Samstag, April 27, 2024

Bundesratspräsidentin: »Nicht beleidigt über Kritik sein«

Das ist eine Unterüberschrift

Bundesratspräsidentin Korinna Schumann (SPÖ) geht. Im Interview mit ZackZack verteidigt sie den Bundesrat gegen Kritik, Wien gegen Klimaaktivisten und tadelt Frauenministerin Susanne Raab.

Stefanie Marek

Wien, 22. Dezember 2022 | Korinna Schumann (SPÖ) ist im Bundesrats das, was Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Nationalrat ist, allerdings nur, was ihre Funktion angeht: Sie hat als Präsidentin den Vorsitz. Für die letzten sechs Monate vertrat sie den Bundesrat nach außen und leitete dessen Sitzungen. Jetzt wechselt der Vorsitz, wie es nach einem halben Jahr üblich ist, von Wien und geht an das alphabetisch nächste Bundesland, das Burgenland. Ihr Nachfolger wird Günter Kovacs, ebenfalls SPÖ. Am Mittwochmorgen herrschte lockere Stimmung im Großen Redoutensaal der Hofburg. Es war die letzte Parlamentssitzung des Jahres und die letzte Sitzung im Ausweichquartier bevor Nationalrat und Bundesrat zurück ins frisch renovierte Parlamentsgebäude siedeln. Es wurden noch ein paar Abschieds-Fotos gemacht, dann begann Schumann ihre Abschlussrede.

ZackZack: Frau Schumann, das selbstgewählte Ziel Ihrer Präsidentschaft war, die Bedeutung staatlicher Strukturen, vor allem des Sozialstaates hervorzuheben. Gerade jetzt rutschen viele Menschen durch die Teuerung in die Armut, Krankenhäuser sind am Limit, Lehrermangel ist ein Dauerthema. Versagt der Staat hier?

Korinna Schumann: Der Staat selbst versagt nicht. Es geht darum, immer wieder an den verschiedensten Schrauben zu drehen und die Bedingungen zu verbessern. Vielen Krisen, die schon vor Corona da waren, sind jetzt stärker geworden. Jetzt muss man schauen, wie man attraktiver gestalten und welche Reformen man einleiten kann. Denn das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Strukturen ist so wesentlich für die Demokratie und den sozialen Frieden.

Der Bundesrat tagt permanent, er wird nicht direkt gewählt, seine Mitglieder werden von den Landtagen der neun Bundesländer entsandt. Er hat ein Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates und kann Gesetze meist nur aufschieben, da der Nationalrat diesen Einspruch durch eine Wiederholung des Beschlusses überwinden kann. Verfassungsgesetze oder Staatsverträge können aber ohne Zustimmung des Bundesrats nicht zustande kommen.

Der Bundesrat steht immer wieder in der Kritik, weil er im Vergleich zum Nationalrat relativ machtlos ist. Was entgegnen Sie dieser Kritik? Was nützt der Bundesrat gewöhnlichen Menschen von der Straße?

Ich sehe es als unsere Aufgabe, nicht beleidigt über die Kritik zu sein, sondern auf die Möglichkeiten des Bundesrates hinzuweisen. Jeder Bürger und jede Bürgerin wohnt in einem Bundesland und all die Interessen, die man in seiner unmittelbaren Lebensumgebung hat, alle Strukturen des Landes – der Arbeitsmarkt oder Tourismus zum Beispiel – werden in den Bundesrat getragen. Durch den Bundesrat und seine Präsidentschaften werden auch Themen abseits der täglichen Gesetzgebung diskutiert und das ist eine große Chance. Man macht sich Gedanken über gesellschaftliche Entwicklungen, auch dazu ist das Parlament da.

Und wer hört diese Gedanken und Diskussionen?

Ich hoffe auf ein Schneeballsystem aus den Bundesrätinnen und -räten heraus, wir haben Streams, die die Diskussionen übertragen. Wichtig sind auch alle Aktivitäten der Demokratiewerkstatt für junge Leute.

Sie haben in Ihrer Abschlussrede angesprochen, dass jungen Menschen gehört werden müssen, weil ihnen die Zukunft gehört. Gerade Wien steht bei einigen jungen Menschen, die sich für den Kampf gegen die Klimakrise einsetzen in der Kritik. Sind das Stimmen, die nicht so sehr gehört werden sollen?

Es gehören alle Stimmen gehört, das muss ein wesentlicher Punkt von Meinungsentscheidungen sein. Aber es gibt halt auch Entscheidungen, die vor Langem getroffen wurden – wie etwa die Stadtstraße. Wenn man diese Entscheidungen auflöst, dann ist das Vertrauen ins staatliche Handeln nicht mehr gegeben und das ist nicht gut. Es gab ja lange Verfahren, die das geprüft haben. Ich glaube auch, dass Wien da ein bisschen Unrecht getan wird, weil es, den Umweltschutz, erneuerbare Energien oder den toll ausgebauten öffentlichen Verkehr betreffend für andere Städte wirklich ein Vorreiter ist.

