochen auf solche Kritik sagte Herbig 2015 dem “Zeit”-Magazin: “Wir würden es genau so wieder machen.” Man lache die Tunten nicht aus. “Ich habe mir das ja nicht ausgedacht, sondern abgeguckt.” Schwule Freunde hätten Tränen gelacht, sich weggeschmissen.

Fünf Jahre später reagierte Herbig 2020 in einem dpa-Interview schon anders: “Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Film heute nochmal so machen würde, weil man sich selber auch verändert hat.” Und zur Frage, ob man Schwule parodieren dürfe: “Wir arbeiten in einer Branche, in der man ständig mit schwulen Kollegen zu tun hat.” Man möge sich. “Wenn da jemals einer gekommen wäre und uns gesagt hätte, ihr tut uns weh damit, hätten wir sofort die Finger davon gelassen.”

Wespennest „politische Korrektheit“

Die ganze Debatte sticht ins Wespennest politischer Korrektheit. Kram kontert jedoch, er wolle gar nicht Spaßpolizei spielen. Natürlich dürfe man auch über Homosexuelle lachen. “Und natürlich kann Humor nicht gerecht sein, er muss inkorrekt sein, überzeichnen, Klischees strapazieren.”

Doch ob Lustiges etwa schwulenfeindlich sei, sehe man simpel daran, ob es abwerte. “Auch wenn man ihn wie Bully charmant findet, den dummen Homo. Wenn es der dumme Homo ist, weil er dumm ist, weil er homo ist: Dann ist es Homophobie.”

Bleibt die Frage: Ist deutscher Humor nur dann erfolgreich, wenn er sich über Minderheiten wie Schwule oder auch Schwarze lustig macht? 35 Jahre nach “Otto – der Film” wurde 2020 über rassistische Begriffe darin debattiert. In einer Szene verkauft Otto einen Schwarzen (gespielt von Günther Kaufmann) als angeblichen Sklaven an eine ältere Dame. Dabei fällt auch öfter der früher übliche Begriff „Neger“ für schwarze Menschen.

Otto Waalkes rechtfertigte dies kürzlich in einem Interview der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”: “Wenn man satirisch mit solchen Themen umgeht, versucht man, Rassismus zu entlarven. Darum geht es in der Szene, die Frau war ja unbewusst rassistisch. So etwas kann falsch aufgefasst werden, das Risiko geht man ein, aber es hat funktioniert.” Auf den Einwand des F.A.Z.-Interviewers, seinen beiden Töchtern erschließe sich die vermeintlich subversive Komik der Szene heute nicht, antwortete Otto: “Dann müssten Sie es ihnen erklären.”

(apa/lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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17 Kommentare

  1. Es geht ja nicht um die Darstellung Homosexueller allgemein, sondern um die Darstellung von Schwuppen. Da gibts einen Unterschied.

  2. Ich finde es ok, wenn es wirklich lustig und gut ist. Ich weiß schon, das es schwierig ist, die Grenze zu ziehen aber SDM ist einfach so lustig, dass man da alles verzeihen kann.

  3. Total glaubwürdig, dass sich der von der F.A.Z. den Film von Otto Waalkes mit seinen Töchtern angesehen hat und dann ihr Verständnis zu einzelnen Szenen abgeprüft hat.

    Journalisten und die Wahrheit …

  4. man kann die “political correctness” schon auch a bissl übertreiben.
    und wenn ma dann noch versucht satire zu verbieten, hört sich der spass ganz auf.

    meist sind es ja eher die “konservativen”, die sich da empören.
    ich denk an deix und haderer.
    oder auch an titanic und sonneborn.
    und natürlich böhmermann.

    aber auch die “linken” sind leicht amal angrührt – wie zb bei der lisa eckhart.

    Satire halten jeweils jene für schlechten Geschmack, die auf Seiten der durch den Kakao gezogenen stehen.

    https://www.hagerhard.at/blog/2017/10/was-darf-satire/

  5. Kram scheint ein Mitnascher zu sein, der sein Buch gut promoten möchte und jetzt ein bißchen auf den Sack haut. In vielen Filmen werden spießige Heteropärchen aufs derbste verarscht und das klassische Familienmodell lustvoll demontiert – da regen sich dann höchstens irgendwelche Moralapostel auf. Kram scheint genau ein solcher – mit Verdienstabsichten – zu sein. Es gibt halt einfach Tunten, so richtig rosa gepuderte, mit geschwollener Stimme, Hüftschwung und nabelfreien Oberteilen. Darüber darf man sich auch lustig machen genau wie über den Spießer, der jeden Tag sein Auto poliert.

  6. Habt Ihr denn keine anderen Anhaltspunkte Euch ein moralisches Bewusstsein zu attestieren?

    Braucht Ihr solche Scheindebatten um Euch selbst zu glauben, “gute Menschen” zu sein?

    Das wäre leider der Beweis vom Gegenteil.

  7. Geht’s noch im Sommerloch!

    Da sollte man lieber thematisieren ob das Monster von Loch Ness
    Cisgender-Heteronormal oder Queer ist.

    Steht (apa/lb) etwa für Leo Brux?

  8. Wäre ich Waalkes, hätte ich den Interviewer gefragt, wie alte seine Töchter sind und was die für einen Bildungsabschluss haben. Gerade der alte Otto sollte doch als finanziell unabhängiger Mensch keine Hemmungen haben.

    Das einzige Leo für Menschen ist “noch” das (Polit-)Kabarett.

  9. Dass darüber überhaupt debattiert wird zeigt, wie sehr sich die Transgender-Ideologie schon überall eingenistet hat.

    • Na, generell gibt es zu viele Gutmenschen: nach T. Bernhard Weltverbesserer.
      Denen geht es nicht um die Sache selbst, sondern um mediale Aufmerksamkeit und aufs Schulterklopfen.

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