Ermittlungen nach Anzeige
Sechs Festplatten wurden aus Druckern des Kanzleramtes ausgebaut. Nur drei davon wurden geschreddert – dafür nahm man zwei andere, unbekannte, Datenträger mit zur Firma Reisswolf. Sie sollten eigentlch gar nicht im Kanzleramt sein. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Wien, 15. April 2021 | Große Aufregung gab es am Mittwoch im Parlament. Der Grund: In der Schredder-Affäre wird wieder ermittelt und der Kabinettsmitarbeiter von Sebastian Kurz wird als Beschuldigter geführt. Die Staatsanwaltschaft Wien hat nach einer Anzeige von Stephanie Krisper (NEOS) und Jan Krainer (SPÖ) einen Anfangsverdacht festgestellt.
Neue Erkenntnisse ums Schreddern
Die beiden Oppositionsabgeordneten brachten die Sachverhaltsdarstellung am 24. Februar bei der Staatsanwaltschaft Wien ein. Man wirft den Verdächtigen, allen voran der Kabinettsmitarbeiter P., unter anderem Datenbeschädigung, Diebstahl, Amtsmissbrauch vor.
Nach Monaten im Ibiza-U-Ausschuss und Tausenden Seiten Akten scheinen die beiden Abgeordneten bereits sehr weit in der Rekonstruktion der Schredderaktion. Der Kernwiderspruch: Auf der Rechnung der IT-Firma Ricoh finden sich andere Festplatten, als dann geschreddert wurden.
Laut Rechnung wurden sechs typengleiche Festplatten ausgebaut. Geschreddert wurden allerdings nur drei solche Toshiba 320 Gigabyte Platten. Das ist eine Wende: Fragte man sich bisher, was denn auf diesen Festplatten gespeichert gewesen sein könnte, schließt sich jetzt eine andere Frage an: Wo sind die anderen beiden, von Ricoh ausgebauten Datenträgern.
Von einer weiß man, fassen Krisper und Krainer das Schicksal der ausgebauten Druckerfestplatten in der Anzeige zusammen:
Eine Festplatte wurde ordnungsgemäß im Wege des Zentralen Ausweichsystems des Bundes vernichtet; diese befand sich in den Räumlichkeiten des Büros der damaligen Bundesminister Bogner-Strauss;
Drei Festplatten wurden bei der Firma Reisswolf geschreddert; es dürfte sich dabei um jene aus Multifunktionsgeräten handeln, die im Bereich des Kabinetts des Bundeskanzlers und des Bundesministers Blümel aufgestellt waren, da der Festplattentyp übereinstimmt;
Der Verbleib von zwei weiteren aus denselben Multifunktionsgeräten ausgebauten Festplatten ist unbekannt; sie wurden jedenfalls nicht von Arno M.geschreddert.
Welche Laptops?
Die beiden weiteren, von M. geschredderten Festplatten seien jedoch nicht von Druckern aus dem Kanzleramt. Hier handelt es sich um Hitachi-Festplatten, wie das vom „Schredderer“ geschossene Foto belege. Jan Krainer vermutet bereits länger Blümels Laptop als Endgerät dahinter.
Das letzte Bild, bevor die Festplatten staub wurden.
Ein Ankauf des Kanzleramts von Festplatten dieser Firma ist allerdings nicht dokumentiert. Die Vorgänge am Schreddertag sehen die beiden Abgeordneten so:
“Am 23.5. baute die Firma Ricoh die Festplatten aus den Multifunktionsgeräten aus; anschließend verlangte P. von Bediensteten der IT-Abteilung die Aushändigung der fünf ausgebauten Festplatten; anschließend übergab P. in seinem Büro fünf Festplatten an Arno M., wobei jedoch nur drei davon tatsächlich jene waren, die aus den Multifunktionsgeräten ausgebaut wurden, und zwei weitere aus unbekannten Laptops stammten; anschließend begab sich Arno M. zur Firma Reisswolf und ließ die Vernichtung vornehmen; währenddessen ignorierte P. Anfragen der IT-Abteilung des BKA und Warnungen vor der Abweichung vom Regelverfahren; schlussendlich retournierte Arno M. die geschredderten Festplatten an P., welcher sie in weiterer Folge an die IT-Abteilung übergab.”
Dazu komme das die Verdächtigen in der Internen Revision des Kanzleramtes belastende Vorgänge nicht dokumentierte. Damit sei das Amt missbraucht worden, und die Republik geschädigt worden. Ihre Darstellung stützen die beiden U-Auschuss-Fraktionsführer auf drei Dokumente.
- den Bericht der Internen Revision des Bundeskanzleramts zur „Schredder-Affäre“,
- die Protokolle der Befragungen der Auskunftspersonen Kurz, Blümel und M. im Ibiza-Untersuchungsausschuss,
- die Rechnung über den Ausbau der Festplatten aus den Druckern
ÖVP-Attacken auf Justiz
Die ÖVP reagierte entsprechend erbost und attackierte die Aufdecker der Opposition schwer. Allen voran der Beschuldigte, der als Beamter den U-Ausschuss als politische Bühne nutzte und sein Statement fast dreißig Mal wiederholte, dass es sich hier um eine „politisch motivierte Anzeige“ handle. Dem widersprach auch Koalitionspartner David Stögmüller während der teilweise äußerst heftig geführten Debatte. Er mahnte die ÖVP zur Ruhe, denn die unabhängige Justiz habe einen Anfangsverdacht festgestellt. Das nun ermittelt werde, habe auch die ÖVP zu akzeptieren.
„Ich wünsche mir objektive und effiziente Ermittlungen“, sagt Stephanie Krisper zu ZackZack, „durch den U-Ausschuss kann die Öffentlichkeit noch länger ein Auge drauf haben.“ Zur gestrigen Befragung im Ibiza-Ausschuss sagt sie zu ZackZack: „Die ÖVP wirft der Staatsanwaltschaft vor, dass sie politisiert ermittelt.“ Das sei eine heftige Anschuldigung, die nicht nur vom Kabinettsmitarbeiter von Kurz gekommen sei, sondern auch von ÖVP-Hanger.
Auch Krainer hofft gegenüber ZackZack auf effiziente Ermittlungen. Es seien eben nun weitere Fragen am Tisch. Nicht nur, dass nicht klar ist, woher die beiden anderen Datenträger stammen, ist nun auch offen, wohin die beiden aus Druckern ausgebauten Festplatten verschwunden sind.
Es lägen nun schwerwiegende Vorwürfe an. Die eindrückliche Sachverhaltsdarstellung könnte der Grund sein, weshalb die Volkspartei am Mittwoch dermaßen nervös agierte.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk