Lange Ausnahmenliste
Bei der Pressekonferenz von Vizebürgermeisterin Birgit Hebein am 17. Juni hieß es, Wien werde „die erste autofreie Stadt europaweit“, kurze Zeit später dann „die erste autofreie Stadt im deutschsprachigen Raum“. Bis zu 30 Ausnahmen soll es geben. Was ist dran am „autofreien Wien“?
Wien, 29. Juni 2020 | Der Plan “Autofreie Stadt” der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein und des ÖVP-Bezirksvorstehers der Inneren Stadt, Markus Figl, wird weiterhin heiß diskutiert. Denn: das Wort „autofrei“ scheint sich immer mehr als PR-Gag zu entwickeln. 16.000 Menschen wohnen laut Stadt Wien im 1. Wiener Gemeindebezirk. Laut Hebein kommen 50.000 Autos in die Wiener City, für diese „sei die Zeit jetzt vorbei“. Doch ist sie das wirklich?
Lange Liste der Ausnahmen
Die Liste der angegeben Ausnahmen ist lang. Hebein selbst rechnet mit zwischen „20 und 30 Ausnahmen“: Diplomaten, Anrainer, Unternehmen mit Betriebsstandort im 1. Bezirk (sofern ein Fahrzeug für den Betrieb erforderlich ist), sind zum Beispiel von der „autofreien“ Regelung ausgenommen. Die meist befahrenste Straße des “Ersten”, der Ring, ist ebenfalls ausgenommen von der „autofreien“ Zone. Laut Hebein und Figl soll das Projekt noch vor der Wien-Wahl in Kraft treten. Hebein erwartet sich einen Rückgang des Individualverkehrs um „bis zu 30 Prozent“.
Die Liste der angedachten Ausnahmen
Breite Kritik
Kritik kommt von mehreren Seiten. Der 1. Wiener Gemeindebezirk ist geprägt von Geschäften und Lokalen. Die Wiener Wirtschaftskammer und der Wirtschaftsbund zeigen sich mit den Plänen nicht zufrieden. So sei der Zeitpunkt des Einfahrtsverbots im Angesicht der angeschlagenen Wirtschaft durch die Coronakrise „denkbar schlecht“. Der Obmann der Sparte Handel der Wiener Wirtschaftskammer, Rainer Trefelik, meint gegenüber dem “Kurier” etwa: „Ich sehe die Zwänge von Markus Figl in Richtung seiner Bewohner. Aber er ist Bezirksvorsteher für alle. Auch für die Betriebe, den Handel und den Tourismus.“
Eine Aussage Hebeins sorgte in den sozialen Medien ebenfalls für Kritik. Gegenüber dem „Standard“ sagte Hebein: „Viele Tausende nutzen die Innenstadt als Abkürzung.“ ORF-Journalist Hanno Settele zeigte sich auf Twitter erregt über diese Aussage:
Fr. Hebein sagt allen Ernstes in @derStandardat, dass Tausende Autofahrer durch den 1. Bezirk als “Abkürzung” fahren würden. S.g. Frau Hebein, sorry: Haben Sie ein Auto? Wenn es einen Ort gibt, den Autofahrer in Wien meiden wie die Pest, dann die Innere Stadt. Was reden Sie?
— Hanno Settele (@HannoSettele) June 26, 2020
“Keine Schnell-Schnell-Lösung”
Auch SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig ist vom türkis-grünen Alleingang wenig begeistert. Seine Sorge ist insbesondere deshalb groß, da das Fahrverbot sich auf die umliegenden Bezirke niederschlagen könnte: „Ich bin nicht für eine Schnell-Schnell-Lösung, die einen Rattenschwanz an Problemen nach sich zieht“. Ludwig drohte bereits mit einem Veto gegen den Plan.
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk