Donnerstag, September 19, 2024

Wer FPÖ wählt, bekommt ÖVP

Schon vor der Wahl steht ein Ergebnis fest: Wer FPÖ wählt, bekommt ÖVP – und wer ÖVP wählt, bekommt die FPÖ.

Es ist ein seltsames Bild. Herbert Kickl steht im übergroßen Anorak im Wald und dankt den Einsatzkräften. Der Klimaleugner versucht, sich an die Einsatzkräfte, die sich in Niederösterreich der Klimakatastrophe entgegenstemmen, anzubiedern. Klimaforscher Reinhard Steurer hat es auf den Punkt gebracht: Der Volkskanzler hat sich in einer Nacht zum Sturmflutführer gewandelt. Aber Kickl wird nicht deshalb gewählt.

Der Hauptgrund, warum Hunderttausende Menschen FPÖ wählen, hat drei Buchstaben: ÖVP. 38 Jahre hat die ÖVP jetzt durchgehend regiert. Als einzige Partei ist sie für alle Missstände in Österreich verantwortlich.

Alles für die Reichen

Hunderttausende Menschen wissen nicht, dass mit der FPÖ diesmal die ÖVP mitwählen. Der Grund dafür hat zwei Namen: Kurz und Nehammer. Unter Sebastian Kurz änderte die ÖVP ihre Strategie, unter Karl Nehammer ihr Programm.

Vor Kurz gab es für die ÖVP nur einen natürlichen Partner: die SPÖ, mit der sie in der Sozialpartnerschaft zusammengeschweißt war. Die sechs Jahre, die Wolfgang Schüssel mit Jörg Haider paktiert hatte, änderten nichts am Grundkurs. Schon 2006 war alles wieder beim Alten.

Kurz hatte von Schüssel nur die Bereitschaft, alles für die Macht zu tun, geerbt. Aber im Gegensatz zu Schüssels Koalition veränderte sein Bündnis mit der FPÖ vor allem die eigene Partei. Das neue Leibthema war erstmals „Ausländer“.

Nehammer ließ dazu das Programm erstellen. Sein „Österreich-Plan“ macht aus der ÖVP eine freiheitliche Staatspartei. Aber in der FPÖ ist auch etwas passiert: In Kickls Programm findet sich der wirtschaftliche Kern der ÖVP: alles für die Reichen, wenig für den Rest, nichts für die Umwelt.

In Gummistiefeln auf Stimmenfang

Heute und morgen wird sich entscheiden, wie die Menschen in Zwettl, Krems, Horn und Tulln das Jahrhunderthochwasser überstehen. Vierzig Jahre hat die ÖVP den Klimawandel geleugnet. Jetzt waten ihre Spitzen in Gummistiefeln zu den Opfern und bitten sie um ihre Stimme.

Andere warten auf OP-Termine oder nur darauf, das Kind zum Kinderarzt bringen zu können. Aber Spitäler sind niedergewirtschaftet und Hausärzte ausgehungert worden. Das Gesundheitssystem pfeift wie das Schulwesen aus den letzten Löchern. Die Lochränder sind türkis.

Aber die ÖVP ist doch eine „Wirtschaftspartei“? Wenige Regierungen haben bei der Bekämpfung der Inflation so versagt wie die bei uns in Österreich. Milliardengewinne der Energiekonzerne wurden geschützt, die Menschen, die sich plötzlich Strom und Gas nicht mehr leisten konnten, nicht.

FPÖ, Grüne und wieder FPÖ

Damit sie so weitermachen kann, braucht die ÖVP eine neue Partnerin. Die Grünen sind verbraucht, jetzt ist wieder die FPÖ dran. Von St. Pölten und Linz bis Salzburg und Wien sind die Weichen gestellt. Einige in der FPÖ können sich noch erinnern, wie schnell sie 2019 entsorgt wurden. Erstaunlicherweise haben sie nichts daraus gelernt.

Nach dem Wahlabend heißt das letzte, kleine Hindernis „Herbert Kickl“. Er gilt als unberechenbar, und daher wollen Nehammer, Sobotka und Mikl-Leitner ihn nicht. Die Pläne zur Kickl-Entsorgung sind in ÖVP und großen Teilen der FPÖ längst fertig. Kickl gewinnt die Wahl, erhält den Auftrag zur Regierungsbildung und stellt überrascht fest: Niemand will mit ihm reden.

Dann schlägt Nehammers gut vorbereitetete Stunde: Er hält FPÖ-Spitzen wie dem oberösterreichischen Parteichef Manfred Haimbuchner und seiner Salzburger Kollegin Marlene Swazek die Hand hin. Die Programme von FPÖ und ÖVP passen zusammen wie zwei Puzzlesteine. Kronen Zeitung, Heute und Österreich spenden Applaus, und das war es.

Dann geht es schnell: Umweltmaßnahmen abschaffen, WKStA zusperren, Verfahren gegen ÖVP- und FPÖ-Spitzen einstellen, Gesundheitssystem privatisieren, Gewinnsteuern senken und dann bedauernd feststellen, dass das Geld fehlt und alle mehr zahlen müssen.

Zum Schluss wird Karl Nehammer seinen letzten guten Rat geben: „Passt auf euch auf!“

In ein paar Jahre wissen Hunderttausende Wählerinnen, dass sie der FPÖ zu Unrecht vertraut haben. Das war 2002, 2006 und 2019 so. Aber eines wird ihnen noch mehr leidtun: dass sie mit ihrer Stimme für die FPÖ weder Kickl noch eine neue Politik bekommen haben, sondern wieder nur eines: eine Regierung der ÖVP.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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