Samstag, Juli 27, 2024

Staatsanwaltschafts-Mail bestätigt: LKA-Aktion „Pilnacek“ war illegal 

Mit einem Mail der Staatsanwaltschaft Krems brechen im Fall „Pilnacek“ alle Rechtfertigungen des Landeskriminalamts St. Pölten zusammen. Der Auftrag an die Kripo, Pilnaceks Handy, Wohnungsschlüssel und Brieftasche „sicherzustellen“, kam nicht von der Staatsanwaltschaft. Teil 3 der ZackZack-Serie zum „Polizeifall Pilnacek“.

Die Antwort vom Landeskriminalamt LKA St. Pölten kam diesmal besonders schnell: „Das Ermittlungsverfahren der Polizei Niederösterreich ist abgeschlossen und wurde der Staatsanwaltschaft Krems den Vorschriften entsprechend berichtet.“ Schon ein paar Stunden später war das mit der Antwort der Staatsanwaltschaft Krems widerlegt.

Um 15.52 Uhr teilte Franz Hütter als stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft Krems ZackZack mit: „Die Staatsanwaltschaft hat keine Sicherstellung von Gegenständen angeordnet. Seitens der Kriminalpolizei wurde auch nicht über eine Sicherstellung von Gegenstände berichtet.“

Christian Pilnacek war am 20. Oktober 2023 erst wenige Stunden tot, als das Landeskriminalamt St. Pölten hinter dem Rücken der Staatsanwaltschaft sein Handy, seine Autoschlüssel und Wohnungsschlüssel und seine Brieftasche  „sicherstellte“. Der Kripo-Trupp hatte keinen Auftrag der Staatsanwaltschaft und berichtete im Nachhinein auch nicht an sie.

Der Paragraf 110 der Strafprozessordnung ist eindeutig: “Sicherstellung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.“ Das Landeskriminalamt hatte diese Anordnung nicht. Damit war die Kripo-Aktion illegal.

„… und wurde der Staatsanwaltschaft Krems den Vorschriften entsprechend berichtet.“ Die Antwort des LKA ist nur unter einer Voraussetzung richtig: wenn die „Sicherstellung“ von Handy, Schlüsseln und Brieftasche nicht Teil des Ermittlungsverfahrens der StA Krems zum Tod des Sektionschefs waren. Dann hat es nicht nur eine illegale Sicherstellung, sondern eine ganze illegale Ermittlung gegeben. Weitere Indizien deuten genau darauf hin.

Die Jagd nach dem Handy

Am 20. Oktober 2023 haben die Beamten des LKA Niederösterreich eine illegale Sicherstellung durchgeführt. Aber warum war das Handy so wichtig?

Von Sebastian Kurz bis Karoline Edtstadler können heute viele in der ÖVP die Frage nach der Gefährlichkeit von Handys kompetent beantworten. Noch vor dem Fund des Toten am Ufer des Altarms wurde Bundespolizeidirektor Michael Takacs als erster über das Verschwinden von Pilnacek informiert. Kurz darauf wurde der leblose Sektionschef gefunden. Die Jagd nach dem Handy begann.

Wer es „sicherstellte“, konnte es in Sicherheit bringen. Das hat das LKA Niederösterreich getan.

Wer hat den Auftrag gegeben? Wer hat veranlasst, dass statt Spuren in einem Todesfall Datenträger, die für die ÖVP gefährlich scheinen, gesucht werden? Wer hat aus Ermittlern des LKA einen Daten-Putztrupp der ÖVP gemacht?

Der „Ehefrau überbracht“

Das Landeskriminalamt Niederösterreich versucht, sein Verhalten kurz nach Auffinden des verstorbenen Sektionschefs am Altarm der Donau zu rechtfertigen. „Aus dem Landeskriminalamt heißt es zum KURIER, dass die Gegenstände Pilnaceks Ehefrau überbracht worden sind – ohne Auswertung der Daten.“ So stand es am 22. März 2024 um 18.00 Uhr auf „kurier.at“.

Bei einer Sicherstellung im Auftrag der Staatsanwaltschaft hätten die mitgenommenen Gegenstände aus dem Besitz des Sektionschefs ausschließlich der Staatsanwaltschaft übergeben werden dürfen. Das ist nicht passiert.

Handy und Rufdaten

Pilnaceks offizielle Ehefrau Caroline List ist Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen in Graz. Sie kennt die gesetzlichen Bestimmungen und weiß, dass ordnungsgemäß sichergestellte Gegenstände der Staatsanwaltschaft und nicht Verwandten des Verstorbenen zu übergeben sind. Laut „Kurier“ hat sie das Handy an sich genommen. Über die Vorgeschichte der illegalen „Sicherstellung“ scheint sie nichts gewusst zu haben.

List gilt als verlässliche Richterin. Für ihre Bestellung haben sich von Christian Pilnacek bis zum ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer gewichtige Persönlichkeiten eingesetzt. Als Richterin muss sie wissen, dass dieses Handy vor allem eines ist: ein Beweismittel.

Auf ihm finden sich die Nachrichten, die Pilnacek in den letzten Stunden versandt und die, die er als Antworten erhalten hat. Von Graz bis Wien wissen Staatsanwälte und Richterinnen, dass mit einer Auswertung des Handys nicht nur Kontakte und Ortsdaten, sondern auch die Inhalte von Messengerdiensten wie WhatsApp ausgeforscht werden können. Christian Pilnacek , so berichtet man in seinem Umfeld, versandte seine Nachrichten fast ausschließlich über WhatsApp. Damit bestünden beste Chancen, auch die Hintermänner der Aktion auszuforschen.

Mit der Grazer Gerichtspräsidentin und ihrem Pilnacek-Handy werden kommende Ermittlungen sachkundige Unterstützung erhalten.

Auch lesen:

ZackZack-Serie “Polizeifall Pilnacek” Teil1: “Wir wollen Handy, Schlüssel und Computer!”

“Polizeifall Pilnacek” Teil 2: Sobotka im Cavalluccio


Titelbild: HERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com, Screenshot StA Krems, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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