Freitag, April 26, 2024

Grüner UA-Bericht: Türkis-Blau installierte »Parallelsystem«

Die Grünen haben am Dienstag ihren Fraktionsbericht zum Ibiza-Untersuchungsausschuss präsentiert. Die 146 Seiten skizzieren ein “türkis-blaues Parallelsystem”, so Fraktionsführerin Nina Tomaselli bei der Präsentation.

Wien, 17. August 2021 | “Wir haben Selbstbereicherung gefunden, wir haben mutmaßlich Korruption gefunden und Postenschacher im ganz großen Stil”: drehscheibe sei das türkis geführte Finanzministerium gewesen, so Tomaselli.

Belege für “mutmaßliche Käuflichkeit”

Zu Beginn habe man “nicht gedacht, dass wir tatsächlich so viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung finden werden – haben wir aber”, erklärte Tomaselli. Zunächst habe man versucht, jede einzelne Aussagen von Ex-FPÖ Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video einem Realitätstest zu unterziehen. Dabei sei man in die “finstersten Ecken” gedrungen. Und es habe sich gezeigt, “vieles von dem, was Strache angekündigt hat, ist in die Tat umgesetzt worden”, so Tomaselli: “Nur nicht alles von ihm und wesentlich professioneller.”

Türkis-Blau habe versucht, ein Parallelsystem zu installieren, vorbei am Parlament und vorbei an der Bevölkerung. Profiteure sollten Wohlhabende und Gönner sein. Die Akten zeugten auch davon, mit welchem Machtanspruch dieses System agiert habe. Und die bekannt gewordenen Chats förderten ein Sittenbild der Politik zutage, das viele Österreicher nicht kennenlernen wollten.

Drehscheibe türkises Finanzministerium

“Eine der wesentlichen Drehscheiben war das türkis geführte Finanzministerium”, betonte die grüne Fraktionsführerin. Das liege vor allem an der Person Thomas Schmid (ehemaliger Kabinettschef und Ex-ÖBAG-Chef). “Er war überall mittendrin statt nur dabei”, sei es um Privatisierungen oder um Postenschacher gegangen. Ganz oben stand bei letzterem die Bestellung Schmids zum Alleinvorstands der ÖBAG, so Tomaselli: “Das war eine g’schobene Partie.”

Auch hätten sich bei den durch die Exekution des Wiener Landesgerichts gelieferten Akten neue Erkenntnisse ergeben. Diese würden nämlich zwei zentrale Aussagen zum Projekt Edelstein, also zur geplanten Privatisierung des Bundesrechenzentrums (BRZ) widerlegen. Weder seien die Überlegungen zum Projekt nach dem Datenskandal der Post ad acta gelegt worden, noch habe sich dieses lediglich im Ideenstadium befunden, argumentierte die grüne Fraktionsführerin. Gefunden habe man nämlich ein neues Strategiepapier, wo die Privatisierungspläne aufgelistet sind – “weit entfernt von einem Anfangsstadium oder Brainstorming”.

Dass man die neuen Erkenntnisse als Beleg dafür werten kann, dass der U-Ausschuss zu früh beendet wurde, sieht Tomaselli nicht so: “Nein, das Wissen geht ja nicht verloren.” Bis zum Ende des U-Ausschusses könnten die Akten weiter durchsucht werden. “Das werden wir auch bis zum allerletzten Tag machen – Aufklärung bis zum Ende.”

Wirecard als nächster Strang

Freilich gebe es noch genügend Fragen und Stränge, denen man nachgehen könnte, so Tomaselli, wie etwa der Wirecard-Skandal und dessen Bezug zu Österreich. Der U-Ausschuss sei aber ein Minderheitenrecht, daher obliege es auch dieser, einen neuen einzusetzen.

Und die Grünen lieferten auch eine eigene Bilanz: An 52 Tagen wurden 116 Befragungen durchgeführt. Darunter waren 84 Männer und 21 Frauen. 23 davon waren Politiker oder Politikerinnen, 19 Beamte oder Beamtinnen, neun Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen und zwei Polizisten. Die Befragungsdauer betrug insgesamt 493 Stunden. Geliefert wurden 2,7 Millionen Aktenseiten in 182.053 Dokumenten.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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10 Kommentare

  1. Es ist nicht leicht, als Regierungspartei auch Oppositionspartei zu sein.
    Die Grünen haben das bisher gut hinbekommen. Das Abschlussresümee von Tomaselli zeigt das.

    Es sind außerdem die Grünen, die dank ihrer Arbeit im Justizministerium die meisten der Erkenntnisse via WKStA möglich gemacht haben.

    Frage an hagerhard – siehe unten:
    Stimmt es denn nicht, dass seit der türkis-grünen Koalition korrupte Deals nicht mehr vorkommen? Was noch vorkommt, sind problematische Defensiv-Manöver (Angriff auf Justiz, Verschleppung von Ablieferungsterminen, u.a.) der türkisen Korruptis, aber offensiv scheinen sie vorerst nichts mehr zu riskieren.
    Das könnte sich ändern – sobald ÖVP + FPÖ wieder koalieren und dann in der Justiz sicher stellen, dass Ermittlungen gegen sie unmöglich werden. Siehe Ungarn, Polen.

    Die Regierungsteilnahme der Grünen zeigt sich immerhin als Teil-Erfolg.
    Es gibt allerdings auch Niederlagen – etwa in Sachen Flüchtlinge/Migranten und ORF.

    • Ich las diesen Bericht jetzt und stellte fest, dass sich die Türkisen nur einen neuen Partner ausgesucht, haben. Aber einen, der bequemer ist und keine Alleingänge macht, die der korrupten türkisen Partie nicht passen.

      Aber sonst ist alles mein Alten, auch beim Postenschacher haben die Grünen, seit sie in der Regierung sitzen, kräfitg mitgemischt……

      • Wie schätzen Sie die Rolle der Justizministerin ein – in Sachen WKStA und Ermittlungen gegen türkise Korruption?
        Ist schon ein rasanter Alleingang, finden Sie nicht?
        Oder glauben Sie, die Türkisen finden diese juristische Überprüfung angenehm?

        Postenschacher?
        Nennen Sie mir mal ein Beispiel!
        Und überlegen Sie sich, wie sich in Demokratien die Wahl bestimmter Positionen in staatlichen Einrichtungen üblicherweise abspielt!

    • Glauben Sie, was sie da schreiben, oder ist’s eine Werbeschaltung zum Wahlkampf der Grünen in OÖ? Hab’ da den tollen Spruch “damit deine Stimme nicht blau macht” gelesen, und mich prompt gefragt, ob türkies nicht auch zu Blau gehört?

      • Immerhin erinnert es Sie, dass es ziemlich viele plausible Stimmen pro Grün gibt, samhain.

        Wofür stehen Sie denn?
        Ihre Äußerungen im Forum waren bisher immer nur destruktiv.

        Die Partei der Rein-Destruktiven gibt es aber nicht in Österreich. Die Österreicher möchten gern was Konstruktives wählen. Haben Sie da was im Angebot?

  2. Um Wirecard ist es verdächtig ruhig geworden, obwohl es dabei um enorm viel verlorenes Geld geht – das gehört natürlich unbedingt aufgeklärt. Dass es in unserem Lande derart viele Gaunereien gibt, jedwede Konsequenzen jedoch meist ausbleiben, lässt mich an der herrschenden Politik zweifeln.

  3. Köstlich. Und was machen die grünen Faschisten jetzt? Richtig, weiter packeln mit der feinen Gesellschaft.

  4. so bastelt sich jede fraktion ihr eigens paralleluniversum
    die grünen halt so:
    türkis-blau war korrupt – aber zum glück sind jetzt wir in der regierung und alles ist besser

    die blauen so:
    wir haben gar nix gemacht – das waren nur kurz und konsorten

    die pinken – lt. meinl-reisinger:
    ja eh grauslich – aber jetzt muss schluss sein.

    die roten:
    der kurz hat gemacht, was der strache angekündigt hat. wir hätten das nie gemacht.

    und die schwarz/türkisen:
    es is alles ned wahr.
    es is alles in bester ordnung.
    red ma über was anderes.

    und wir alle so:
    habens in ein paar tag wieder vergessen und es wird eine neue sau durchs dorf getrieben.

    Die Österreicher haben keine Wahl was der Österreicher auch wählt es ist niederträchtig
    thomas bernhard

    • Das ist eine schöne Zusammenfassung der unschönen Verhältnisse. Danke.

    • Diese Erschaffung der subjektiven Realitäten könnte auch daran liegen, dass Alle im selben korrupten und versifften Boot sitzen und wie gesagt die Novomatic zahlt ja Alle. Leider sitzen in den Parlamentsparteien nur die besten Treter, und die hinterfotzigsten Haxelleger ganz oben das liegt schon am System. Nicht der mit der besten Idee ist ganz oben sondern der mit der stärksten Powerbase und meist wird diese Powerbase eben erkauft bestochen geblackmailt und erpresst. Darum gibt es keine Wahl bei der Wahl solange es um Parteien geht. Diese Art der Demokratie ist kaputt es ist eine Parteiendiktatur und ein Ausverkauf des Volkes. Es muss endlich einmal zu einer echten Reform kommen die es diesem Abschaum in den Parlamenten unmöglich macht zu Punkten.

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