Gutachten: »EU-rechtswidrig«
Am Donnerstag urteilt der Europäische Gerichtshof darüber, ob die Indexierung der Familienbeihilfe der türkis-blauen Regierung diskriminierend war. Österreich könnte Nachzahlungen leisten müssen.
Brüssel/EU-weit/Luxemburg, 15. Juni 2022 | Die österreichische Familienbeihilfe wurde 2019 an den Wohnort der Kinder geknüpft. Das führte vor allem bei Pflegekräften aus Osteuropa zu Einbußen führte. Diese Indexierung der Familienbeihilfe war ein Prestigeprojekt der ersten türkis-blauen Regierung unter der damaligen Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Die EU-Kommission bewertete diese Indexierung als diskriminierend und reichte im Mai 2020 Klage vor dem europäische Höchstgericht ein.
Am Donnerstag wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Indexierung der Familienbeihilfe urteilen. Im Jänner hatte bereits der EuGH-Generalanwalt Richard de la Tour in seinem Gutachten die Indexierung als unzulässig bewertet. Die EuGH-Richter sind an diese Bewertung nicht gebunden, aber in der Regel folgen sie der Beurteilung des Generalanwalts.
EU-Kommission: „rechtswidrig und diskriminierend“
Sowohl die Nachbarländer als auch Europa-Experten hielten das Ansinnen schon vor Beschluss mit dem Europarecht für unvereinbar. Seitens der EU-Kommission hieß es, die Indexierung der Familienbeihilfe sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch diskriminierend. Sie gilt nämlich nicht für österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die im Ausland für österreichische Behörden arbeiten und deren Kinder dort mit ihnen leben – “obwohl ihre Situation vergleichbar ist”.
Argumentiert wurde bei dem Beschluss des Gesetzes in Österreich damit, dass die Lebenserhaltungskosten vom Wohnort abhängig seien. Daher sei es unfair, wenn überall dieselbe Summe ausbezahlt werde.
Generalanwalt sieht EU-Recht-Verstoß
Im EuGH-Gutachten aus dem Jänner heißt es, die Indexierung verstoße gegen das Freizügigkeitsrecht der EU. Denn Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten müssen in Österreich unabhängig vom Aufenthaltsort ihrer Kinder die gleichen Beihilfen und steuerlichen Vergünstigungen wie österreichische Arbeitnehmer erhalten können. Die Betroffenen würden schlussendlich in gleicher Weise zur Finanzierung des österreichischen Sozial- und Steuersystems beitragen wie österreichische Arbeitnehmer, argumentierte Generalanwalt de la Tour.
Österreich muss möglicherweise nachzahlen
Folgt der EuGH der Einschätzung des, könnte Österreich Nachzahlungen leisten müssen. Aus dem Familienministerium hieß es dazu, man sei “für alle etwaigen Rechtsfolgen durch das Urteil des Gerichtshofs vorbereitet”. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Mai bereits Rückstellungen von 220 Mio. Euro für mögliche Rückzahlungen gebildet.
Türkis-Blau wollte mit der Indexierung 114 Millionen Euro jährlich einsparen. Laut Anfragebeantwortungen zahlte der Staat im Vergleich zu 2018 im Jahr 2019 62 Millionen, 2020 87 Millionen und 2021 141 Millionen Euro weniger aus.
(apa/pma)
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