Die Schwäche der Demokratie belastet die Menschen nicht nur psychisch, sondern auch finanziell. Viele suchen den Ausweg im Rückzug und befördern damit die Desolidarisierung.
Es ist die Herausforderung unserer Zeit. Seit fast sieben Jahren kämpfen wir jetzt gegen die autoritäre Transformation dieses Landes. Und gleichzeitig haben wir viele andere Probleme zu bewältigen: unseren Alltag, die Auswirkungen der Krisen, das frostige Klima der Desolidarisierung und nicht zuletzt Konflikte in anderen Ländern, die in Gewalt eskalieren und auch bei uns das Geschrei nach Aufrüstung und Krieg befeuern. Gleichzeitig sollen wir unsere Arbeit machen, für deren Lohn wir immer weniger kaufen können. Und gleichzeitig sollen wir fröhlich bleiben. Es ist ein bisschen viel, was da von uns verlangt wird.
Es hilft nichts, wir müssen uns immer öfter zurückziehen. Rundum höre ich von Menschen, die Nachrichten und soziale Medien zumindest für gewisse Zeiträume meiden, sich in kleine Privat- oder Familienbereiche zurückziehen, Hobbys nachgehen, mit einem Wort: kleine heile Welten schaffen. Eltern, die Kinder großziehen, können diesen den Pessimismus und den Wahnsinn unserer Zeit nicht einfach an den Kopf werfen. Kinder brauchen Geborgenheit, Vertrauen und sie können nur behutsam mit einer Welt konfrontiert werden, in der Bösartigkeit, Gewalt und Morden an der Tagesordnung stehen. Und wie ein Kind sehnt sich auch jeder Erwachsene nach einer heilen Welt.
Soziale Medien – nur eine scheinbare Demokratisierung von Diskursen
Es bleibt uns nichts anderes über als die Fragen unserer Zeit durch Analyse in kleinere Teile zu zerlegen und zu bearbeiten. Darin mag jede und jeder andere Methoden benutzen, andere Vorbilder und Autorinnen und Autoren konsultieren. Es ist ein wichtiger Grundsatz unserer Zeit, dass Lagerdenken gleichzeitig wichtig und unwichtig ist. Was meine ich damit? Menschen mit demokratischer Gesinnung können und sollen mit Menschen aus anderen politischen Lagern Meinungsverschiedenheiten austragen. Wo es aber um Demokratie geht, müssen sie zusammenstehen. Abgrenzen müssen sich beide hingegen von den Gegnern der Demokratie. In den Medien ist das nicht der Fall, denn gerade die Gegner der Demokratie sind dort chronisch überrepräsentiert, werden in Meinungsumfragen immer zu hoch bewertet und sie einzuladen und zu hofieren gilt allerorten als besonders liberal und egalitär, wo es in Wahrheit nur populistisch ist und auf Quoten schielt. Der Populist oder der Rechtsextreme auf dem Zeitschriftencover – seit Jahrzehnten gilt er als verkaufsfördernd.
Zum Glück sind zumindest die Zeiten der unkritischen Konsumation sozialer Medien vorbei. Die kritischen Aspekte dieses Phänomens werden heute deutlicher gesehen: die Zeitverschwendung bei der Konsumation, die Lenkung vermeintlicher Diskurse durch ihre Betreiber, ihre Gestaltung, die nicht – wie lange vermutet – demokratisch diskursiv, sondern autoritär manipulativ ist. Viele Menschen haben erkannt, dass das, was einst als der Erfindung des Buchdrucks gleichzusetzende Revolutionierung der Kommunikation galt – nämlich das Web 2.0 –, ein Medium ist, das in der Hand einiger Weniger oder sogar Einzelner in manipulativer, propagandistischer Absicht verwendet wird, während es die Demokratisierung von Diskursen vortäuscht und sogar oft selbst die Einflussnahme darauf zum Verkauf anbietet.
