Samstag, Juli 27, 2024

Polizeifall „Pilnacek“: Sobotka im Cavalluccio

In Christian Pilnaceks Stammlokal „Cavalluccio“ gibt es einen Keller. Dorthin soll sich der Sektionschef mit Prominenten aus Politik und Justiz zurückgezogen haben. Ein Pilnacek-Freund und Augenzeuge nennt Wolfgang Sobotka. Teil 2 der ZackZack-Serie zum „Polizeifall Pilnacek“.

Der erste Teil der ZackZack-Serie hat politische Folgen. Jan Krainer bereitet für die SPÖ parlamentarische Anfragen vor. „Berechtigte Fragen mit einer Mauer des Schweigens zu beantworten ist keine gute Idee“. Krainer kündigt an: „Wir wollen volle Aufklärung und werden diese mit parlamentarischen Anfragen einfordern“.

Quelle: APA-OTS

Auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bereitet eine „Anfragenserie“ im Nationalrat vor. Er sieht gegenüber ZackZack großen Aufklärungsbedarf: „Das wäre starker Stoff für einen Untersuchungsausschuss“. Damit ist der „Polizeifall Pilnacek“ endgültig im Parlament gelandet.

In Innenministerium und Nationalratspräsidium steigt inzwischen die Nervosität. Neue Fragen tauchen auf: Wo sind Laptop und USB-Stick? Was tun mit Akten, die zu Belastungsmaterial geworden sind? Wer hat schon geplaudert und auf wen kann man sich nicht mehr hundertprozentig verlassen?

Viele fürchten vor allem eines: dass Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs eingeleitet werden – und dazu eine Rufdatenrückerfassung für das Pilnacek-Handy angeordnet wird.

Im Cavalluccio

Vor einem knappen Jahr konnte das noch niemand ahnen. Am 28. Juli 2023 sitzt Christian Pilnacek im „Cavalluccio“. Pilnacek legt Wert auf Stil und gute Gesellschaft. Der großgewachsene Sektionschef im Justizministerium hat eine schwere Zeit hinter sich. Im „Cavalluccio“ gleich beim Graben in der Wiener Innenstadt trifft er seine „Partie“ – Freundeskreise von ÖVP und FPÖ, die dort meist unter sich sind.

Oben im Restaurant mit den großen Fensterfronten zur Göttweihergasse wird gegessen und bis spät in die Nacht getrunken. Unten im Keller finden vertrauliche Besprechungen statt. Pilnacek geht immer wieder in den Keller. Der Rat des Spitzenjuristen ist gefragt.

Wann immer der deutsch-kanadische Industrielle Wolfgang Rauball im Cavalluccio ist, sitzt Pilnacek an seinem Tisch. Pilnacek konsumiert Wein und Grappa, sein deutscher Freund übernimmt die Rechnung. Andere wie „Kurier“- und „profil“-Chef Richard Grasl setzen sich immer wieder dazu. Dann kann die Rechnung von 300 auch auf tausend Euro steigen.

Sobotka

Wolfgang Rauball hat im Cavalluccio beobachtet, wie Pilnacek mehrmals mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in den Keller gegangen ist. „Das waren ab 2020 etliche Male, dass die beiden während des Ibiza-Untersuchungsausschusses miteinander hinuntergegangen sind. Sobotkas engste Mitarbeiterin Anna G. war dabei. Später, im Jahr 2021, war auch Hanger mehrere Stunden mit ihnen im Keller.“ Im Ibiza-Untersuchungsausschuss führte Sobotka als Nationalratspräsident den Vorsitz und Andreas Hanger die ÖVP-Fraktion.

Rauball weiß von langen Besprechungen: „Es war draußen noch hell, wie sie hinuntergegangen sind, und dunkel beim Heraufkommen. Also immer ein paar Stunden. Da habe ich Pilnacek gefragt, wie das ist mit der Gewaltentrennung? Er hat geantwortet: Wo liegt das Problem?“

Für Rauball scheint klar, was im Keller geschehen ist: „Pilnacek hat dort Leute juristisch beraten“. Sobotka war nicht der Einzige, der mit Pilnacek in den Keller ging. Aber er war der Wichtigste.

Rauball erinnert sich mit OGH-Vizepräsidentin Eva Marek an eine zweite Person: „Sie war meistens mit ihrem Mann da. Anfang 2022 ist sie einige Male mit Pilnacek und mit Sobotkas rechter Hand Anna G. in die exklusive Cavalluccio-Weinbar Eingang „Spiegelgasse“ gegangen. Im Restaurant haben sie sich oft getroffen. Das war auffällig.“ Am 19. Jänner 2022 startete „ZackZack“ mit einer Geschichte über Eva Marek und Parteibuchwirtschaft in der Justiz die Serie der „BMI-Chats“. OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek reagierte sofort und kündigte „Maßnahmen“ an. Marek wurden in der Folge am OGH die Leitungsfunktionen entzogen.

Kurz

Der Dritte, der Pilnaceks Rat sucht und findet, ist Sebastian Kurz. Später, kurz nach Pilnaceks Tod, wird zugegeben, dass er sich mit dem suspendierten Sektionschef beraten hat.

Kurz weiß aus seinem engsten Umfeld, dass Pilnacek hilft. Am 26. Februar 2021 wurde mit Gernot Blümel der engste Kurz-Vertraute durch die WKStA einvernommen. Zwei Tage davor meldete sich Pilnacek mit einer Signal- Nachricht bei Blümels Kabinettschef, Clemens-Wolfgang Niedrist: „Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“

„Wer vorbereitet Sebastian auf seine Vernehmung?“ Ist das die Frage, die Kurz und Pilnacek kurz vor dem Tod des Sektionschefs am Telefon erörtern? Oder war die Frage längst geklärt und Pilnacek besprach mit Kurz etwas anderes?

„Ich habe Pilnacek selten so wütend gesehen“, erinnert sich Wolfgang Rauball, wenn die Rede auf den dritten Beratenen kommt. „Ungefähr zwei bis drei Wochen vor seinem Tod hat mir Pilnacek im Cavalluccio berichtet, dass er gerade von Kurz kommt. Pilnacek hat Kurz geraten, beim kommenden Prozess so schnell wie möglich Aussagenotstand geltend zu machen. Aber Kurz sei völlig beratungsresistent. Pilnacek war sich sicher, dass Kurz so geradewegs in seinen Untergang gehen würde“.

Der Streit um die richtige Strategie im bevorstehenden Prozess kann sich zwischen dem suspendierten Sektionschef und dem angeklagten Ex-Kanzler bis in den letzten Abend vor Pilnaceks Tod gezogen haben.

Die Aufnahme

Am 28. Juli 2023 sitzt ein Dritter mit Pilnacek und Rauball am Tisch. Chris Mattura hat als Geschäftsmann und BZÖ-Politiker einiges erlebt. Pilnaceks Geschichten sind auch ihm nichts Neues. Der suspendierte Sektionschef fühlt sich ungerecht behandelt und hadert im „Cava“ regelmäßig mit seinem Schicksal. Er weiß viel und versteht nicht, warum es nur ihn und nicht all die anderen erwischt hat.

Mattura erinnert sich später: „Ich habe das gar nicht vorgehabt. Aber wie Pilnacek wieder angefangen hat, habe ich einfach auf den Knopf gedrückt. Ich hab mir gedacht, ich nehm das einmal auf. Das war ganz spontan.“ Die 26 Minuten, die Mattura ab 20.16 Uhr unbemerkt aufnimmt, werden Monate später Schlagzeilen machen.

Am schwersten belastet Pilnacek an diesem Abend einen Mann, der später noch eine wichtige Rolle spielen wird: Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka.

Im Laufe des Abends kommt auch „Kurier“- und „profil“-Chef Richard Grasl an den Tisch. Auch er weiß nicht, dass er aufgenommen wird. Aber Grasl sitzt erst am Tisch, als die heikelsten Aussagen von Pilnacek bereits auf Band sind.

Mattura ist klar, dass die Pilnacek-Aufnahme Belastendes enthält. Vorerst informiert er niemanden. Wolfgang Sobotka und einige andere wissen nicht, was auf sie zukommt. Und die ÖVP weiß nicht, dass sie einmal einen polizeilichen Putztrupp aus St. Pölten brauchen wird.

Schweigen

Die “Mauer des Schweigens”, von der SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer spricht, scheint auch vor dem Büro des Nationalratspräsidenten zu stehen. Von den sechs Fragen, die ZackZack gestern an Sobotka schickte, wurde bis Redaktionsschluss keine einzige beantwortet. Auch OGH-Vizepräsidentin Eva Marek und ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger antworteten nicht.

Auch lesen:

ZackZack-Serie “Polizeifall Pilnacek” Teil1: “Wir wollen Handy, Schlüssel und Computer!”

“Polizeifall Pilnacek” Teil 3: Staatsanwaltschafts-Mail bestätigt: LKA-Aktion „Pilnacek“ war illegal 


Links:

ZackZack hat die Pilnacek-Tonaufnahme als erstes Medium veröffentlicht.)

Mareks verhängnisvolle BMI-Chats

Reaktion der Justiz im Fall „Marek“

Titelbild: https://cavalluccio.at/impressionen/, GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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