Samstag, April 27, 2024

Juncker-Abrechnung mit Türkis-Grün: »Keine Regierung mehr«

Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat deutliche Kritik an der österreichischen Regierung geübt und ihre Handlungsfähigkeit infrage gestellt. Sein Verhältnis zu Sebastian Kurz war “schwierig”.

Wien, 23. Dezember 2022 | “Für mich ist das keine Regierung mehr im klassischen Sinne. Regierungen sind da, um zu regieren. Nicht um trotz größter Meinungsunterschiede im Kabinett zu bleiben”, sagte Juncker der Wochenzeitung “Furche” mit Blick auf Gräben zwischen ÖVP und Grünen. “Traurig” mache ihn das Schengen-Veto.

Verhältnis zu Kurz “schwierig”

Juncker wies diesbezüglich darauf hin, dass er als Christdemokrat “mit der ÖVP in der EVP unterwegs” sei. “Zur ÖVP meine ich: Es reicht nicht, sich das ‘Christlich’ auf die Fahnen zu schreiben, es aber nicht im Herzen zu tragen”, sagte der frühere EU-Kommissionspräsident (2014-19). Sein Verhältnis zum damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) charakterisierte er als “schwierig, da ich immer sehr viel Zeit darauf verwenden musste, ihm das übergeordnete Europäische zu erklären. Ich habe da manches erlebt. Kurz war im Prinzip erst einmal dagegen – und zwar gegen alles, was als Europa kam. Aber letztlich hat er sich doch immer wieder eingereiht.”

Die EU-Korruptionsaffäre bezeichnete Juncker als “absolut verdammenswert”. “Aber, was wir jetzt hier in Brüssel erleben, betrifft nur winzige Teile des europäischen Parlaments”, betonte er. Es gebe im Europaparlament “einige, die Faulenzer sind. Aber da gibt es viele, die intensiv arbeiten und mehr wissen als so manche Regierungschefs.”

Kein Frieden mit Putin

Juncker berichtete in dem Interview auch ausführlich über seine politische und persönliche Beziehung mit Kreml-Chef Wladimir Putin, den er “eigentlich sehr gemocht” habe. Dieser habe ihn nach einer Sitzung während des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes im Jahr 2005 einmal in seine “Privatappartements” gebeten und in eine eigene Kapelle geführt. “Dann knieten wir uns nieder und wurden von einem Popen gesegnet, damit unser Gespräch gut verlaufen möge. Das war ein fast intimer Augenblick. Wir haben uns über sein Privatleben unterhalten, er hat sich sehr bemüht um mich. Man darf das heute fast nicht mehr sagen: Aber unser Verhältnis von damals kann man als freundschaftlich bezeichnen.”

Putin habe im Laufe der Jahre “mit steigender Tendenz” in Vier-Augen-Gesprächen gesagt, “dass ihn der Westen verraten hätte”, so Juncker weiter. Dennoch sei es für ihn “unvorstellbar” gewesen, dass Putin die Ukraine angreifen werde. “Ich war felsenfest davon überzeugt, dass dieser Krieg nicht stattfinden wird.” Nun ist Juncker der Meinung, dass es mit dem russischen Machthaber keinen Frieden geben könne. “Ich glaube, mit der Person Putin kann man das nicht. Vielleicht in die Wege leiten, aber nicht abschließen.”

(bf/apa)

Titelbild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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28 Kommentare

  1. Es ist natürlich mit Worten kaum zu fassen mit einen zukünftigen Massenmörder freundschaftliche Ambitionen geteilt zu haben.

      • Liebe Summa summarum, auch meiner Seelenverwandten wünsche ich ein schönes und friedliches Weihnachten – vielleicht mit,
        MANHATTAN TRANSFER snowfall
        Es muss immer heller werden!

