Eva Marek gilt vielen als größter Schandfleck der österreichischen Justiz. Nach dem Tod von Christian Pilnacek und dem Abtauchen von Wolfgang Brandstetter macht ihr diesen Platz wahrscheinlich nur Johann Fuchs als Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien streitig.
Der Bericht der Kreutner-Kommission vermeidet Namen, doch einer schwingt ständig mit: Eva Marek, Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs. Vom Postenschacher für die ÖVP bis zum „Daschlogn“ brisanter Verfahren kann Marek auf bewegte Zeiten zurückblicken.
2009 wurde die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA gegründet, 2011 wuchs ihre Zuständigkeit entscheidend an: Zu den Korruptionsfällen kamen die „Wirtschaftssachen“ als neues Ermittlungsgebiet. Damit konnten die reichen Täter, die bisher als unberührbar galten, ins Visier genommen werden.
Die ÖVP ließ in die WKStA einen „Konstruktionsfehler“ einbauen. Obwohl die WKStA für ganz Österreich zuständig war, wurde sie nur von einer Behörde kontrolliert: von der Oberstaatsanwaltschaft – OStA – Wien. Martin Kreutner bezeichnete diese OStA als den WKStA-„Flaschenhals“, über den man jederzeit alles abdrehen konnte. Alle „clamorösen“, also bedeutenden Fälle mussten durch den Flaschenhals und konnten dort jederzeit abgedreht werden.
Am 1. Oktober 2014 übernahm Eva Marek die Leitung in der OStA Wien. Aber es war nicht selbstverständlich, dass Marek von ihrem sicheren Posten am Obersten Gerichtshof in die OSAtA „abstieg“.
Station 1: Brandstetter und die OStA
Als die OStA Wien Mitte 2014 eine neue Leitung bekommen sollte, hatten sich mit Staatsanwaltschaft Wien-Chefin Marie Luise Nittel und WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda bereits zwei hochqualifizierte Frauen beworben. Beide hatten nur einen Nachteil: Die ÖVP konnte sich nicht auf sie verlassen.
Da sprang Eva Marek ein. Die „Presse“ berichtete: „Marek, die sich erst in letzter Minute beworben hatte, galt ursprünglich nicht als Favoritin. Auch die Personalkommission hatte nicht sie, sondern die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse Maria Vrabl-Sanda, an erste Stelle gereiht – und Marek dahinter.“
Wolfgang Brandstetter setzte sich als Justizminister über die Reihung hinweg und entschied für Marek. „Für den Minister sei es eine Freude gewesen, aus einem so guten Bewerberinnen-Pool auswählen zu können“, erklärte Brandstetters Sprecherin. Erst mit den BMI-Chats von ZackZack wurde klar, dass die Freude des Ministers wohl einem anderen Umstand galt: der erfolgreichen Verhinderung politisch unerwünschter Kandidatinnen.
„schlechter verdienende Lachnummer“
Nachdem sie gute Dienste geleistet hatte, wollte Marek 2016 einen besseren Job. Am 18. Juni 2016 erinnerte BMI-Kabinettschef Kloibmüller seinen Minister Wolfgang Sobotka, was es mit Justizminister Brandstetter zu besprechen gab: „Für brandstetter: 1) Eva marek 2) Aktionsplan sicheres ö“. Wolfgang Sobotka führte das Gespräch und Eva Marek glaubte, dass Vereinbarungen, die sie zwei Jahre davor getroffen hatte, halten würden.
Im Oktober war plötzlich alles anders. Marek erfuhr, dass Brandstetters Personalkommission sie für die Generalprokuratur schlecht gereiht hatte. Wenige Tage später war es fix: Marek war durchgefallen und beschwerte sich bei Justizminister Brandstetter:
„Lieber Wolfgang! Danke Dir für die peinliche Vorführung in der Perskomm. DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer auswegslosen Situation helfen dürfte. SPRICH Nittel und Vrabl verhindert werden mussten. Deine Leute sind alle versorgt. Neben der unfassbaren Demütigung und dem Verlust meiner höchstgerichtlichen Laufbahn habe ich schwere Gehaltseinbußen hinzunehmen. Du hast mich am Tulbingerkogel noch zur Bewerbung aufgefordert. Hast nicht einmal den Weg zum Telefon gefunden, mich vor der Schmach zu bewahren. Herzlichen Dank Eva“
“für mich auch überraschend”
Brandstetter versuchte, sich auf die Personalkommission auszureden:
„Liebe Eva !
