Sonntag, April 28, 2024

Unsterblich Episode 6: Apoptose oder die zelluläre Selbstlosigkeit

In der heutigen Episode von “Unsterblich” erklärt Biochemikerin Renée Schroeder, wie der Zelltod genau funktioniert, weshalb er altruistisch sein kann und warum er für die ewige Jugend so wichtig ist.

Zellen haben Gene, um sich kontrolliert in den Tod zu schicken. Ein programmierter Zelltod. Geplanter Selbstmord. Diesen Prozess nennt man Apoptose.

Nekrose und Apoptose

Die alten Griechen hatten bereits bemerkt, dass es zwei Arten von Sterben gibt: die Nekrose, das ist der Tod durch Unfall und Krankheit und die Apoptose, das ist der kontrollierte Zelltod, wenn die Blätter im Herbst abfallen oder die Haut zwischen den Zehen verschwindet. Die Apoptose ist eine Art Zellselbstmord und ist essentiell bei der Entwicklung von Tieren. Es werden meistens viel mehr Zellen als gebraucht hergestellt und die überschüssigen werden kontrolliert abgebaut. Bei der Apoptose werden keine entzündlichen Stoffe ausgeschieden, welche das Nachbargewebe schädigen, wie das bei der Nekrose der Fall ist. Es ist also ein natürlicher und gewollter Prozess. Sterben als Teil der natürlichen Entwicklung zum Organismus. Und notwendig, wenn man jung bleiben will.

 Altruismus in Bakterien – das Selbstmordmodul

Bereits Bakterienzellen haben einen genetisch kontrollierten Zelltod. Wenn eine Bakterienkolonie in Stress kommt und bedroht wird, schaltet sich das Selbstmordmodul ein. Dabei begehen etwa 80 bis 90% der Zellen Selbstmord. Die anderen Zellen können dadurch überleben, weil sie Ressourcen bekommen und sie ändern ihren Stoffwechsel. Wenn der Stress vorbei ist, beginnt eine neue Wachstumsphase. In der Zwischenzeit können sie ruhig warten in einem Zustand, in dem sie wenig tun.

Gift und Gegengift im Gleichgewicht

Dieses Selbstmordmodul ist ganz einfach: es besteht aus zwei Genen, eines kodiert für ein Gift und das zweite für ein Gegengift. Diese werden Toxin und Antitoxin genannt. So lange alles im Gleichgewicht ist, binden Gift und Gegengift aneinander und neutralisieren sich. Das Gegengift ist meistens etwas instabiler als das Gift, was bedeutet, dass sobald beide Stoffe nicht mehr erzeugt werden können, das Gegengift schneller abgebaut wird als das Gift. Das Gift bleibt übrig und tötet die Zelle.

Ist das altruistisch?

Altruismus wird als selbstlose Denk- und Handlungsweise und Uneigennützigkeit definiert. Es ist ein Gegenbegriff zum Egoismus. Ob Altruismus überhaupt existiert, wird von vielen Philosophen in Frage gestellt. Es müsste eine freiwillige Entscheidung voraussetzen, denn wenn die Selbstlosigkeit erzwungen ist, verliert sie den altruistischen Charakter. Ob Bakterien und einzelne Zellen „freiwillige Entscheidungen“ treffen können, sei dahingestellt. Auf jeden Fall haben viele Bakterien ein System, um sich in den Selbsttod zu begeben, damit die Kolonie überlebt. Alle Bakterien einer Kolonie sind fast identisch, sozusagen Klone. Auf lange Sicht hat es den Vorteil, dass die Kolonie und damit der Klon überlebt. Und dieser Prozess stellt das Überleben der Kolonie über das Überleben des einzelnen Bakteriums. Von der Sicht der Evolution macht so ein Verhalten also viel Sinn! Es setzt sich in der Evolution durch – mit oder ohne Absicht.

Apoptose in höheren Zellen

Auch tierische und menschliche Zellen haben Gene für einen programmierten Zelltod. Diese sind sehr wichtig für viele normale Prozesse im Körper. Die Apoptose ist ein essenzieller Teil unseres Stoffwechsels und unseres Immunsystems. Der durchschnittliche Erwachsene Mensch verliert jeden Tag zwischen 50 und 70 Milliarden Zellen durch Apoptose.

Der Nobelpreis für Medizin 2002 wurde Sydney Brenner, H. Robert Horvitz und John Sulston für ihre Arbeit zur Identifizierung von Genen verliehen, die die Apoptose kontrollieren. Die Gene wurden durch Studien am Wurm Caenorhabditis elegans identifiziert. Wir Menschen haben Homologe dieser Gene, die bei der Regulierung der Apoptose notwendig sind. Da die Apoptose nicht gestoppt werden kann, wenn sie einmal begonnen hat, braucht dieser Prozess eine sehr exakte Regulierung. Apoptose kann auf zwei Wegen initiiert werden. Auf dem intrinsischen Weg tötet sich die Zelle selbst, weil sie Zellstress wahrnimmt, während sich die Zelle auf dem extrinsischen Weg aufgrund von Signalen anderer Zellen selbst tötet. Beide Wege induzieren den Zelltod, indem sie Caspasen aktivieren, das sind Enzyme, die Proteine ​​abbauen. 

Bei der embryonalen Entwicklung sind apoptotische Vorgänge immer nötig: zum Beispiel werden bei der Anlage von Fingern ganze Zellpopulationen, nämlich die Haut zwischen den Fingern, durch Apoptose eliminiert. Die Apoptose ist auch verantwortlich für die Rückbildung der Gebärmutter nach der Entbindung oder für die Abstoßung des Endometriums während der Menstruation.

Die Apoptose kann aber, wenn sie falsch reguliert wird, an der Entstehung etlicher Krankheiten beteiligt sein. Bei der Osteoporose, bei der Zerstörung der T-Zellen des Immunsystems, bei neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson oder bei Rheuma spielen apoptotische Zellzerstörungen eine große unerwünschte Rolle. Aber auch das Unterdrücken der Apoptose kann zu Krankheiten, etwa zu Krebs, führen.

Die Apoptose ist also ein allgegenwärtiger Vorgang, der sehr genau reguliert werden muss. Sie ist lebensnotwendig, kann aber auch zu Krankheiten führen und tödlich sein.

Wenn Zellen von Viren befallen werden, schalten sie meisten die Apoptose ein, sodass sie sich selbst umbringen, damit das Virus sich nicht vermehren und die Nachbarzellen infizieren kann. Nun gibt es aber Viren, wie das Baculovirus, das den Organismus infiziert, in die Wirtszelle eindringt und die Apoptose ausschaltet. So funktioniert auch die Evolution des Virus!

Wir haben bereits erfahren, dass es notwendig ist, dass alte Zellen in Apoptose gehen. Tun sie das nicht, fördern sie das Altern und verursachen etliche altersbedingte Krankheiten.

Damit wir unsterblich werden können, müssen Zellen sterben können. Der kontrollierte Tod ist also Bestandteil der ewigen Jugend.

Titelbild: Renée Schroeder

Renée Schroeder
Renée Schroeder
Renée Schroeder ist eine der führenden Biochemikerinnen Europas. Als Wittgenstein-Preisträgerin lehrte sie an der Universität Wien. Heute lebt sie auf dem Salzburger Leierhof und beschäftigt sich mit wilden Kräutern, die sie verarbeitet. Für ZackZack beschreibt sie die ebenso folgenreichen wie weitgehend unbekannten Entwicklungen der technischen Eingriffe in die Grundlagen unseres Lebens - bis hin zur Abschaffung des Alterns.
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6 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Pilz! Um nicht mißverstanden zu werden, auch Ihnen und ihrem Medium wünsche ich Unsterblichkeit! Aber ohne effektives Marketing und Mitgliedermanagement, also Zellerneuerung, scheint mir die letale Apoptose leider nah! Zack oder Zack?

    Sie brauchen uns. Wofür, denn wir sind zu wenige! Nicht einmal Ibiza 2, mit Fast Food Karl, konnte ihr Medium zack, zack aus dem Dornröschenschlaf erwecken!
    Ibiza 1 daran darf erinnert werden, war eine Initialzündung für ihr Medium. Die darauffolgende Kurz-Hochphase wurde offensichtlich nicht genützt, die jetzt flehentlich herbeigebetete Abonnentenzahl von nicht einmal 3000 zu erreichen. Mein Eindruck ist, daß durch die „Bitt für uns“ Aktion noch nicht einmal die 2000 erreicht wurde.
    ZackZack verfügt über einige positive Marketing Assets, die damit verbundenen Vorteile für Abonnenten halten sich leider in Grenzen!
    Die angesprochenen Assets, aber auch die redaktionellen Inhalte hätten wesentlich stärker nur den Abonnenten offenstehen sollen! Vor allem das Chat Forum, einst gab es hunderte „hits“ zu einzelnen Beiträgen, hätte ausreichend Potential für die Gewinnung von Abonnenten geboten, …

