Geheime Unterlagen des Außenministeriums belegen: Schon 2020 sabotierte Schallenbergs Außenministerium mögliche Putin-Sanktionen wegen des Gift-Anschlags gegen Nawalny.
Am 20. August 2020 wurde der russische Oppositionspolitiker Alexej Navalny Opfer eines Giftanschlags. Nawalny war während des Versuchs, Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in Russland aufzuklären, im ostsibirischen Tomsk bewusstlos zusammengebrochen. Am 22. August 2020 lag er im tiefen Koma, als er mit einer deutschen Sondermaschine aus Sibirien nach Berlin gebracht wurde. Anfang September stellte ein Labor der deutschen Bundeswehr einen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe als Giftstoff in seinem Körper fest.
Sofort wurden in USA und EU Rufe nach Sanktionen gegen Putins Russland laut. Als Außenminister ließ Alexander Schallenberg Maßnahmen vorbereiten.
Die Aufträge gingen an zwei Abteilungen. Abteilung III/8 heißt kurz und einfach „Unternehmensservice“, in Abteilung III/9 wird „Energiediplomatie“ betrieben.
Kurz-Service bei Sanktionen
Die Abteilung „Unternehmensservice“ verdanken Unternehmen wie die OMV Bundeskanzler Sebastian Kurz. Am 29. Mai 2017 meldete das Außenministerium stolz: „Auf Initiative von Bundesminister Sebastian Kurz baut das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres seit 2015 verstärkt die Serviceleistungen für die österreichische Wirtschaft aus.“ In der Auflistung der Kurz-Initiative stand die neue Abteilung „Unternehmensservice“ an erster Stelle.
Kurz hatte die Abteilung als Interventions-Instrument für Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung schaffen lassen. Unter der Führung der Diplomatin Ulrike Ritzinger wird noch heute kein Zweifel am Ziel gelassen: „Immer dann, wenn die Lösung eines Problems nur über diplomatische oder politische Intervention herbeigeführt werden kann, kommt das Außenministerium ins Spiel. Dabei geht es vorrangig um Aufträge im staatsnahen Bereich, um Rechtsvorhaben und Gesetze eines Gastlandes, die für österreichische Firmen nachteilig sein könnten, oder um sanktionsrelevante Fragen.“
Unternehmensservice für Putin
Interne Unterlagen des Außenministeriums zeigen, was Schallenberg unter „Energiediplomatie“ als „Unternehmensservice“ verstand.
Am 21. September 2020 bekam die Abteilung III/8 von Johannes Fellner aus dem Kabinett „Schallenberg“ den ersten Auftrag des „HBM“, des „Herrn Bundesministers“: „HBM wird am 30.09.2020 um 16.00 Uhr Generaldirektor Dr. Rainer Seele treffen. Zur Vorbereitung des Termins bitte ich dein Team und dich um Koordinierung einer Mappe zu folgenden Themenbereichen.“
Der entscheidende Bereich kam gleich am Anfang: „1. Nord Stream 2 / Sanktionen der USA sowie mögliche Sanktionen durch die EU“. Schallenbergs Kabinett war sofort klar, dass es um eine politische Entscheidung ging: Sollte der Giftanschlag zu wirtschaftlichen Sanktionen führen – oder sollte das Gasgeschäft mit Putins Gazprom ungestört weitergehen?
Seeles Haltung war bekannt. Mit Hilfe Putin-freundlicher Kräfte im Kreis der ÖVP-Unterstützer hatte er seinen Posten an der Spitze der OMV erhalten. Als Präsident der deutsch-russischen Handelskammer war er ein Vertrauen-Geschäftsmann des Putin-Regimes.
Am 24. September 2020 hielt Abteilung III/9 die geplante Positionierung des Außenministers fest: „Müssen trotz Nawalny kühlen Kopf bewahren. Enge Abstimmung mit DE und Partnern.“ Dann kam der entscheidende Satz: „Vermischung von Politik und Wirtschaft nicht klug“. Die Beamten fürchteten Putin mehr als die Putin-kritischen Kräfte in USA und EU: „Müssen aufpassen: RU könnte unsere Firmen sanktionieren“. Die Beamten waren zufrieden, dass Schallenberg diese Linie bereits umsetzte: „Nach Attentat Nawalny Interview HBM mit FAZ: Schwerwiegender Vorgang, EU-Sanktionsregime gegen Verbreitung chem. Waffen könnte greifen, aber Beweise und Kenntnis der Verantwortung nötig – man darf nicht alles in einen Topf werfen“.
Im Dezember 2021 ließ sich Schallenberg wegen Nord Stream 2 sogar auf einen Schlagabtausch mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock ein: Das Projekt sei „fertiggestellt, jetzt sollten wir es auch verwenden“.
Gemeinsam mit Bundeskanzler Karl Nehammer hält sich Alexander Schallenberg als Außenminister bis heute an diese Linie. Beide verlangen Beweise – und wissen, dass mit Beweisen, die die Täter unmittelbar überführen und eine Spur zu Putin verfolgen lassen, nicht zu rechnen ist.
Das österreichische Signal an Putin und seine Auftragsmörder ist klar: Egal, was ihr macht – das Geschäft mit euch läuft weiter.
Nehammer, Schallenberg und OMV haben so etwas geschafft, was in der EU einzigartig ist: Österreich hat seine Abhängigkeit von russischen Gasimporten während des Ukraine-Kriegs von 80 auf 98 Prozent gesteigert. Damit ist alles in Nehammers russischem Topf.
Für die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli, die als erste auf Schallenbergs geschäftiges Nawalny-Treiben hingewiesen hatte, ist klar: „Es ist Pflicht des Außenministeriums, das russische System als solches zu benennen, was es ist: verbrecherisch. Und Unterstützungszahlungen in Form unserer Gasrechnungen müssen ein Ende haben“.
Link: “Aktion Unternehmensservice – wie das Außenministerium für Novomatic in Skopje intervenierte“
Titelbild: Schallenberg: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com