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Ibiza-Ausschuss – Erstes Zeugnis-Einspruch!

Ibiza-Ausschuss

Wien, 11. Juni 2020 | Der Ibiza-Ausschuss macht 2 Wochen Pause. Aber schon vier hitzige Tage haben wir hinter uns. Grund genug, um den Fraktionen ein erstes Zeugnis auszustellen. Was können die Fraktionen noch besser machen? Was machen sie gut?
Zu dieser Frage veröffentlichte ZackZack am Donnerstag einen Kommentar von Thomas Oysmüller, der abwechselnd mit Thomas Walach aus dem Ausschuss berichtet. Letzterer würde andere Noten verteilen:

Fraktionschefin: Stephanie Krisper

Keine andere Fraktion hat bisher so viel Inhaltliches zur Aufklärung beigetragen wie die Pinken. Die NEOS-Abgeordneten und ihr Team stechen vor allem durch Aktenkenntnis und Sattelfestigkeit bezüglich juristischer Fragen hervor. Ausflüchte oder Halbwahrheiten haben da wenig Chancen, sich unerkannt einzuschleichen.

Steffi Krisper hatte ihre bisherige Sternstunde in der Befragung von Innenminister Karl Nehammer, als sie trotz aller Störfeuer durch Wolfgang Sobotka auf einer Antwort nach der entscheidenden Frage beharrte, ob Nehammer Justizministerin Alma Zadic über den Fund des Ibiza-Videos informierte.

Helmut Brandstätter merkt man die journalistische Erfahrung an. Seine Befragungen sind pointiert und zielgenau.

Wohin die NEOS eigentlich politsch wollen, ist nicht immer klar. Während sie in der technischen Detailarbeit glänzen, fehlt ein wirksame und verständliche Deutung der aufgedeckten Korruption.

Fraktionschef: Jan Krainer

Während die NEOS inhaltlich reussieren, ist es der SPÖ-Fraktion zu verdanken, dass dieser Ausschuss überhaupt noch arbeiten kann. Hielten die Roten nicht konsequent dagegen, hätte Wolfgang Sobotka den Untersuchungsausschuss wohl längst an die kurze Leine genommen.

Immer wieder meldet sich Kai Jan Krainer “zur Geschäftsordnung!” und durchkreuzt Sobotkas Manöver. Dabei scheut er auch den Konflikt mit dem cholerischen Vorsitzenden nicht. Krainers Beharren auf der genauen Einhaltung der Geschäftsordnung bei Entschlagungen hat es den weniger auskunftsfreudigen Zeugen verunmöglicht, pauschal die Aussage zu verweigern.

Mit parlamentarischem Selbstbewusstsein verteidigt die SPÖ die Rechte des Ausschusses als Kollegialorgan gegenüber Sobotkas absolutistischem Gehabe. Angesichts dieser aufreibenden und leider notwendigen Arbeit ist es verzeihlich, dass der große Coup noch fehlt.

Fraktionschef: Christian Hafenecker

Der FPÖ ist nicht wirklich an Aufklärung gelegen. Ihr geht es darum, mit dem Finger auf die ÖVP zu zeigen, um davon abzulenken, dass sie selbst pudelnackt dasteht. Jeden Tag wiederholt Christian Hafenecker bei der morgendlichen Pressekonferenz sein Mantra, dass sich mit drei Worten zusammenfassen lässt: Aber die ÖVP!

Wem wollen die Blauen denn vormachen, dass zwei Herren namens Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache kein Problem der FPÖ wären? Dabei bildet das dynamische Ibiza-Duo ja nur die Spitze des Eisbergs an Korruptionsvorwürfen gegen die FPÖ. An deren Enthüllung hat die Partei naturgemäß kein Interesse, und das merkt man auch.

Tatsächlich konnte das abgekoppelte ÖVP-Beiwagerl bisher nichts zur Aufklärung beitragen, obwohl insbesondere Martin Graf gelegentlich zeigt, dass er sein Handwerk als Ausschussmitglied versteht – aber eben immer nur dann, wenn es der FPÖ gerade nützt, von der eigenen Blöße abzulenken. Unter dem Schlagwort “Vernebelung” ist bisher auch der eigens eingerichtete Social Media-Kanal “Der schwarze Faden” einzuordnen.

Fraktionschefin: Nina Tomaselli

An die Grünen muss hier ein anderer Maßstab angelegt werden. Die Partei stand bis vor wenigen Jahren sinnbildlich für Aufklärung und Korruptionsbekämpfung. Ihrer Initiative ist es wesentlich zu verdanken, dass die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zum Minderheitenrecht wurde – eine Sternstunde des Parlamentarismus.

Dass die ehemalige Partei von Peter Pilz und Gabi Moser aus lauter Treue zur ÖVP versuchte, die Einsetzung dieses Auschusses zu verhindern, ist ein Sündenfall. Hätten die Grünen sich vor dem Verfassungsgerichtshof durchgesetzt, gäbe es den Ibiza-Untersuchungsausschuss gar nicht.

Mit dieser schweren Hypothek belastet gingen für die Grünen zwei unerfahrene Abgeordnete in den Ausschuss. David Stögmüller und Nina Tomaselli leiden dort merklich unter einem Rollenkonflikt. Offene Unterstützung für die ÖVP würde die Parteibasis wohl in die Rebellion treiben, echte Aufklärungsarbeit erlaubt der Koalitionspartner nicht. Die bisherige Lösung heißt: Still halten, nur nicht auffallen.

Fraktionschef: Wolfgang Gerstl

Wieder erweist sich als wahr: Es gibt eine patscherte Ibiza-Partei und eine geschickte – Letztere ist türkis. Wolfgang Gerstl tut, was er kann, um NEOS und SPÖ ebenso wie Journalisten mit Störaktionen das Leben schwer zu machen. Der ÖVP geht es nur um eines: Die Arbeit der Abgeordneten so gut es geht zu verunmöglichen und dadurch den Ausschuss insgesamt zu diskreditieren.

Gerstl spielt dabei aber bloß den Assistgeber für den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka. Dessen Name taucht in Akten immer wieder auf, weil er ein Naheverhältnis zu mehreren Beschuldigten in den laufenden Strafverfahren hat. Insbesondere Sobotkas Verbindungen zur Novomatic – einer seiner engsten Mitarbeiter wurde dort Kommunikationschef, eine andere ist mit Novomatic-Eigentümer Graf verwandt und erhielt von diesem Bargeldgeschenke in Millionenhöhe – schließen ihn als Vorsitzenden eigentlich aus.

Doch Sobotka stört sich nicht daran und versucht in schamloser Offenheit, den Ausschuss in seiner Arbeit zu behindern. Fragen dürfen nicht gestellt werden, Abgeordnete werden systematisch unterbrochen und angebrüllt. Immer wieder spielt Gerstl Sobotka dabei die Bälle zu. Die beiden bilden ein türkises Destruktionssdoppel.

Thomas Walach

Titelbild: APA Picturedesk

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