Freitag, April 26, 2024

Umstrittenes Lohndumpinggesetz verabschiedet

Die gesetzlichen Maßnahmen zu Lohn- und Sozialdumping sollen noch dieses Jahr geändert werden. Von der SPÖ und der AK kommt Kritik. Sie sehen dabei Vorteile für organisierte Sozialbetrüger.

Wien, 7. Juli 2021 | Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde im Nationalrat für eine Regierungsnovelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz gestimmt. Die Kritik der Arbeiterkammer (AK) bezieht sich vor allem auf die Abschaffung des Kumulationsprinzips bei Verwaltungsstrafen für Unternehmen, die gegen die Bestimmungen des Gesetzes verstoßen. So könnten Unternehmen zu Sozialdumping erst recht animiert werden.

Die Novellierung war auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zurückgeführt worden.

Kumulationsprinzip gestrichen

Bisher galt bei Lohndumping das Kumulationsprinzip, wonach die Mindeststrafe mit der Anzahl an Arbeitnehmern, die Lohndumping erfahren haben, multipliziert wurde. So müsste ein Arbeitgeber, der bei 10 Arbeitnehmern die Löhne „dumpt“, die 10-fache Strafe zahlen. Die Pro-Kopf-Strafe lag je nach Schwere des Vergehens zwischen 2.000 und 20.000 Euro.

Die Neuregelung von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sieht bei nachgewiesener Unterentlohnung eine gestaffelte Strafe bis zu einer Höchststrafe von 400.000 Euro vor. Dafür muss aber der Arbeitgeber den Kollektivvertrags-Mindestlohn um 40 Prozent verletzt haben. Zu hoch, wie die AK meint. „Aus unserer Sicht rechtfertigt auch ein 30-prozentiger Lohnraub die mögliche Anwendung des Höchstrahmens“, heißt es vonseiten des AK-Direktors Christoph Klein in einer Aussendung.

Nachteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Die Abschaffung des Kumulationsprinzips sei gar nicht notwendig gewesen, denn die soll laut AK EU-rechtskonform gewesen sein. Die Unverhältnismäßigkeit, die die EU sah, soll sich auf Arbeitgeber mit mehreren Arbeitnehmern bezogen haben, die Strafen in Millionenhöhe bekommen haben. Die AK hatte bereits vor zwei Jahren mit Sozialpartnern einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, wobei unverhältnismäßig hohe Mindeststrafen auf eine verhältnismäßige Summe gesenkt werden konnten.

Mit der jetzigen Novellierung hätten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer einen Nachteil. Arbeitgeber, die keine kollektivverträglichen Löhne zahlen und daher billigere Aufträge anbieten, würden die Aufträge bekommen und nicht die, die sich an die gesetzlichen Vorgaben halten.

Schlupflöcher für Sozialbetrüger

Der Strafrahmen für Lohndumping kann je nach Schadenshöhe um eine Stufe gesenkt werden, wenn der Arbeitgeber im Strafverfahren umfassend zur Aufklärung beiträgt. Problem für die Hackler: Den vorenthaltenen Lohn muss er dabei nicht zurückzahlen. Damit erlaubt die Novellierung eine Ausbeutung von Arbeitnehmern.

Außerdem lassen sich die Strafmaßnahmen bei Lohndumping vermeiden, indem der Kontrollbehörde der Zutritt zur Betriebsstätte verwehrt oder die Lieferung von Lohnunterlagen verweigert wird. Die maximale Strafe für eine Kontrollverweigerung beträgt 40.000 Euro statt potenzieller 400.000 Euro. Die AK fordert Beugestrafen bei Durchsuchungsvereitelungen.

(nb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Nura Wagner
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16 Kommentare

  1. So ein schlechtes Gesetz, und dann wundert sich die Volkswirtschaft immer warum keiner mehr Kinder kriegen mag. Dabei schießt sich der Staat damit selbst ins Knie, denn diese Lohndumper drücken Löhne unter die Geringfügkeit, verteilen sie an mehrere arme Schweine, die keine andere Wahl haben oder tricksen bei Mehrarbeit auf die Auszahlungsverteilung von mehreren Monaten, und zahlen dadurch genau KEINE Steueren. Die anderere Gruppe der vollbeschäftigten Leiharbeiter, wir auch dementsprechend weniger verdienen, und umso weniger Steuern zahlen. Da dies für Unternehmen eine Ersparnis und ein Wettbewerbsvorteil ist, wird sich der Wettbewerb mit der Zeit dementsprechend einstellen. Die Großkonzerne zahlen sowieso keine Steuern, und die anderen Unternehmen haben auch ein paar Tricks. Ich frage mich halt, wen sie dann bei der nächsten Krise noch ausquetschen wollen, wenn das so weiter geht?

  2. Herr Kogler: Haben Sie auch nur noch einen einzigen ungeborstenen Spiegel im Haus? Nein? Ich bedanke mich für diese Ehrlichkeit. Leider reicht sie nicht aus, um den Grünen noch einmal meine Stimme zu geben. Wer zusieht, ja sogar Beihilfe leistet, wenn die ÖVP dem Arbeiter mehr und mehr die Kehle zuschnürt, ist für mich genauso unwählbar wie die ÖVP. Das will gesagt sein.

  3. Jetzt wäre es dann Zeit für die ersten Warnstreiks. Auch verkehrsblockaden, usw. Wenn jetzt keiner Aufsteht, ist Österreich bald ein Ständestaat. Wehrte den Anfängen!

  4. Alter Schwede… ehm Österreicher. Ich würd mal sagen, Unternehmer welche vorsätzlich das Gesetz brechen verlieren ihren Gewerbeschein bzw Beteiligung. Leute, es ist euch schon klar, dass die Gesellschaft anfangen muß sich zu verteidigen. Wenn Regierende am Rand des demokratischen Modells aggieren, wird der Gesellschaft schlussendlich nichts anderes übrigbleiben als am gegenüberliegenden Rande des demokratischen Modells zu antworten. Der klassische Mob ist auch etwas demokratisches, im Grunde der Demokratie letztes Sicherheitsnetz und Schwert.

  5. also versteh ich das richtig… gestraft wird erst, wenn 40% des Kollktivvertrages UNTERschritten ist ?!!

    die ÖVP zeigt abermals ihr wahres Gesicht = Öst. Verbrecher Partei

  6. Im Nationalrat wurde ja jetzt das Erneuerbaren Ausbaugesetz beschlossen. Gewessler ist happy. Aber ich frage mich die ganze Zeit, was der Preis für die Zustimmung der ÖVP war. Vielleicht die Verschärfungen für Langzeitarbeitslose? Vielleicht die geringeren Strafen für Lohdumping? Vielleicht beides? Läuft es die ganze Zeit so wie bei Schwarz/Blau damals? Der Preis für den 12 Stundentag damals, was war das…..irgendwas wurde Kickl damals zugesagt….. war es das Gesetz um Leute vorbeugend einzusperren….ich weis es nicht mehr. Jedenfalls bin ich mir mittlerweile völlig sicher, das die ArbeitnehmerInnen zugunsten des Umweltschutzes von den Grünen geopfert werden genauso wie damals zugunsten von menschenrechtswidrigen Gesetzten die sich die FPÖ wünschte. Jeder hat anscheinend seinen Preis…..

    • Gut beobachtet…..

      Nur, dass sich offensichtlich (auch) die ÖVP nach einer Schutzhaft und so einigem mehr sehnt….

      Das “Böse” kommt nicht zwangsläufig und ausnahmslos von Rechts. Es kann von allen Seiten kommen. Anfällig dafür sind dann die Eichmanns dieser Welt.

      Das Böse kommt in kleinen Schritten, sagt Köhlmeier. Und es weiß sich gut zu tarnen.

  7. Das muss man sich mal vorstellen: Für alles zahlen wir mehr und mehr Steuern und Abgaben und Strafen, aber die Strafen für miese korrupte Arbeitgeber werden verringert.

    Naja, das Volk hat so gewählt.

    • Was er sagt hat Hand und Fuß.
      Die breite Masse wird zur Kasse gebeten und niemand stellt sich der größten Plünderungsaktion der Nachkriegszeit entgegen.
      Wir wurden ausschließlich, durch die Pandemie und der Herangehensweise der Regierung an die Gschicht, in die Scheiße reintheatert.

      Es ist ja nicht mehr nur so, dass wir eine Zeche zu brennan hätten, wenn alle Stricke reißen, reißt vlt. sogar der Strick – dann könnts sogar soweit kommen, dass ma uns alle die Augen auskratzen und uns zu Tode streicheln …

  8. diese türkise regierung liefert an ihre spender
    wir diskutieren verschärfungen bei den zumutungsbestimmungen für arbeitslose, und zb über zuverdienste bis zur geringfügigkeitsgrenze, und gleichzeitg wird das gesetz gegen lohndumping massiv gelockert.
    es wird ein permanenter kampf gegen arbeitnehmer*innen geführt.

    dazu kommt:
    der arbeitsminister – ein neoliberaler
    der neue chef des wifo – ein neoliberaler
    der neue chef der ihs – ein neoliberaler

    jeden, der diese partei wählt und nicht zu den ober 10 % der vermögens- oder einkommenspyramide gehört, muss man schon fragen, warum er gegen seine eigenen interessen stimmt.

    aber wahrscheinlich hatte brecht recht:
    die dümmsten kälber
    wählen ihren schlachter selber

    • ‘ aber wahrscheinlich hatte brecht recht:
      die dümmsten kälber
      wählen ihren schlachter selber ‘

      Auch Jesus am Kreuz hatte recht, als er flehte:
      Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

    • Neun von zehn Arbeitern wissen nicht einmal, was der Neoliberalismus ist. Smith, Hayek, Friedman, damals die Sache in Chile, das sind für sie alles böhmische Dörfer. Nicht zuletzt hier liegt das Problem. Aber versucht man sich an Aufklärung, so merkt man bereits nach drei Sätzen, dass die Gedanken beim nächsten Bier sind…

  9. ‘ Warum Herr Bundeskanzler, lassen Sie die rund 350.000 Arbeitslosen und deren Familien im Regen stehen? ‘

    Was verstehen Sie daran noch immer nicht, Hr. Muchitsch.
    Die Krise ist vorbei (was für eine Krise eigentlich)!
    Wer arbeiten will, findet auch Arbeit – ach ich vergaß wir werden von Parteien regiert, denen die Arbeiterklasse am Arsch vorbei geht – ganz besonders dem Kanzler.
    Heißt aber nicht dass wir aktuell Parteien hätten, die die Erwerbstätigen (aktiv als auch passiv) deshalb mehr interessieren würden.

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