Samstag, Oktober 5, 2024

Medienkünstler Peter Weibel 78-jährig gestorben

Der international renommierte österreichische Medienkünstler, Theoretiker, Kurator und Museumschef Peter Weibel ist tot.

Wien | Der langjährige Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) starb am Mittwoch 78-jährig nach kurzer Krankheit in einem Karlsruher Krankenhaus. Weibel war dem Medienmuseum seit 1999 vorgestanden und hatte zuletzt seinen Abschied und die Übersiedlung nach Wien vorbereitet. Der Brite Alistair Hudson übernimmt am 1. April die Leitung.

Aktivistisches “Migrationsprodukt”

Geboren wurde Weibel am 5. März 1944 als “Migrationsprodukt” in Odessa. “Dann flüchtete meine Mutter mit mir über Polen, Tschechien, den Schwarzwald nach Oberösterreich in ein US-Lager für displaced persons”, erzählte Weibel in einem Interview. In Paris begann er Französisch und französische Literatur zu studieren, begann 1964 in Wien ein Medizinstudium und wechselte zu Mathematik und Logik. Eine Dissertation über mathematische Logik hat er zwar geschrieben, aber nie eingereicht. Dafür war er im Wiener Aktionismus der 60er-Jahre mitten im Geschehen, etwa 1968 bei der skandalumwitterten Aktion “Kunst und Revolution” an der Uni Wien.

Früh befasste sich der in Vision und Subversion gleichermaßen heimisch Fühlende mit den Fragen von Video- und Computerkunst und virtuellen Räumen. In seinem Werk verwendete Weibel ab 1966 bereits interaktive Praktiken und ab 1990 interaktive Computerinstallationen. Der kontroversielle Denker wurde er bald zum gesuchten Lektor und Professor an internationalen Kunstschulen von Kassel bis Halifax. 1981-84 war er Gastprofessor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, 1984 bis 2011 an der Universität für angewandte Kunst Wien Professor für visuelle Mediengestaltung, später für Medientheorie. 1982 bis 1985 war er auch Professor für Fotografie an der Gesamthochschule Kassel.

Von 1985 bis 1989 lehrte er auch an der State University of New York in Buffalo, von 1989 bis 1994 war er Direktor des Instituts für Neue Medien an der Städelschule in Frankfurt. 1992 bis 1995 war er künstlerischer Leiter der Ars Electronica in Linz. Ab 1993 bis 1997 war Weibel auch künstlerischer Leiter der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz, wo er zum Chefkurator wurde. 1993 bis 1999 war er auch Kommissär des Österreichbeitrags bei der Biennale Venedig.

Schnellsprecher und Vielarbeiter

Weibel galt als Schnellsprecher und Vielarbeiter und prägte Medienkunst und Kunstdiskurs im deutschsprachigen Raum seit Jahrzehnten mit. Zuletzt machte er mit der Ankündigung Schlagzeilen, in Wien für seine 120.000 Bücher eine bewohnbare Containerbibliothek mit einem Aufzug in der Mitte bauen zu wollen: “Der Aufzug ist die Wohnung. Ich werde also in einem großen Lastenaufzug arbeiten, schreiben und schlafen.” Der Tod vereitelte diesen Plan. Am Sonntag wäre Weibel 79 Jahre alt geworden.

In der Kunstszene löste die Todesnachricht große Bestürzung aus. Künstlerin VALIE EXPORT, Weibel “in Freundschaft und Respekt” verbunden, ließ wissen: “Mit Freude und großer Sympathie haben wir beide weiteren Gesprächen in Wien entgegengeblickt.” Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne) meinte: “Sein wacher, vielseitiger Geist preschte oft meilenweit voraus und konnte erbarmungslos unbequem sein. Und immer voller ungewöhnlicher Ideen. Wer ihn kannte, wird ihn schmerzlich vermissen.” Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte an, die Stadt Wien werde den “unvergleichlichen Peter Weibel mit einem Ehrengrab würdigen”.

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

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