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»Ein Hammer«: Internationale Pressestimmen zu Kurz-Ermittlungen

»Ein Hammer«:

Falschaussage im U-Ausschuss: Österreichs Bundeskanzler Kanzler Kurz rechnet mit einer Anklage. Die internationale Öffentlichkeit schaut nach Wien.

Wien, 13. Mai 2021 | Wie am Mittwoch bekannt wurde, ermittelt die WKStA nun auch gegen Sebastian Kurz und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli. Es geht um mehrfache Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss – Strafrahmen für dieses Vergehen: bis zu drei Jahre Haft.

Die internationale Presse hat umfassend berichtet – hier ein Überblick:

„Ein Hammer“ – Süddeutsche Zeitung

„Es geht jetzt um mehr als Stil und Anstand“, überschreibt die Süddeutsche Zeitung ihren Artikel. Denn: „Es geht um die Achtung für Regeln und Gesetze, die, wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen erst vergangene Woche süffisant anmerkte, für alle gelten.“

Dass Kurz Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist, sei ein „Hammer“. Auch, wenn es „keine echte Überraschung sei“, schließlich „versinke“ die ÖVP „in einer ganzen Reihe von Skandalen und Ermittlungsverfahren“, so die Münchner Zeitung.

„Wer in den vergangenen Monaten regelmäßig im Untersuchungsausschuss über die ‚mögliche Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung‘ saß (…), der ahnte früh: Da kann einiges in den Aussagen wichtiger Regierungsmitglieder nicht ganz stimmen. Zu viele Erinnerungslücken, ausweichende oder lebensfremde Antworten, zu viel, was zeitlich und inhaltlich nicht zusammenpasste“, schreibt die SZ.

Das Lügen unter Wahrheitspflicht sei ein „Hammer – umso mehr als Kurz angedeutet hat, selbst im Falle eines Verfahrens nicht zurücktreten zu wollen“, schreibt die SZ und weiter: „Man muss schon ziemlich schmerzfrei sein, um in einer solchen Situation alles an sich abperlen zu lassen und so zu tun, als sei man, wieder einmal, Opfer einer Kampagne.“

„Wer es nicht schafft, (…) zum Thema der Bestellung eines der wichtigsten Posten (…) so auszusagen, dass der Eindruck bewusster Weglassungen oder falscher Informationen gar nicht erst entsteht, der hat etwas zu verbergen, missachtet das Parlament oder hat den falschen Job“, so die SZ. Die Zeitung fragt sich, wie lang sich Kurz noch im Amt halten kann – selbst dann, wenn am Ende keine Verurteilung stehen sollte.

„Nur der vorläufige Höhepunkt“ – DIE ZEIT

Den „zweiten Knalleffekt innerhalb einer Woche“ sieht DIE ZEIT in ihrer Onlineausgabe, bezugnehmend auf nicht gelieferte Akten von Finanzminister Blümel an den U-Ausschuss, derentwegen nun sogar der Bundespräsident ausrücken musste. Der Konflikt um etwaige Falschaussagen sei „nur der vorläufige Höhepunkt in einer offenkundig gestörten Beziehung zwischen ÖVP und Staatsanwaltschaft“, schreibt die ZEIT.

„Dem – um es vorsichtig zu formulieren – saloppen Umgang mit Rechtsfragen entspricht ein ebensolcher mit dem Parlamentarismus, den man als verächtlich bezeichnen muss. Dafür sind die Attacken auf das Kontrollorgan nur der sichtbare Ausdruck“, so die Zeitung.

Das alles geschehe mit Duldung der Grünen, schreibt die ZEIT weiter: „Wie zuvor werden die Grünen auch jetzt wieder argumentieren, die Koalition sei zu wichtig, um sie deswegen aufs Spiel zu setzen.“ Aufgrund nach wie vor günstiger Umfragewerte scheine die ÖVP dennoch sicher, „dass die das Katz-und-Maus-Spiel gewinnen kann. Auf Kosten der demokratischen Institutionen.“

„Untersuchung wird Kurz lähmen“ – Neue Zürcher Zeitung

„Die Politik der Effekthascherei hat ein Ablaufdatum“ titelt die NZZ und meint damit Kurzens „Taschenspielertricks“, etwa die Zahl der Geimpften besser darzustellen, als sie tatsächlich sind. Zu dieser „Showpolitik“ zähle auch der Streit mit der EU, als Kurz behauptete, es gebe einen „Impfbasar“, der Österreich benachteiligen würde – was sich als falsch herausgestellt hat.

Schlimmer noch, habe Kurz auch keine Hemmungen, sich auf die Ränkespiele von Putin einzulassen, schreibt die NZZ. Dass dieser mit seinem Impfstoff Sputnik V einen Keil in die EU treibt, kümmere den Kanzler herzlich wenig: „Auch das war vor allem eine Show, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.“

Kurz sei nach vierzehn Monaten Pandemie und den Ermittlungen „angeschlagen“, nun stünden ihm weitere schwierige Monate bevor. Auf Kritik im Zusammenhang mit der Causa Blümel habe Kurz „wenig souverän“ reagiert, so die NZZ: „In der Hausdurchsuchung, welche die WKStA bei Blümel durchführte, sah er einen Angriff der Justiz auf seine Regierung und die ÖVP. Das kam bei den Juristen sehr schlecht an“.

„Die neueste Untersuchung wird Kurz bei seiner Arbeit lähmen. Mit seiner bisherigen Politik der Inszenierung wird er definitiv nicht mehr weiterkommen. Ob Kurz’ und sein Umfeld sich neu ausrichten können, ist ungewiss – die vergangenen Monate stimmen skeptisch“, schreibt die NZZ.

„Schwerste Herausforderung“ – Financial Times

Als „schwerste Herausforderung“ für seine Autorität sieht die Financial Times die Ermittlungen der WKStA gegen den Kanzler. Diese hätten nach und nach „verschiedenste miteinander verknüpfte Skandale rund um politischen Einfluss, Bestechung und Amtsmissbrauch“ hevorgebracht und für einen „beständigen Trommelwirbel von obszönen und negativen Überschriften“ gesorgt.

„Kurz und Bonelli haben vor dem U-Ausschuss mehrmals gegenüber ausgesagt, nicht eng in die Bestellung von Thomas Schmid (als ÖBAG-Alleingeschäftsführer, Anm.) beteiligt gewesen zu sein. Textnachrichten, die von den Ermittlern ausgewertet wurden, zeigen aber, dass sie das sehr wohl waren“, so die Financial Times.

FAZ, Spiegel, BBC, Deutsche Welle etc.

Und auch viele andere haben berichtet. Von einem „Paukenschlag in unserem Nachbarland“ schreibt die Bild-Zeitung, die Kurz im Allgemeinen sehr gewogen ist. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, DER SPIEGEL, die BBC, die Deutsche Welle, die US-Nachrichtenagenturen Reuters, Bloomberg, Associated Press sowie die Washington Post berichten über die Ermittlungen gegen Sebastian Kurz.

Ebenso das angesehene Politikmagazin Politico, das von einer „Überfülle politischer Skandale und Sorgen um Österreichs demokratische Institutionen“ schreibt. Erst am Dienstag beschrieb eine Politico-Analyse Kurzens „Krieg gegen die Medien“. Und letzte Woche widmete sich Jan Böhmermann eine halbe Stunde lang dem System Kurz – noch bevor die Ermittlungen gegen den Kanzler bekannt wurden.

(fb)

Titelbild: Screenshot ARD

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