Gestern bei Armin Wolf hatte Andreas Babler seine schwächste Stunde. Jetzt muss er sich entscheiden, ob er endlich die Führung der SPÖ übernimmt.
Andreas Babler spricht in starken Bildern. Er kann mitreißen und überzeugen. Den Vorsitz in der SPÖ hat er mit einer großen Rede gewonnen. Gestern Abend in der “ZiB2” bei Armin Wolf war davon kaum etwas zu merken.
Die Einstiegsfrage kann Babler nicht überrascht haben. Armin Wolf machte Babler die Antwort leicht. Ungefähr so hätte sie lauten müssen: „Für Leute wie Gusenbauer ist bei uns kein Platz.“ – „Und was heißt das?“, hätte Wolf wahrscheinlich nachgefragt. „Ich erwarte von Alfred Gusenbauer, dass er seine Parteimitgliedschaft ruhend stellt. Tut er das nicht und wird er Beschuldigter, dann weiß seine Landespartei, was zu tun ist“.
Jeder hat gespürt, dass Babler das sagen wollte – aber nicht konnte. Der Rest war kaum besser. Babler schaute nach unten und stützte sich auf den Tisch. Der SPÖ-Vorsitzende wirkte unsicher und müde. Das war kein Wunder.
Babler kann begeistern, überzeugen und gewinnen, wenn er die Partei hinter sich spürt. Aber in der SPÖ läuft genau das, was man früher der ÖVP vorgehalten hat. Der Wiener Parteichef lässt Babler ausrutschen, dann packt der Tiroler Parteichef seinen Feitl aus, und der Genosse aus Vorarlberg gesellt sich dazu. Seit dem Grazer Parteitag klingt „Freundschaft“ wie eine gefährliche Drohung.
Letzte Chance
Andreas Babler hat eine doppelte und letzte Chance. Sie heißt „Gusenbauer“ und „U-Ausschuss“. Wenn er Gusenbauer vor die Parteitür setzt und klarmacht, dass die gesamte SPÖ hinter der parlamentarischen Aufarbeitung der ÖVP-Affären von „Benko“ bis „Sigi Wolf“ steht, wenn Babler also erstmals die Führung seiner Partei übernimmt, kann er in den Wahlkampf gehen. Wenn er sich das nicht zutraut, hat es keinen Sinn, dass er sich Woche für Woche vorführen und zermürben lässt.
Vielleicht ist mit der SPÖ der Ludwigs und Dornauers keine Wahl mehr zu gewinnen. Vielleicht schleppt sich die SPÖ mit Verspätung auf den Misthaufen der Geschichte, auf dem schon viele sozialdemokratische und christdemokratische Parteien der EU liegen.
Aber vielleicht gibt es eine letzte Chance. Babler sollte es versuchen – oder lassen.
Titelbild: Screenshot “Zeit im Bild 2” vom 08.01.2024