Will niedrigere Unternehmenssteuer während Rekordarbeitslosigkeit
Ein Interview, das die meisten Österreicher wohl sprachlos zurückließ. Gestern Abend stellte sich Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse, dem ZIB2-Interview bei Armin Wolf.
Wien, 26. März 2020 / Während Österreich die meisten Arbeitslosen in der Geschichte der Zweiten Republik aufweist, sang Boschan das Lob von Aktienmärkten und -investitionen. Die Gewerkschaft fordert aktuell, dass die Gewinnausschüttungen der Unternehmen an ihre Aktionäre unterbrochen wird. Von Wolf darauf angesprochen heißt es nur:
„Da denkt die Gewerkschaft zu kurz“
Immerhin müssten für diese Gewinne auch Steuern gezahlt werden.
Löhne vom Staat zahlen lassen und Dividenden ausschütten
Aus dem Kurzarbeits-Topf das Unternehmen zu finanzieren, aber weiter Gewinne an die Aktionäre auszuschütten, ist für Boschan unproblematisch. Immerhin wären die Rettungspakete des Staates durch Unternehmenssteuern und damit von Unternehmern finanziert.
Wer zahlt die Steuern? Wer zahlt die Steuern? Vor allem die ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen! Merkts euch das endlich! #zib2
— Markus Koza (@Kozarischer) March 25, 2020
Unverschämter geht’s nicht mehr. Börsechef Boschan erklärte gestern in der #zib2, dass die Ausschüttung von Dividenden selbst bei Inanspruchnahme staatlicher Hilfen kein Problem sei. Das Geld komme ohnehin von den Unternehmen. Weiß er, wer die Staatskassen füllt?
— Bruno Rossmann (@rossmannbruno) March 26, 2020
Es geht weiter mit den skurrilen Interviews in der #zib2 kriegt der nicht mit dass Corona grad alles verändert ? Gewinne ausschütten und Staatsgelder aus der KUA beziehen findet auf tirolerisch ausgedrückt “alles richtig gemacht” pic.twitter.com/pLJEriW94j
— Petra Lehner (@LehnerPetra) March 25, 2020
Die Tiwitter-Blase erstaunte vor den Forderungen des Börsen-Chefs.
Auch Wolf war am Ende des Interviews sichtlich perplex. Während der Börsen-Boss das Publikum mit Fachbegriffen überflutete, erkannte Wolf die abschließende Forderung von Boschan, Steuern auf Unternehmen zu senken:
„Sie sagen jetzt gerade einer Regierung die ein 38 Milliardenpaket geschnürt hat, die Steuern für Unternehmen zu senken?“
Das sei nicht die unmittelbare Forderung, antwortete Boschan, aber langfristig – vor allem nach der Krise – erwartet sich das Boschan in jedem Fall. Er glaube auch, dass Kurz und Blümel bereits daran arbeiten. Wahnsinn: Diese Forderung kommt im Moment, in dem hunderttausende Menschen in Österreich in Kurzarbeit geschickt werden oder ihre Arbeit verlieren.
Kein Wort über echte Systemerhalter
Arbeiter und Angestellte sind gezwungen, ihren Urlaub während der Isolation aufzubrauchen. Den echten Systemerhaltern – Krankenpfleger, Supermarktangestellte – bleibt nur eine kleine steuerfreie Prämie. Von den Millionengewinnen der Börsen hören sie nur in den Medien.
Aber immerhin: Boschan hat einen Tipp für die kleinen Systemerhalter und erklärt ihnen die Welt:
„Anlagen am Kapitalmarkt sind alternativlos“,
vor allem wenn man andere Investitionmöglichkeiten betrachtet, wie etwas das Sparbuch. Er lädt also alle Menschen ein, ihr gespartes Geld schleunigst auf die Börse zu bringen. „Langfristig anlegen“, dann gäbe es kein Risiko, richtet Boschan Österreich aus.
Warum die Börsen – die weltweit völlig ausgeflippt sind und gerade täglich zehnprozentige Kursschwankungen erleben – eigentlich nicht geschlossen werden würden heißt es:
„Die Börse zu schließen wäre absolut kontraproduktiv.“
Denn dann würde sich der Geldfluss in andere Märkte verschieben. Ob nicht vielleicht viele mächtige Kapitalträger Interesse an offenen Börsen haben – diese Frage stellte Wolf nicht.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk