Zwei Köpfe des „Führungszirkels“ des „Geflechts“, das die Kreutner-Kommission für die „Zwei Klassen-Justiz“ in Österreich verantwortlich macht, können nach wie vor ihr Unwesen treiben. Greift die Justizministerin jetzt in der Oberstaatsanwaltschaft Wien durch?
An der Spitze der Staatsanwaltschaften ist der österreichische Rechtsstaat ein Unrechtsstaat. Martin Kreutner versuchte mit dem Bild von der Schafherde, in der nur einige Schafe schwarz seien, die Ehre der Anklagebehörde zu retten. Die Schlüsselpassagen des Pilnacek-Kommissionsberichts belegen, dass es nicht um Einzelfälle, sondern um ein System geht. Sein Hauptprofiteur ist die ÖVP.
Bleibt man bei der Schafherde, dann bietet sich ein dunkles Bild: das einer Herde, in der Hirten, Schäferhunde und Leithammel schwarz sind und der Großteil der Herde in Schafart folgt.
Führungszirkel des Geflechts
Natürlich wissen das Kreutner und seine Mitautorinnen. Sie beschreiben:
- „ein Geflecht aus politischen und anderen Nahebeziehungen“
- einen „informellen Führungszirkel“ mit „fehlender Normentreue, „Negieren von Befangenheiten, fragwürdigen Rechtsanwendungen in eigener Sache“ und „nahezu bedingungsloser gegenseitiger Unterstützung“
- eine „auf erwünschte Ergebnisse zielende Dienst- und Fachaufsicht“
Der „Führungszirkel“ des „Geflechts“ bestand aus vier Personen:
- Christian Pilnacek saß als Doppelsektionschef und Generalsekretär des Justizministeriums in der Mitte des Netzes.
- Johann Fuchs war als Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien seine rechte Hand.
- Wolfgang Brandstetter brachte das System als Justizminister zur Hochblüte.
- Andreas Holzer sorgte als Direktor des Bundeskriminalamts für eine Kriminalpolizei, die wusste, was zu tun und was nicht zu tun war.
Die zweite Ebene des PFBH-Systems reichte in die Oberstaatsanwaltschaften in Linz und Innsbruck und in strategisch wichtige Staatsanwaltschaften in Eisenstadt, St. Pölten und ein Dutzend anderer Städte.
Fuchs und Holzer
Die Bilanz des „Geflechts“ ist beeindruckend: Verfahren politisch gesteuert und „daschlogn“, ÖVP-Politiker wie Sebastian Kurz und VP-Günstlinge wie René Benko geschützt, Akten und Informationen an „nahestehende Journalistinnen „gespielt“ und die Zerstörung der WKStA geplant und versucht.
Vieles im Unsittenbild, das die Kreutner-Kommission gezeichnet hat, ist strafbar. Christian Pilnacek ist tot, und Wolfgang Brandstetter versucht sich mit ärztlichen Befunden vor der ersten drohenden Anklage wegen falscher Zeugenaussage in Sicherheit zu bringen. Aber was ist mit Fuchs und Holzer? Können sie ungehindert weitermachen?
Nagelprobe für Zadic
Holzer steht unter dem Schutz von ÖVP-Innenminister Gerhard Karner. Doch was ist mit OStA-Chef Fuchs? Die Last der Beweise gegen ihn scheint erdrückend. Die Kreutner-Kommission hat beschrieben, wie Verfahren gegen Systemköpfe wie Fuchs „daschlogn“ wurden. Alma Zadic wird in ihren letzten Monaten als Justizministerin keine der großen Reformen, die Kreutner fordert, umsetzen können. Aber eines kann sie: Fuchs das Handwerk legen.
Für Zadic wird das die letzte Nagelprobe. Wenn sie den verheerenden Befund des Berichts ernst nimmt, muss sie Fuchs suspendieren und die nötigen Verfahren gegen ihn einleiten. Bleibt er ihr „Lieber Hans“, wie es in Chats zwischen der Ministerin und dem OStA-Chef heißt, dann wird es auch dafür einen Grund geben.
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