    • … wäre das Chat Forum ausschließlich diesen offen gestanden! Auch mit otwic schlummert ein genialer Karikaturist eher verborgen und von einem breitenwirksamen Marketing ungenützt, in ihrer Redaktion.
      Fehlende Kommunikation, mit der Leserschaft, über die nahe Zukunft, sowie fehlende Perspektiven und innovative Verknüpfungen für dieses geschätzte Medium tragen nicht dazu bei, für die 3 bis 4 lesenswerten Kolumnen, welche am Wochenende erscheinen, ein Abonnement einzugehen!
      Ihr Kampf gegen Korruption und gegen Rechts in Ehren, leider verpufft auch dieser, unter den paar verbliebenen ZackZack-Sektenmitgliedern.
      Die Gründung einer Partei erschiene mir diesbezüglich wesentlich sinnvoller und effektiver!
      Es erscheint mir, als ob eine lange anstehende Entscheidung nur mehr aufgeschoben wird. Halten sie sich doch einfach an Ihren Titel!
      Zack oder Zack!

    • Sehr geehrter Hr Helmut 1931
      Sie schreiben mir aus dem Herzen, wobei Sie sehr höflich und formvollendet den gemeinsamen Eindruck darstellen (nicht negativ gemeint – ich wäre direkter) . Ich glaube, wenn ich in der aktuellen Wiener Zeitung über “Geruch von Müll” lesen muss, ich habe viel in der Wr Zeitung vormals gelesen.. dann verstehe ich die Lage schon, aber …, finde es natürlich sehr schade. Was in Ö passiert, wird in Posts geschrieben, tatsächlich werden Drohungen in den Raum gestellt… In Ö passieren Dinge, man liest sie (Posts) und ist erschüttert. Denn diese Dinge sollen unter anderer “Wahrheit” publiziert werden… so weit sind wir .. Das geht bis zur Verletzung 90 % aller Punkte der Menschenrechte! >< böse Frau musste von Einheiten .. mithilfe Russland, Iran, Irak, Syrien erschossen werden, lange davor der Leidensweg (raten Sie, wer die Kollegen sind – Otto-Wagner-Platz 3, 1090).. Wissend, nicht nur die Oberen 1000, es sind viele . Mancher eins Karriere von einer kastanien-braun-haarigen schlaksigen Person, immer korrekt der Anzug, findet sich in einem Prüfbericht über Verstöße von US-Sanktionsrecht wieder, Selfies aus dem Nachbarhaus. Nun wenn dann selbst ein Mann, der auf die öst. Verfassung schwört, von Menschenrechten (Verankerung in Ö VerfG ca 1953) nichts wissen will, wenn Politiker zu Misshandlungen, BVT Mitarbeiter (angeklagt) einem Foltergeneral (Zeuge) in Wien vor Gericht gegenüberstehen .. schweigen.. dann werden Sie verstehen, dass das Team unter Druck geraten ist. Wenn Hr Pröll Kritik übt und dann auf eine Weise, die er mM nicht verdient zum Schweigen "verdonnert" wird.. Es ist viel passiert und jemand wurde Unschuldig zum Opfer, darf nicht sterben, ist der Misshandlung und der grausamen Willkür gnadenlos bis zum Ende des letzten Atems ausgesetzt.. mit Wissen von so vielen – in Österreich an einer Person mit ö Staatsbürgerschaft

  2. Danke für diese tolle Wissensbereicherung. Hätte ich vermutlich sonst nicht gelesen.
    Wissen ist aber nicht angewandt und angwandt noch nicht gekonnt würde ich zumindest meinen wollen und steht uns deshal hier wohl noch ein langer weitere Lernweg noch bevor…

    • Sehr bereichernde Wissenserweiterung durch eine Wissenschaftlerin, die dafür sorgt, dass auch ein “normal” Gebildeter ihre Ausführungen nachvollziehen kann.

      Zackzack übernimmt damit einen wichtigen Bildungsauftrag und sollte deshalb auch staatlich gefördert werden, liebe türkis angehauchte Frau Blimlinger!

      Streichen sie dafür die Förderung für den rechtslastigen Exxpress. Die Herausgeberin, Frau Schütz hat damit sicher kein finanzielles Problem.

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