Donnerstag, März 28, 2024

Agenten zwischen Fäkalhumor, Tod und Schleudertrauma

Agententhriller gehören nicht nur in Hollywood zum gängigen Repertoire, sondern es gibt auch in England eine lange Tradition im Film- und Fernsehgeschäft dafür. 007 ist nicht nur wegen seines exorbitanten Konsums geschüttelter Martinis zur Kultfigur geraten. Der gefühlt immer nach Perfektion strebende Apple TV+-Streamingdienst hat also die klassische englische Tradition bemüht und im Mutterland der Queen schreiben und produzieren lassen.

 

Wien, 07. Mai 2022 | Slow Horses heißt die aktuelle Serie auf Apple TV, und sie tut das, was sie tun soll, unterhalten und das spannend und zeitweise humorvoll. Der Titelsong „Strange Game“, ein typischer Stones Blues, anspruchsvoll und modern produziert, stammt aus der Feder von Mick Jagger und wurde extra für die Serie komponiert.

Die langsamen Pferde aus dem Sumpfloch

Der bekannt wandlungsfähige Charakterdarsteller Gary Oldman spielt Jackson Lamb, den griesgrämigen und unmanierlichen Chef einer schwer abgehalfterten und total nerdigen Agententruppe. Die sitzt im Slough House – dem Sumpfloch – einer völlig heruntergekommenen Außenstelle des britischen Geheimdienstes MI5. Es ist eine Endstation für Versager ohne Rückkehrmöglichkeit. So weit, so unaufregend.

Im Regent’s Park, dem MI5 Hauptquartier, wird, wie in jedem guten Agententhriller, große Politik gemacht. Die fiesen Machenschaften dazu sind zwar gründlich geplant, aber gehen, man kann es sich denken, völlig in die Hose. Und wie immer in so einem Fall üblich, versuchen die Verursacher, in diesem Fall die MI5-Vize Diana Taverner, gespielt von der kühl bis kalten Kristin Scott Thomas, alles ganz weit von sich wegzuschieben. Dorthin, wo Versagen naturgemäß erwartbar und wenig verwunderlich ist – ins Slough House.

Eigentlich geht immer alles völlig daneben – eigentlich?

Doch auch das geht zumindest bis Episode 6 völlig daneben. Die Slow Horses haben vielleicht keine Zukunft mehr, träumen aber immer noch den Traum vom Leben als erfolgreiche Agenten und leben das irgendwie auch. Doch auch der zerknautschte Chef Lamb lässt sich auch nicht so leicht abservieren. Gefühlt war Lamb vermutlich mal ein verdammt guter Agent.

Die Serie ist nicht nur in Apple TV-Manier technisch perfekt produziert, sondern auch Drehbuch und Inszenierung sind durchdacht und auf Spannung sowie (englischen) Humor getrimmt. Die Handlung biegt alle paar Minuten irgendwohin ab, wohin es der Großteil des Publikums am wenigsten erwartet. Das macht die Episoden sehr unterhaltsam, kurzweilig und natürlich spannend. Kritikpunkte sind meiner Meinung nach ein gewisser Hang zur Blutrünstigkeit, die (zu) vielen Schauplatzwechsel und der zu oft eingesetzte Fäkalhumor von Lamb.

Wer spannende Thriller, gewürzt mit englischem Humor und abrupte Wendungen in einem perfekt produzierten Agentenfilmkontext mag, der sollte Slow Horses auf seine Watchlist setzen.

(tn)

Titelbild: Apple TV+ Presseservice

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22 Kommentare

  1. Es gibt heute so gut wie keine dramaturgisch gut gemachten Erzähl-Filme mehr, sondern nur noch FAST-FOOD-PROPAGANDA-FILME. Es genügt, 3 Minuten in einen Film hineinzuschauen, um herauszufinden, ob er wert ist, gesehen zu werden oder den Mageninhalt nach oben zu befördern. Ihr wisst wahrscheinlich, was ich meine: Links-grüne Propaganda, als Erzählung verpackt …

    • Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die meisten Links-Grünen STROHDUMM sind: Es zahlt sich wahrscheinlich finanziell einfach nicht aus, dramaturgisch anspruchsvolle Filme für Leute zu machen, deren Aufmerksamkeitsspanne sich auf wenige Sekunden beschränkt …

  2. Diese Serie hat mich lange überlegen lassen, ob ich meinem Prinzip, keine derartigen Abos abzuschließen, nachgebe oder nicht. Weil ich britische Agententhriller sehr gerne mag, aber Serien nicht. “Blutrünstig” und “Fäkalhumor” hat mich letztendlich überzeugt. 😉

    • 👍 … aus o.a. Gründen ist mir auch nicht umsonst ein gewisser Henry Charles Bukowski immer noch verehrte Legende … 😉
      (schwer in Filme zu transformieren, deshalb ist mir auch kein solcher erinnerlich)
      Werde mir aber trotzdem – auch aus Prinzip – weiterhin ein Abo verkneifen … 😉
      (und warte, welche Antwort / Botschaft mir das Schicksal dazu schicken wird…)

      • Lieber DaSchauHer, Antiheld Henry Chinaski, der pessimistische, unangepasste und kompromisslose Akteur in Barfly-Kult.
        Ich persönlich bevorzuge Bukowskis-“Gedichte die einer schrieb, bevor er aus dem 8. Stockwerk in die Tiefe sprang”
        Bukowskis Gedichte sind rhapsodisch und seine Briefe oft lyrisch. Damit verstoßen sie gegen unausgesprochene Gesetze des institutionalisierten Literaturbetriebs, der es nicht gerne sieht, wenn seine Schablonen und Kategorien durcheinander geraten. Die gut gedrechselte Story eines Epigonen, oder das esoterische Gedicht eines Avantgardisten lieber auszeichnet, als die im eigentlichen Sinne schöpferischen Texte. Texte, die jenseits von formalem Experiment und kalkuliertem Skandal ein Wagnis eingehen, das die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Kunst, als Ausdruck gesteigerten Lebens noch viel grundsätzlicher in Frage stellt…
        Er hat den Literaturbetrieb erhellt!

        • 👌… muss Ihnen schon wieder – fast ohnmächtig schon – beipflichten … 😉
          Gerade auch der Gedichte wegen eben (bin ja lyrisch etwas anfällig, wie Sie vielleicht insgeheim schon mutmaßten …) 😉
          Mir gefällt sein ostentativer, von Ihnen glänzend beschriebene, “Grenzgang, jenseits lit. Erwartungshaltung als (s)ein literarisch übersteigertes Spiegelbild geheuchelter Konventionen”
          -> Sähr gefällig, Ihnen auch zu diesem Thema begegnen zu dürfen!
          (Anm: Ludwig Hirsch sel. verehrt zB wählte solchen Abgang – kompromisslos…)

          • Lieber DaSchauHer, danke für die Blumen. Schön, dass sich zwei Fans des dirty old man getroffen haben. Beachtlich ist auch die grimmige Entschlossenheit, mit der Bukowski seine Lebensthemen von Buch zu Buch weiterentwickelt und variiert hat. Hier schrieb sich einer um Kopf und Kragen, befragte ungeschönt und ohne Rücksicht auf Verluste seine Existenz. Ein seltener Glücksfall in einem Geschäft, in dem heute gefälliges Handwerk und spekulativer Kommerz das Feld weitgehend beherrschen…
            Es muss immer heller werden!

          • … korreliert mMn mit der Schwemme an sogen. Literatur-“Kritik”, die Grundschul-Bildungsdefizite vorgeblich kompetent eloquent zu verkommerzialisieren sucht …

            Der Langweiler

            Er war so langweilig wie leere Schachteln…
            Gähnen, wo zuvor noch Menschen lachten
            und peinlich rasch in totes Schweigen
            dreht sich emsig buntes, lautes Treiben
            wo er hintrat allerorten
            Gräser üppig grün verdorrten
            Gesichter strahlend ihm entschliefen
            Trauertränen trocken liefen
            – hörten Vögel auf zu fliegen.

            Lustlos Quellen jäh versiegen
            angeödet Pflanzen nur mehr hingen
            (noch im Safte stehend von uns gingen)
            – ja, auch Castro’s Reden „Kurzweil bringend“
            schlugen deutlich ihn um viele Längen! –
            Selbst Konserven neben ihm verdarben!
            Sogar aus Langeweile Menschen starben…

            … so erwuchs aus ihm
            ein Literatur-Kritiker
            uns hoch begabt beamtet
            (so wie sonst Politiker)
            war sein Charisma legendär
            dahingehend fade quälend
            – nicht ein Jemand, nur ein Irgendwer –
            schenkte wirklich niemand(!) ihm Gehör.
            Endlos öde unsre Welt beseelend
            tödlich uns im Langeweilen
            sind nun gar nicht kleinlich sein Salär
            und gewidmet ihm hier diese Zeilen.

          • Lieber DaSchauHer, diese Zeilen kommen einer Vernichtung gleich.
            Reziprok betrachtet meinte z.B. Max Frisch,
            „Man klagt, dass unsere Poeten nicht ernst genommen werden, vor allem die lyrischen“. Er fand das ganz in Ordnung, bei „Poeten, die Poesie machen, die hinter ihrem und unserem Bewusstsein zurückbleibt“. Das will sich heute kein Lyriker und keine Lyrikerin mehr nachsagen lassen. Ihre Anstrengungen, auf der Höhe der Zeit zu sein, sind meist unübersehbar. Dennoch kann man die Klage, dass Gedichte nicht ernst genommen werden, immer noch hören. Die Betroffenen darf man allerdings nicht fragen. Selbige nehmen sich und ihre Gedichte natürlich fast alle ernst und fühlen sich fast alle zu wenig ernst genommen. Das haben sie mit Erzählern und Dramatikern gemeinsam, außerdem mit Kritikern, Professoren und Friseuren…
            Es muss auch hier heller werden!

          • Lyrik wird nicht umsonst als brotlose Kunst bezeichnet (ausser posthum kann jemand damit Geld machen…) Und Max Frisch’s Urteil darüber mag sich jeder selbst bewerten. Mir stet’s hier sicher nicht zu …
            Das, was ich hier herzeige, ist aber weit weg jenseits jeden “lyrischen” Anspruches, sondern bestenfalls flapsig unterhaltend intendiert. Mein “Arbeitstitel” würde “Vagantenlyrik” heissen … (Freilich könnte ich ggf. auch “anders”, nur hätte das hier nicht seinen rechten Platz.) – und wer MICH “ernst nehmen” möchte, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen – wie ich meine 😉
            (tu’s ja nicht mal selbst, weil viiiel zu anstrengend – ist aber ein philosophisches Thema, bin a ein wenig dada’ist)

          • Lieber DaSchauHer, die Vernichtung bezog sich auf den in diesen Zeilen vorkommenden Kritiker. Ich persönlich empfinde diese Betrachtungen fast als pittoresk. Im Übrigen bin ich der Meinung, wer a priori eine Tätigkeit nach monetären Gesichtspunkten auswählt oder ausübt, befindet sich schon auf dem falschen Dampfer. Frisch ist mir bei dem Text in den Sinn gekommen.
            Haben Sie diese Zeilen verfasst? Wenn dem so wäre, müsste ich Ihnen großen Beifall akklamieren.
            Auch kann ich Sie versichern, dass ich alle mit mir in Dialog tretende, ernst nehme…
            Es muss immer heller werden!

          • Es war mein kongenialer Kumpel Anton Ym (wie immer – Sie das jetzt interpretieren möchten 😉 )
            Werd’ “Ihm” Ihr Kompliment gerne weitergeben, wenn er bei mir wieder mal vorbei schaut … (mein lachender Spiegel im Dadaismus)

          • locken Sie mich bitte nicht auf diese “Fährte”, darüber nachdenken zu müssen … 😉 Ich habe einen Lieblingssatz (c) Richard David Precht:
            “Wer bin ich – und wenn ja wie viele?”
            -> SO lebt sich’s wirklich ungeniert reflektiert … 😉

          • Lieber DaSchauHer, ist mir erinnerlich, dass Sie selbigen mit seiner Aussage, schon einmal formuliert haben. Mir ist der Honorarprofessor für Philosophie vor allem, wegen seiner Überzeugung für das bedingungslose Grundeinkommen sympathisch…
            Es muss immer heller werden!

          • Er hat auch gewiss seine Schwächen, neben augenfälligen Stärken – wie eh jeder Mensch. Und er reift, möchte reifen, nicht stehen bleiben… Ein universal Gebildeter, der sich mMn aufrichtig über den Welten-Lauf Gedanken macht – auch konstruktiv, nicht nur intellektuell, wie Sie nun eben erwähnten …

          • Lieber DaSchauHer, Precht ist ein intelligenter Kopf der es verstanden hat, gesellschaftliche Mankos zu erkennen und selbige zu formulieren. Ich muss gestehen noch nichts von ihm gelesen zu haben, werde das aber nachholen, um ihn näher beurteilen zu können. Sein Engagement ist mir allerdings nicht entgangen und er versteht es auch, (ist nicht despektierlich gemeint) sich und seine Anliegen, an den Pöbelianer zu bringen. Eine Fähigkeit, ohne die Hochbegabte, ihr Dasein unter der Wahrnehmungsgrenze fristen müssen…
            Es muss immer heller werden!

          • Tun Sie das, bitte!! Es nützt ja jede Form von kohärenter / koinzident motivierter Intelligenz nichts (nennen wir’s vielleicht Hermeneutik), wenn du es nicht in geeignet übersetzte Sprache unter die Leute (in Ihrem Duktus “Pöbelianer”) bringen kannst / magst, die solche gerichteten Denk-Impulse nicht annehmen und verarbeiten / mittragen können …. (sonst blieb’s ja bei bloßer akademischer Hirn-Onanie) -> hat ja eigentlich niemand G’scheiter nötig (ausser ideologisch gefütterte Funktionäre, die dafür bezahlt werden, so zu tun “als ob”…)

          • Lieber DaSchauHer, werde ich machen und Ihnen Feedback geben.

            „Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben.“ (Robert Musil) Der Mann ohne Eigenschaften, Kapitel 4, S.16

            Es muss immer heller werden!

          • Den erörterten wir bereits konsensual, wie mir gut erinnerlich …
            Es war mir ein Vergnügen, geschätzter Beobachter! 😉
            Take care 🙂

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