Freitag, April 26, 2024

Pleitetransparenz

Das ist ein Unterüberschrift

Etwa eine halbe Million Menschen in Österreich ist überschuldet. Ein neues Exekutionsrecht bringt laut Experten einige Verbesserungen. Doch künftig ist öffentlich einsehbar, wer pleite ist.

Wien, 04. Juni 2021 | Im Juli tritt ein neues Exekutionsrecht in Kraft. Justizministerin Alma Zadic verspricht ein “gerechtes Miteinander”. Ziel der Reform sei eine einfachere Entschuldung von Menschen, die ihre Schulden nicht bezahlen können.

Bis zu 700.000 Exekutionen gibt es jährlich in Österreich. Gläubiger können sie bei Gericht beantragen, um an Geld zu kommen, das ihnen ihrer Ansicht nach geschuldet wird. Warum sind es so viele?

Wettrennen um Pfändbares

Bernhard Sell, Prokurist der Schuldnerberatung Wien erklärt: Beim alten Exekutionsrecht gilt “first come, first served”. Wer zuerst Exekution beantragt, bekommt alles, was pfändbar ist, weitere Gläubiger schauen durch die Finger. Deshalb stellten viele Gläubiger sicherheitshalber Exekutionsanträge, um im Zweifelsfall die ersten zu sein. Das brächte nicht nur einen enormen bürokratischen Aufwand, sondern konfrontiere die Schuldner auch mit massenhaften Exekutionsanträgen.

Das neue Gesetz bringt ein neues Instrument, die sogenannte Gesamtvollstreckung. Stellt ein Gericht fest, dass eine Person hoffnungslos überschuldet ist – praktisch, weil Gerichtsvollzieher die Erfahrung machen, oft bei einer Person tätig zu werden, ohne dass etwas zu holen ist – kann jeder Gläubiger Antrag auf Gesamtvollstreckung stellen. Andere Gläubiger können sich anschließen. Was verwertbar ist, wird unter ihnen aufgeteilt.

Und: Im Gegensatz zum Privatkonkurs bringt die Gesamtvollstreckung keinen Neustart. Sie läuft so lange, bis alle Schulden getilgt sind. Wann immer Geld oder andere Werte über dem Existenzminimum hereinkommen, gehen sie an die Gläubiger. Das soll, sagt Sell, die Schuldner dazu bringen, rascher Privatkonkurs anzumelden. Den bis zu 700.000 Exekutionsanträgen stünden derzeit jährlich nur 10.000 Privatkonkurse gegenüber. Es gäbe aber wesentlich mehr überschuldete Menschen.

Insgesamt positiv, aber…

Die raschere Überleitung in die Insolvenz sehen Sell wie auch Rechtsanwalt Florian Horn positiv. Derzeit würden Menschen über Jahre hinweg immer wieder gepfändet, die besser beraten wären, mittels Insolvenzverfahren reinen Tisch und einen Neuanfang zu machen. Auch für Arbeitgeber werde es leichter, sagt Sell: Statt wie derzeit oft dutzende Gehaltsexekutionsanträge zu bekommen, hätten sie in der Gesamtvollstreckung nur noch einen Ansprechpartner.

Aber es gibt ein Problem: Sobald das Gericht die Überschuldung einer Person feststellt, wird das in der Ediktsdatei veröffentlicht, erklärt der Alpenländische Kreditorenverband. In dieses Register kann jeder schauen, auch Arbeitgeber oder Vermieter. Betroffene fürchten, an den Pranger gestellt zu werden, keinen Job oder keine Wohnung mehr zu finden.

Auch, wenn Personen gegen die Festellung der Zahlungsunfähigkeit Rechtsmittel einlegen, bleibt der Eintrag in der Datei bestehen, bis die Sache ausgefochten ist. “Im Extremfall” könne das negative Auswirkungen auf die Schuldner haben, sagt Horn. Bernhard Sell sagt, die Schuldnerberatung habe sich intensiv dafür eingesetzt, dass dieser Mechanismus aus dem Gesetzesvorschlag gestrichen werde. Passiert ist das nicht.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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19 Kommentare

  1. Ja zu grün gibt es keine Worte mehr. In Sol wird eine Ostumfahrung geplant. Mitten durch die Stadt. Vollkommen daneben wie schon die Westumfahrung. Bilder und Protest inkl. Unterschriftensammlung kommt von der KPÖ. Von den Grünen kein Wort. Dabei ist OÖ gerade im Wahlkampf. Aber Keineder von den Grünen rechnet sich Chancen auf eine Koalition mit dem unfähigen Stelzer aus also wird hier nicht dagegen protestiert. Obwohl es um Auen geht.

  2. Was auch immer von Schuldnerberater und Rechtsanwalt an der zentralen Gesamtvollstreckung als Verbesserung wahrgenommen wird, aber öffentlich einsehbar sollte das nicht sein. Es ist sicher eine Vereinfachung im Verwaltungsapparat und an der Offenlegung am Arbeitgeber kommt man ohnehin nicht vorbei, aber einen Mieter geht das z.B. nichts an. Der Zeitpunkt sagt mir auch, dass die schon mit einer Pleitewelle rechnen. Durch die raschere Abwicklung wird der Druck auf eine Privatinsolvenz erhöht. Auch das Etikett ”für ein gerechtes Miteinander” ist hier fehl am Platz.

  3. Frau Zadic ist anscheinend ein Fan des Prangers. Oder anders gesagt, gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. So werden Menschen an den Pranger gestellt und ihr Leben wird noch schwerer als es ohnehin schon ist. Das stört die Grüne Zadic aber nicht, vielleicht weil arme Menschen selten wählen gehen und damit für eine Grüne Politikerin wie Zadic unerheblich sind?

    Oder Frau Zadic weiß es besser als die Schuldnerberatung. Sie ist ja auch in anderen Bereichen besser informiert als die direkt Betroffenen, z.B. die WKStA Staatsanwälte im U-Ausschuss, die sich behindert fühlen und denen Zadic ausrichtet, dass sie das falsch sehen.

    Mir scheint das ein Muster zu sein. Zadic weiß ALLES besser, deshalb hat sie vielleicht auch laut eigener Aussage im Stern-Interview eine gute Zusammenarbeit mit Kurz.

  4. Für Basti, Kojak und den Champagner-Mahrer ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Arbeitslose weiter auszusackeln. Der Abstand zum Pöbel muss sich wieder lohnen.

  5. Als Nächstes kommt dann ein offizielles Pöbelregister + Pöbelkarte

  6. Wie kann das möglich sein? Sind die Regierung und die Beamten vollkommen angesoffen? Wie kommt man auf so einen Schwachsinn.

  7. Man reiche dem Pöbel und den Tieren das Arme-Leute-Essen …
    … sofern die Türkisen ned söwa scho ois z’samm gfressn ham.

    • So wie die Türkisen das von uns Tieren hart erarbeitete Steuergeld an ihresgleichen verteilen, können wir uns von unseren Pensionen garantiert verabschieden. Dem Pisser ist das egal. Er schleicht sich zu einer Versicherung und scheffelt dort Millionen an Bonis für die Pensionsvorsorgen, die wir dort künftig privat abschließen dürfen. Ibiza 2.0
      Es ist zum Kotzen. Man wird nur noch beschissen von der Politik. Der Tag wird kommen, an dem diese Korrupten mit nassen Fetzen aus ihren Ämtern gejagt werden und dann wird es keine Menschlichkeit geben.

        • Sie sollen nur so weiter machen, die Türkisen. Die Zahl der Unzufriedenen wächst mit jeder Aktion. Von Woche zu Woche werden es immer mehr, die nicht mehr über die Runde kommen und irgendwann werden den Menschen die Nerven durchbrennen. Szenen von brennenden Städten wie in Frankreich zu Zeiten der Gelbwesten sind in Österreich gar nicht mehr so fern.

          An Rosams Stelle würde ich Kurz nicht danken, sondern mir Sorgen machen, denn die Vermögenden werden es ausbaden und den ganzen Hass abbekommen.

          • Es wird die Zeit kommen, da wird man nur noch erstaunt fragen:
            Pension (PV/UV/ALV), was bedeutet das?

            So wie ich einmal erstaunt war als ich in einer Serie folgende Aussage vernommen habe:

            ‘Du wirst sehen, die werden eines Tages Steuern auf das eintreiben, was wir uns erarbeitet und verdient haben.’

          • Pat, nur zur Erinnerung, das An-den-Pranger-stellen-Gesetz hat kein Türkiser Bundesminister ausgearbeitet sondern das von der Grünen Zadic geführte Justizministerium.

      • Ja, sie haben m.M.n. Recht, es ist unfassbar wie tief die Grünen gefallen sind. M.M.n. sind sie aktuell in ihren Machtpositionen keinen Deut besser als Türkis oder Blau.

        Die Grünen schießen einen Vogel nach dem anderen ab. Bei Türkis ist man das schon gewohnt, jetzt haben sie einen treuen Komplizen gefunden. Aber wir Ösis lieben anscheinend den Untergang. Anders kann ich mir die aktuell 30% Türkis und 10% Grün nicht erklären. Ist zwar ein neuer Tiefststand seit der Wahl, aber mit ein bisschen PR kann Türkis-Grün das schon wieder hinkriegen. Unfassbar!

  8. …. so, genau so bringt man die Leute auf die Strasse!
    …. als Obdachlose, ohne Chance wieder auf sie Beine zu kommen…

    Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.
    Mahatma Gandhi

  9. Prior tempore, potior iure.
    Panem et circenses in dubio pro reo.

    Veni, vidi, vici

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Denn: ZackZack bist auch DU!