Die EU will höhere Mindestlöhne durchsetzen. Österreichs Arbeitsminister Martin Kocher enthielt sich am Montag seiner Stimme. Die Verhandlungen beginnen nun ohne österreichische Zustimmung. Es gibt Kritik, auch von den Grünen.
Wien, 08. Dezember 2021 | Das unterschiedliche Lohnniveau innerhalb der EU sorgt für Lohn- und Sozialdumping. Nun soll der Mindestlohn in der EU angehoben werden. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) widersetzt sich diesen Plänen allerdings. Er enthielt sich am Montag bei der Abstimmung.
Verhandlungen starten
Die aktuelle portugiesische Ratspräsidentschaft hatte einen Kompromissvorschlag präsentiert. Er sieht die Sache „skeptisch“ und unterstützt die Verhandlungen zwischen EU-Rat, EU-Parlament und EU-Kommission, wie „Kontrast“ berichtet. Die Verhandlungen starten trotzdem, weil eine Mehrheit dafür ist.
In Österreich dürfte den Prozess ausschließlich die ÖVP blockieren. Auch Koalitionspartner und Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat den Plänen zugestimmt. Er hatte schon im Mai gemeinsam mit anderen grünen Ministern einen offenen Brief geschrieben, der für höhere Mindestlöhne eintrat.
Wolfgang Katzian, ehemaliger SPÖ-Abgeordneter und ÖGB-Präsident, richtet Kocher mit Nachdruck aus: „24 Millionen ArbeitnehmerInnen würden von der Umsetzung des Mindestlohns in der EU profitieren. Eine europaweite Stärkung der Tarif- und Kollektivvertragsverhandlungen und höhere Mindestlöhne würden die wirtschaftliche Erholung von Covid-19, die es so dringend braucht, fördern.“
Kritik auch von Grün
Auch die Grünen üben Kritik an Kocher: „Unser gemeinsames europäisches Ziel muss sein, Lohndumping zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU zu beenden. Wir müssen die EU-weiten Bemühungen unterstützen und vorantreiben – nicht zuletzt, weil gerade Österreich davon profitieren würde“, sagen Markus Koza, Sozialsprecher der Grünen und Monika Vana, EU-Parlamentarierin für die Grünen.
Koza und Vana haben auch Kochers Enthaltung in einer Aussendung kritisiert, loben aber, dass er es zumindest nicht abgelehnt hat: „Eine Enthaltung ist jedenfalls besser als die bisher an den Tag gelegte Ablehnung. Unser gemeinsames europäisches Ziel muss allerdings sein, Lohndumping zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU zu beenden. Wir müssen hier ein starkes Signal setzen und die EU-weiten Bemühungen unterstützen und vorantreiben – nicht zuletzt, weil gerade Österreich davon profitieren würde.“
Sämtliche Arbeitgeberverbände lehnen die Richtlinie für einen EU-weiten Mindestlohn ab. Der Vorschlag der EU will zumindest die Kollektivverträge in allen EU-Staaten fördern. Das Kollektivvertrag-System wurde in Süd- und Osteuropa jedoch durch die Strukturanpassungen der Troika (EZB, IWF, EU-Kommission) aufgrund der Finanzkrise 2008 geschwächt. Der portugiesische Vorstoß wäre ein erster Schritt zur Umkehr.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk