Freitag, April 26, 2024

Regierungsstreit – Schallenberg gegen Mückstein

Regierungsstreit

Seit einer Woche kommunizieren Grüne und ÖVP in der Pandemie aneinander vorbei. Mittlerweile tragen die Regierungsmitglieder Wortgefechte über die Zeit im Bild aus. Ein Protokoll des Regierungsstreits.

Wien, 16. November 2021 | Mit den stark steigenden Corona-Zahlen in Österreich, insbesondere in Oberösterreich und Salzburg, startete vergangene Woche innerhalb der Bundesregierung die Diskussion um einen regionalen Lockdown für Ungeimpfte. Seither entstand eine veritable Regierungskrise. Das A und O der Krisenkommunikation: “Spreche nur mit einer Stimme” wurde in der vergangenen Woche komplett über Bord geworfen.

Mittwoch: Kein regionaler Lockdown für Ungeimpfte

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) traf am 10. November die beiden Landeshauptleute Wilfried Haslauer und Thomas Stelzer (beide ÖVP) per Videokonferenz. Die in die Höhe schnellenden Zahlen in Oberösterreich und Salzburg verlangten ein Handeln der Verantwortlichen. Ergebnis: Keine Einigung. Mückstein plädierte für einen regionalen Lockdown in den beiden Bundesländern, die Landeshauptleute lehnten ab. Die ÖVP-Ministerriege, unter anderem Elisabeth Köstinger und Heinz Faßmann, sprangen nach Gipfelende prompt den Landeshauptleuten zur Seite. Bundeskanzler Alexander Schallenberg hatte im Vorfeld verkündet, dass es einen Lockdown aus Solidarität mit den Ungeimpften nicht geben soll.

Donnerstag: Oberösterreich geht in Lockdown, Salzburg nicht

Einen Tag später entschied sich Oberösterreich doch anders. Man werde die Stufe 5 des Stufenplans vorziehen und einen Lockdown für Ungeimpfte ab Montag in Kraft setzen. Salzburg werde stattdessen auf Maskenpflicht und 2G statt Lockdown setzen.

Freitag: Schallenberg verkündet, Mückstein überrascht

Mückstein traf sich erneut mit den beiden Landeshauptleuten zu einer Videokonferenz. Mückstein wollte auch noch Haslauer von einem regionalen Lockdown für Ungeimpfte in Salzburg zu überzeugen. Doch noch während der Videokonferenz fiel Bundeskanzler Schallenberg dem Gesundheitsminister in die Parade. Schallenberg verkündete, dass es am Sonntag „grünes Licht“ für einen bundesweiten Ungeimpften-Lockdown geben soll. Kurz darauf verkündete Mückstein, dass eine Einigung mit Salzburg und Oberösterreich über einen Ungeimpften-Lockdown erzielt wurde. Auch eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich wurde angekündigt. Wann und wie allerdings nicht. In seiner Pressekonferenz, wirkte Mückstein vom bundesweiten Vorgehen Schallenbergs sichtlich überrascht und verwies stets auf einen Gipfel mit den Landeshauptleuten am Sonntag. Wien verabschiedete sich bereits am Freitag vom Hin und Her der Regierungsparteien und verkündete eigene Verschärfungen.

Sonntag: Mückstein verkündet in ZIB 2

Landeshauptleute und Bundesregierung konnten sich am Sonntag schlussendlich einigen: Ab Montag tritt der Lockdown für Ungeimpfte in Kraft. Doch dann trat Mückstein Sonntagabend in der ZIB2 auf. Er werde am Mittwoch ein Maßnahmenpaket präsentieren, dass auch Ausgangssperren für Geimpfte beinhaltet: “Es wird auch für geimpfte Menschen nächtliche Ausgangsbeschränkungen geben. Das ist Teil des Maßnahmenpakets, das am Tisch liegt”

Montag: ÖVP kollektiv gegen Mückstein

Am Montag gipfelte der Streit zwischen Türkis-Grün vorerst. Im Ö1-Morgenjournal begann der Tag eines kollektiven ÖVP-Ausreitens gegen den ZIB 2-Auftritt des Gesundheitsministers. Schallenberg erteilte Mückstein eine Absage zu generellen Ausgangsperren. Es folgten scharfe Angriffe der Sebastian Kurz-treuen Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck. Der Altkanzler hatte stets behauptet, dass für Geimpfte die Pandemie vorbei sei. Mücksteins Pläne würden das Pandemiemanagement Kurz´ noch schlechter aussehen lassen.

Tourismusministerin Köstinger griff den Gesundheitsminister offen an: Sie hält “überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers”. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) warnte vor Verwirrung der Bevölkerung. Schramböck richtete Mückstein aus, dass er sich überhaupt etwas anderem widmen solle: Statt “Lockdown-Drohkulisse für Geimpfte” solle er “endlich Tempo bei Medikamentenbeschaffung machen”. “Der Gesundheitsminister ist dringend gefordert, nicht weiter Chaos mitten in der Krise zu schaffen und die Menschen in Österreich durch abgesprochene Vorstöße zu verunsichern“, attackierte Schramböck scharf.

Nach den ÖVP-Angriffen gegen Mückstein schaltete sich nun auch der grüne Vizekanzler in die Diskussion ein. Über Twitter verteidigte er Mückstein: Als Gesundheitsminister ist genau das Wolfgang Mücksteins Aufgabe: Die Gesundheit der Menschen in Österreich und das Gesundheitssystem zu schützen. Auf das zu hören, was die Wissenschaft sagt und ja – auch unpopuläre Maßnahmen vorzubereiten und auf den Tisch zu legen. Dafür hat er meine volle Unterstützung.“

Schrödingers Gipfel

Definitiv nicht die volle Unterstützung hat der Gesundheitsminister von Bundeskanzler Schallenberg. Denn Schallenberg richtet nun, wie Mückstein Tags zuvor, seinem Gegenüber über den ORF etwas aus. Er erteilte im Interview in der ZIB Spezial am Montagabend erneut den Plänen Mücksteins eine Absage. Von einem mittwöchlichen Gipfel, bei dem Mückstein nächtliche Ausgangssperren auch für Geimpfte präsentieren wolle, wisse Schallenberg nichts. Und wenn er nichts davon wisse, „dann gibt’s den auch nicht“. Ob der Gesundheitsminister einen guten Job mache, ließ Schallenberg inhaltlich unbeantwortet. Die vom Gesundheitsminister angekündigte Verordnung einer Impfpflicht in Gesundheitsbereichen sieht er skeptisch. Er könne es sich für besondere Berufe im Gesundheitsbereich vorstellen, aber nicht für alle.

“Chaos pur”

Kurz nach Schallenbergs Interview folgte eine vernichtende Analyse der Regierungskommunikation von Polit-Experte Thomas Hofer: “Es sind beide Positionen erklärbar, aber es ist nicht nachvollziehbar. Das was bei der Bevölkerung ankommt, ist Chaos pur. In Wahrheit ist das eine Bankrotterklärung. Das Einzige, was die beiden noch zusammenhält, ist der Höhepunkt der Pandemie. Da kann man nicht eine Regierung aufkündigen, ohne bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden.” Sogar Grünen-Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner bezeichnete die derzeitige Performance der Regierung wörtlich als “desaströs”. “Das geht besser”, sagte er bei einem “Runden Tisch” im ORF.

Dienstag: “Nie von Gipfel gesprochen”

Am Dienstag ruderte Mückstein nun zurück. Er habe nie von einem Gipfel am Mittwoch gesprochen. Mit Experten werde er am Mittwoch die Lage trotzdem bewerten.

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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