Ich habe noch nichts Schriftliches von der PersKom, vor allem keine Begründung. Man hat mir natürlich das Ergebnis gesagt. Für mich auch überraschend.
Ich denke, wir sollten reden. Aber nicht an Telefon.
LG WB“
Kurz nachdem er sie entsorgt hatte, scheint Brandstetter Eva Marek noch ein Angebot gemacht zu haben. Mareks Ehemann Günter ärgerte sich am 21. Oktober 2016 in einem SMS an Sobotkas Kabinettschef Michael Kloibmüller: „Brandstetter hat Eva den 1.Generalanwalt angeboten, wo die Bewerbung im September abgelaufen ist, sehr lustig.“
Zwei Jahre später durfte Marek zurück in den OGH. Mit Johann Fuchs von der StA Eisenstadt wurde einer der engsten Pilnacek-Vertrauten Herr des WKStA-Flaschenhalses. Am 19. Jänner 2022 erschien der ZackZack-Bericht über die Marek-Brandstetter-Schiebung an der Spitze der OStA Wien. Kurz darauf wurde Marek als Vizepräsidentin im OGH suspendiert. Obwohl sie von zentralen Entscheidungen weitgehend ausgeschlossen ist, belastet Eva Marek bis heute das Ansehen des Obersten Gerichtshofs.
Station 2: Benkos „Chalet N“
Im Oktober 2016 war Eva Marek verständlicherweise empört, dass sie als Generalprokuratorin durchgefallen war. In der OStA Wien hatte sie wertvolle Dienste geleistet. Davon profitierte auch der spätere Kurz-Spezi René Benko.
Nina Tomaselli fasste im Grünen Bericht zum ÖVP-Untersuchungsausschuss zusammen: „Im Justizministerium gab es unter dem von der ÖVP nominierten Minister Wolfgang Brandstetter „Auffälligkeiten“ – (wo) ein Strafverfahren gegen René Benko trotz fertiger Anklageschrift der WKStA auf Grund einer Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien unter höchst ungewöhnlichen Umständen eingestellt oder, um es wie Christian Pilnacek zu sagen, „daschlogn“ wurde.“ Die Leiterin der OStA Wien war Eva Marek.
2011 wollte Benko mit seinem „Chalet N“ am Arlberg hoch hinaus. Laut Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde Lech sollten 250.000 Euro für eine „zeitlich vernünftige Abwicklung des Genehmigungsverfahrens“ sorgen.
Die WKStA ermittelte daher ab 2015 wegen des Verdachts der Bestechung und der Bestechlichkeit gegen Benko und den damaligen Bürgermeister von Lech. Nach nur zehn Monaten Ermittlungen war für die WKStA alles klar und die Anklage gegen Benko fertig.
Der Akt „Benko – Chalet N“ war einer der Vorhabensberichte der „Zwei Klassen-Justiz“, wie sie Pilnacek-Kommissionvorsitzender Martin Kreutner nannte. Im November 2015 landete das Vorhaben, Benko anzuklagen, bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien.
“persönlich übergeben”
Eva Marek war damals Chefin der OStA. Bereits am 10. September 2015 hatte sich Benkos Anwalt, Ex-Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer, direkt an Marek gewandt. Auf dem Schriftsatz findet sich noch ein Post-it: „Von RA Dr. Böhmdorfer am 10. September 2015 mir persönlich übergeben. Marek“.
Eva Marek machte mit der Anklage kurzen Prozess. Das Verfahren wurde am 14. Oktober 2016 auf Weisung der OStA Wien eingestellt. Dafür hatte es aus dem Justizministerium grünes Licht von Christian Pilnacek gegeben.
Für derartige Verfahren ist eine Veröffentlichung der Einstellungserklärung vorgeschrieben. Aber für Marek galt auch diese Regel offensichtlich nicht. Die Erklärung erfolgte unter massivem öffentlichem Druck erst Monate nach dem Platzen der Ibiza-Affäre 2019.
Bis heute ist nicht geklärt, warum Eva Marek die fertige Anklage gegen Benko „daschlogn“ hat.
Lösung nur durch OGH
Im Bericht der Kreutner-Kommission wird es keine Klarnamen geben. Trotzdem wissen alle, wo im Bericht es um Eva Marek geht. Wie alle Gerichte ist der Oberste Gerichtshof von Politik und Verwaltung unabhängig. Anders als das Problem „OStA Wien-Chef Johann Fuchs“, für das die Justizministerin zuständig ist, kann das Problem „Marek“ damit nur vom Gericht selbst gelöst werden.
Titelbild: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com