Kein Versprechen hat gehalten
So viel ist klar: Wir müssen woanders hin. Im engeren Kreis müssen wir wieder toleranter werden, das ständige Sich-Abgrenzen auf Grund von Detailfragen aufgeben. Im Großen aber, im Dienst der solidarischen und demokratischen Gesinnung, müssen wir klarer und dezidierter abgrenzen.
Der heutige Spitzenkandidat der FPÖ ist der langjährige Adlatus seiner Vorgänger Jörg Haider und H. C. Strache. Die Regierungsbeteiligungen der FPÖ unter ihrem Parteivorsitz sind kläglich gescheitert. In einer solchen gescheiterten Regierung war Herbert Kickl Minister. Als solcher hat er im Ministerrat die erste Arbeitszeitverlängerung nach hundert Jahren mitbeschlossen. Er ist also gegen das Volk, das er so gerne plakatiert. Seine Partei hat uns vor der Wahl 2017 auch eine Volksabstimmung über CETA, die Ablehnung von Sicherheitspaket und Bundestrojaner, die Einführung der direkten Demokratie und vieles mehr versprochen. Dann hat die FPÖ CETA ratifiziert, das Sicherheitspaket umgesetzt und von direkter Demokratie war keine Rede. Kein Versprechen hat gehalten.
Der Ruf nach Überwachung
Ihm gleich an Populismus tut es die ÖVP, die nicht mehr in ihre demokratischen Fußstapfen zu finden scheint. Angesicht des Chaos und der Lächerlichkeit des von ihr seit langem geführten Innenressorts, ist ihr Ruf nach Überwachung und Sicherheit ein Witz. Ihr früherer Innenminister – heute Kanzler – hätte einen Terroristen, vor dem der Geheimdienst eines anderen Landes Österreich gewarnt hat, vor seinem Anschlag stoppen können. Er tat es nicht. Stattdessen war er tatkräftig genug, Kinder, die bestens integriert waren und Deutsch sprachen, in der Nacht von einer Überzahl von Polizisten außer Landes fliegen zu lassen.
Die Schwäche der demokratiefeindlichen Parteien, die mit dem Ruf nach Sicherheit, die sie ohnehin nicht gewährleisten, nur ihr Versagen in finanz- und sozialpolitischen Fragen übertünchen, ist augenscheinlich. Eine abgesicherte Demokratie beginnt mit dem Bekenntnis zu ihr und nicht mit dem Ruf nach einer »Änderung der Menschenrechtskonvention« oder der Einführung verfassungswidriger Gesetze wie zu der sogenannten »Sicherungshaft«.
Wie sollen wir das schaffen?
Um Demokratie scheinen wir uns aber täglich bemühen zu müssen. Wir bemerken, dass wir sie immer als selbstverständlich vorausgesetzt haben. Sie ist es nicht. Das erzeugt Stress. Die autoritäre Transformation unseres Landes können wir verhindern – bei den Wahlen. Dass die autoritäre Transformation in vielen westlichen Demokratien im Gange ist und Österreich nicht so einzigartig ist, wie es immer glaubt, ist leider auch Realität.
Es gilt also fröhlich zu bleiben, zu kämpfen und sich lesend darauf zu besinnen, dass es in der Geschichte immer wieder ähnliche Situationen gab. 1938 schrieb Leo Trotzki:
»Die Produktivkräfte der Menschheit haben aufgehört zu wachsen. Neue Erfindungen und technische Neuerungen vermögen bereits nicht mehr zu einer Hebung des materiellen Wohlstands beizutragen. Unter den Bedingungen der sozialen Krise des gesamten kapitalistischen Systems bürden Konjunkturkrisen den Massen immer größere Entbehrungen und Leiden auf.« Heute erleben wir Teuerungen, die uns niemand erklären kann. Doch anscheinend lassen die Menschen diese Mehrbelastungen ohne Protest über sich ergehen. Das wird nicht immer so weitergehen. Dagegen kämpfen und gleichzeitig fröhlich bleiben – wie sollen wir das alles schaffen?
Titelbild: Miriam Moné