Frauenthemen sind Ihnen als ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende ein Anliegen. Der letzte Einkommensbericht des Rechnungshofes zeigt: Frauen verdienen in Österreich im Schnitt deutlich weniger als Männer. Auch Frauenmorde sind ständig aktuell. Tut die Regierung zu wenig?

Absolut. Jeder Frauenmorde ist nur die Spitze eines Eisbergs, die enorme Gewaltstruktur dahinter muss aufgebrochen werden. Dazu braucht es mehr Mittel, auch in der Beratung, in der Prävention, in der Männerarbeit und es braucht den gesellschaftlichen Konsens, dass wir diese Gewalt nicht wollen. Ein existenzsicherndes Einkommen für Frauen ist so wichtig, um aus toxischen Beziehungen zu kommen. Ganz wesentlich wäre hier der Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen und ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz, der muss leistbar und mit Vollzeit vereinbar sein. Damit Frauen sich überhaupt entscheiden können, wie viel sie arbeiten.

Jeder Frauenmorde ist nur die Spitze eines Eisbergs, die enorme Gewaltstruktur dahinter muss aufgebrochen werden. Dazu braucht es mehr Mittel, auch in der Beratung, in der Prävention, in der Männerarbeit.

Susanne Raab (ÖVP) wird als Frauenministerin von vielen Seiten Untätigkeit vorgeworfen. Wie sehen Sie das?

Ihre Arbeit wird von den Menschen in Österreich kaum wahrgenommen und das ist ganz schlecht, vor allem in Krisenzeiten. Denn gerade jetzt brauchten wir eine starke Frauenministerin, die auf die Probleme der Frauen hinweist. In der Corona-Zeit haben die Frauen Unglaubliches getragen und es war ruhig. Jetzt haben wir die Teuerung und Frauen sind besonders betroffen und wieder nur Schweigen. Ich habe keinen einzigen Kommentar der Frauenministern zu den Einkommensberichten des Rechnungshofes gelesen (Anm.: Der Bericht zeigt, dass Frauen in Österreich deutlich weniger verdienen als Männer).

Bald sind Wahlen in Niederösterreich. Im Bundesrat könnte es zu einer Verschiebung der Mehrheit kommen, die momentan ÖVP und Grüne halten. Was würde das bedeuten?

Man muss schauen, wie die Wahlen ausgehen. Es wäre Glaskugellesen da jetzt zu mutmaßen. Wenn die Opposition eine Mehrheit hat, ergeben sich mehr rechtliche Möglichkeiten für den Bundesrat. Die Mehrheit kann ein Gesetz für acht Wochen blockieren, oder Dinge zum Verfassungsgerichtshof tragen. Ein Beispiel, wo die Oppositions-Mehrheit entscheidend war: Der Bundesrat hat die Einführung der Schuldenbremse verhindert. Die Regierungsfraktionen hätten das vor Corona einführen wollen und das wäre in der Coronazeit und in der Teuerung fatal gewesen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Nationalratspräsidentenkollegen Wolfgang Sobotka (ÖVP)? Welche Haltung haben Sie zur Kritik an ihm?

Es ist ein Arbeitsverhältnis. Meine Haltung zur Kritik würde ich gerade in meiner Funktion als Bundesrats-Präsidentin nicht aussprechen. Aus meiner Sicht sind wir alle gefordert, unaufgeregt unsere Arbeit für die Demokratie zu machen und einfach der Sache zu dienen. Das ist die Aufgabe dieser Funktion und ich glaube, das kann man mit aller Bescheidenheit und einer gewissen Demut tun.

Ein Resümee Ihrer Präsidentschaft?

Ich hoffe, sie ist gelungen. Mit Hilfe all jener, die sich beteiligt haben, wurde die Bedeutung des staatlichen Handelns und des Sozialstaates und der Daseinsvorsorge gerade in den Krisenzeiten thematisiert. Ich freue mich, dass wir zwei Veranstaltungen zum Thema Jugend hatten und junge Menschen zu Wort gekommen sind – zum Thema Aufwertung der Lehre und zum Lebensraum Stadt, was ja gerade die Präsidentschaft von Wien stark im Fokus hatte.

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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5 Kommentare

  1. Im Grunde genommen eine reine Versorgungseinrichtung für Söhne und Töchter aus den besten aller Parteiwelten…
    Eine ersatzlose Abschaffung würde uns Pöbelianern viel Geld ersparen, doch wohin dann mit den Unvermittelbaren?
    Es muss auch hier heller werden!

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