Wer hat versucht, die Veröffentlichung der Affäre „Pilnacek-Aufnahme“ zu verhindern? Wer hat die ÖVP gewarnt? Eine Spur führt in die Kronen Zeitung.
Am 12. November 2023 landete eine Alarmmeldung auf Handys im Umfeld der ÖVP: „Servus, sorry für die Störung, aber es könnte für die ÖVP, insbesondere Sobotka, von größter Wichtigkeit sein: habe gerade mitbekommen, dass die Krone und der ORF Bänder vom Pilnacek besitzen, in welchen er mit der ÖVP abrechnet.“
Nur wenige wussten zu diesem Zeitpunkt, welche „Bänder“ gemeint waren. Am 28. Juli 2023 war der Geschäftsmann und ehemalige BZÖ-Politiker Chris Mattura mit Christian Pilnacek und dessen Freund Wolfgang Rauball an einem Tisch im „Cavalluccio“, einem Stammlokal des Sektionschefs in der Wiener Innenstadt, gesessen.
Mattura erinnerte sich später: „Ich habe das gar nicht vorgehabt. Aber wie Pilnacek wieder angefangen hat, habe ich einfach auf den Knopf gedrückt. Ich hab mir gedacht, ich nehm das einmal auf. Das war ganz spontan.“ Die 26 Minuten, die Mattura ab 20.16 Uhr unbemerkt aufnahm, sollten vier Monate später für Schlagzeilen sorgen.
Krone und ZiB
Am 20. Oktober 2023 war Christian Pilnacek unter dubiosen Umständen am Rande eines Altarms der Donau in der Wachau verstorben. Als Sebastian Kurz noch am selben Tag am Rande seines Prozesses wegen falscher Zeugenaussage Pilnaceks „Selbstmord“ beklagte und damit versuchte, aus dem Tod des Sektionschefs politisches Kapital zu schlagen, überschritt er für Mattura und Rauball eine Grenze. Sie beschlossen, die Tonaufnahme zu veröffentlichen.
Tage später landete eine erste Kopie der Aufnahme in der Redaktion der Kronen Zeitung. In der ZiB 2-Redaktion erfuhren Ulla Kramar-Schmid und Martin Thür von der Aufnahme. Der ORF war technisch in der Lage, die Echtheit der Aufnahme durch zwei Gutachten zu prüfen. So wurde geklärt, dass die Aufnahme nicht geschnitten worden war und die Stimme Christian Pilnacek gehörte.
ÖVP-Warnung
Das erfuhren die Empfänger der ÖVP-internen Nachricht am 12. November 2023: „Der ORF (M. Thür) prüft gerade forensisch die Tonbänder.“ In der ÖVP wusste man erst seit kurzem, dass die Veröffentlichung des Pilnacek-Tapes akut drohte. Der Warner wusste: „Dichand hat dem zuständigen Journalisten bereits „grünes Licht“ gegeben.“ In der ÖVP war damit klar, dass man nicht mehr viel Zeit hatte: „Es warten nun alle nur auf die Prüfung des ORF. Es handelt sich max noch um ein paar Tage.“
Die ÖVP wusste damit:
- Kronen Zeitung und ORF hatten die Pilnacek-Files;
- Der Inhalt war für die ÖVP und Wolfgang Sobotka „wichtig“;
- Krone-Herausgeber Christoph Dichand hatte „grünes Licht“ gegeben.
Grünes Licht
Aber warum brauchte die Krone-Redaktion für eine Geschichte, die Furore machen würde, „grünes Licht“ von ganz oben? Eine Antwort darauf findet sich im Bericht der Kreutner-Kommission, die auch über eine Kopie der Handy-Alarmmeldung verfügt.
Auf Seite 131 des Berichts heißt es: „Die Kommission kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass durch Ch. Pilnacek über viele Jahre auch gezielte Hintergrundgespräche mit ausgewählten Vertretern und Vertreterinnen unterschiedlicher Medien geführt, Zeitungsartikel zumindest einer Journalistin korrigiert bzw der Beitrag zumindest einer Journalistin für ein Druckwerk des Parlaments augenscheinlich redigiert, sowie zumindest einzelne, bekannte Journalistinnen und Journalisten mit dienstlichen Informationen gezielt „gefüttert” wurden.“
Die Journalistin, auf die das alles zutrifft, heißt Ida Metzger. Als leitende Innenpolitik-Redakteurin der Kronen Zeitung war sie im November 2023 vehement gegen die Veröffentlichung der Pilnacek-Files. Erst das Machtwort des Krone-Eigentümers entschied als „grünes Licht“ den Konflikt zugunsten der Redakteure, die sich für die Veröffentlichung eingesetzt hatten.
Warum versuchte Metzger, die Veröffentlichung des Pilnacek-Mitschnitts zu verhindern? Ida Metzger stand in einem Naheverhältnis zu Christian Pilnacek. Gleichzeitig ist sie mit einer der wichtigsten PR-Beraterinnen des Bundeskanzlers befreundet: mit dessen Ehefrau Katharina Nehammer.
Abwehrversuche gescheitert
Hätte Metzger die Pilnacek-Files unter der Krone-Decke halten können, wäre vieles für die ÖVP anders gekommen. Justizministerin Alma Zadic hätte möglicherweise keine Kreutner-Kommission eingesetzt; die WKStA hätte wohl keine Ermittlungen aufgenommen; und Wolfgang Sobotka wäre nicht noch weiter ins Zwielicht geraten.
Mit dem grünen Licht von Dichand waren Mitte November 2023 alle Abwehrversuche gescheitert. Am 21. November 2023 erschien die Pilnacek-File-Geschichte in der Kronen Zeitung. Wenige Stunden später zog die ZiB 2 nach. ZackZack brachte die Aufnahme als Tonspur. Ein weiterer ÖVP-Damm war gebrochen.
Heute fragen sich nicht nur in der Kronen Zeitung viele, warum die Pilnacek-Geschichte verhindert werden sollte und wer die gut gehütete Recherche an die ÖVP verraten hat. Ida Metzger antwortete auf sieben ZackZack-Fragen bis Redaktionsschluss nicht.
Inzwischen geht es nicht nur um den Verrat des Pilnacek-Files. Es geht auch um den Verrat des Informanten – und wieder um Ida Metzger und die Kronen Zeitung.
Mehr dazu demnächst auf ZackZack.
Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com (Pilnacek); ZackZack/Privat (Handy)