        • Danke lieber Beobachter! Das Fest des Chaos, wo einem die Nerven geraubt werden, ist nicht mehr meines😀, Manhattan Transfer kommt da gerade recht. Im kleinen Kreis bei einem Asiaten (sonst ja alles geschlossen) wie üblich meine Alternative. Eine schöne Zeit wünscht Ihnen Summa🎁🎄

    • In Ruhe und Gelassenheit in sich gehen klappt aber nur wenn man von der entfernteren Verwandtschaft (insbes. Schwiegermutter) in Ruhe gelassen wird. Also wirds wohl wieder nix mit dem frommen bescheidenen Wunsch. 😐

      • Lieber ManFromEarth, danke für die interessanten Informationen. Glücklicherweise wurde das Montreal-Protokoll angenommen und so der Ausbreitung des Ozonloch wirksam entgegengetreten.
        Danke für die Wünsche, auch Ihnen ein schönes und friedliches Weihnachten, auf dass es heute wieder ein bisschen heller werden möge!

  2. “Schwieriges Verhältnis” ts..ts.. Immer diese politische Korrektheit 🙄🥱 Wieso kann er nicht gleich aussagen dass Kurz ihm absolut zuwider war. Noch dazu wo es ihm jeder nachfühlen könnte.

  3. Man stelle sich vor, Juncker hätte Kurz besucht und der führt ihn in seine eigene Kapelle zur Segnung 😂. Bei dieser hätte der Jean Claude aber wahrscheinlich nur zusehen dürfen da es nur den Gottgesandten zusteht gesegnet zu werden. 😔

  4. Die Bilder von JCJ mit den gespitzten Lippen in Richtung Kurz.. zu komisch ! war damals schon der Lacher im Büro..

    Die Kritik von JCJ kommt mM spät, die hätte er bereits ihm damals selbst, Kurz, entgegenbringen sollen, vielleicht hätte es was bewirkt. Man braucht kein Studium, aber sich in dieser Ebene unter Regierungsmitgliedern zu bewegen, vielleicht waren die Herren, Consultant et Fleischmann, um Kurz doch nicht so gut.. und haben ihn mangelhaft gebrieft, wer weiß es denn?
    Kurz hat die EU für seine Selbstdarstellung genutzt, aber Kritik nimmt Kurz nicht an. Er ist auch nicht selbstreflexiv. Er wurde von vielen hofiert, das hat sich dann jedoch auch gedreht.

    Google Suche nach Bussi von JCJ: “Den berühmten Begrüßungsküsschen von Jean-Claude Juncker entkam auch Sebastian Kurz nicht. Die Lippen geschürzt ”
    https://kurier.at/politik/ausland/kuesse-und-der-ritterschlag-in-bruessel/293.069.037

  5. Ja, man hat es richtig gemerkt, daß das Verhältnis zwischen Juncker und Kurz sehr schwierig war: so heftig busselt man nur Todfeinde ab.

    • In Relation seiner Zuneigung zu Kurz war ihm sogar der Putin noch hochsympathisch. Irgendwie kann ichs ja nachvollziehen. 🤔

  6. Ich hab leider immer noch die Bilder vor Augen, wo Hr Juncker viele, aber auch Kurz (wiederholt) küsst … vlt hat er seine Persönliche Distanz gut kaschieren können .. was weiß man
    Aber warum rückt JCJ erst jetzt damit raus, dass Kurz sich auf Gebieten wie EU nicht zurechtfand, Kritik hätte er als Komm.Präs früher üben müssen und nicht nur küssen (ja ist zynisch). Kurz hat diese nur als Plattform für seine Selbstdarstellung genutzt, aber damals wurde Kurz hofiert und dieser nahm das gerne an.
    https://kurier.at/politik/ausland/kuesse-und-der-ritterschlag-in-bruessel/293.069.037
    “Den berühmten Begrüßungsküsschen von Jean-Claude Juncker entkam auch Sebastian Kurz nicht. Die Lippen geschürzt, den jungen Gast einmal kräftig geherzt”
    https://www.krone.at/594283

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