Samstag, Juli 27, 2024

FPÖ-Finanzaffäre: Frühere Kickl-Agentur mischte bei Graz-Wahl mit

Die Agentur Signs – ehemals Ideenschmiede – werkte für die Freiheitlichen auch im Grazer Gemeinderatswahlkampf 2021 und entwarf umstrittene Plakate. Wie die Leistungen damals verrechnet wurden, ist unklar.

Thomas Sila kommt nicht. Der FPÖ-nahe Werber hätte heute im U-Ausschuss zum “rot-blauen Machtmissbrauch” als Auskunftsperson erscheinen sollen. Doch der Kärntner Unternehmer und alte Freund Herbert Kickls sagte gestern kurzfristig “wegen Krankheit” ab.

Silas frühere Firma Ideenschmiede, die sich seit 2015 Signs nennt, wurde einst durch illegal abgewickelte Aufträge des Landes Kärnten (damals BZÖ bzw. FPK-regiert) bekannt. Über sogenannte “Kick-Back-Zahlungen” flossen öffentliche Gelder erst an die Werbefirma und dann teils an die Partei. Der freiheitliche Landesrat Uwe Scheuch wurde dafür verurteilt; Sila kam mit einer Diversion davon. Im laufenden U-Ausschuss sorgt die Ideenschmiede bzw. Signs nun wieder für Aufregung. Es existieren nämlich Verträge aus den 2000ern, die Kickl als Geschäftspartner Silas in dessen Agentur outen. Laut dem FPÖ-Chef seien die Verträge aber später mündlich gekündigt bzw. nie wirksam geworden.

Wie umtriebig Silas Agentur seit vielen Jahren in den blauen Sphären werkt, zeigt ein weiteres, bislang nicht bekanntes Beispiel: Nach ZackZack-Recherchen war Signs nämlich auch im Grazer Gemeinderatswahlkampf 2021 tätig – also ausgerechnet vor jener Wahl, die für die FPÖ mit enormen Stimmenverlusten, Auflösung des Gemeinderatsklubs sowie dem Aufkommen eines gewaltigen Finanzskandal endete. Seit Ende 2021 ermittelt die Staatsanwaltschaft bekanntlich wegen Untreue von möglichen 1,8 Millionen Euro FPÖ-Klubgeldern. Beschuldigt sind etwa der Ex-Klubobmann Armin Sippel und der frühere Vizebürgermeister Mario Eustacchio, welcher vergangene Woche trotz der Vorwürfe in den Gemeinderat zurückkehrte.

Anti-Flüchtlingskampagne aus der “Signs”-Feder

Für Eustacchios Wahlkampf kam Silas Agentur spätestens ab Februar 2021 in die Ziehung: ZackZack liegt eine damalige Einladung der Stadtpartei für einen Termin im Büro Mario Eustacchios vor. Neben einer zweiten Agentur aus Kärnten war auch Signs bzw. Thomas Sila geladen; man besprach den Fahrplan für die Wahl am 26. September.

Einer, der bei dem Meeting dabei war, sagte später gegenüber den Ermittlungsbehörden, dass die ursprünglich engagierte Agentur nicht ausreichte, weil sie kein Know-How im Bereich Grafik hatte. “Für den Wahlkampf musste daher eine zweite Agentur dazugebucht werden. Diese zweite Agentur war bzw. ist die Stammagentur der FPÖ-Steiermark wenn es um Facebook und Grafiken aller Art geht.” Während für die erste Firma 160.000 Euro geflossen seien, sollen weitere 40.000 an die steirische “Stammagentur” Signs gegangen sein: “In Summe wurden daher am Ende des Tages mit hoher Wahrscheinlichkeit über 200.000€ für Agenturen ausgegeben und das im Zeitraum von nur einem Jahr”, so der Zeuge.

Umstrittene Sujets der FPÖ Graz, entworfen von Thomas Sila. Quelle: NEOS Graz

Silas Arbeit wurde dann spätestens im September sichtbar – und sorgte für Empörung. In der kurz vor der Wahl präsentierten Plakatserie stach ein Sujet besonders heraus: “Graz ist nicht eure Heimat” stand in großen Lettern auf einem in schwarz-weiß verfremdeten Foto, das eine Gruppe von Männern – augenscheinlich Flüchtlinge – zeigte. Die Reaktionen fielen heftig aus: Grüne und Neos nannten die Plakate “menschenverachtend”, die Pinken merkten an, dass der Fotograf des Bildes womöglich in seinen Urheberrechten verletzt wurde. Auch mehrere Anzeigen gingen ein, zu Ermittlungen kam es aber nicht. Dass hinter der Kampagne Signs steckte, war bislang nicht bekannt.

Auf weiteren Plakaten aus der Serie thematisierte man Tierschutz und Corona bzw. die Impfung dagegen. Dass die Grafiken aus der Feder von Thomas Sila stammten belegen ZackZack vorliegende Mails aus dieser Zeit. Wie eng Sila damals mit den Blauen werkte, zeigt auch eine vorliegende Mitgliederliste: Demnach trat der Werber Anfang 2022 sogar in die steirische Landespartei ein, als Anschrift gab er die Grazer Geschäftsstelle der Partei an.

Mail an Thomas “Tom” Sila vom September 2021.

Wahlkampffinanzierung im Zwielicht

Viel gebracht haben die Sujets und die Aufträge an zwei Agenturen am Ende nicht: Die FPÖ verlor bei der Wahl über 5 Prozent, Graz driftete nach links, die KPÖ eroberte den Bürgermeisterinnen-Sessel. Es kam zu internen Streitereien, Selbstanzeigen und weitreichenden Ermittlungen hinsichtlich der Klubgelder. Die Behörden durchleuchten seither die Finanzen der Partei von 2014 bis 2021.

Dass auch die Ausgaben für die Graz-Wahl Fragen aufwerfen zeigte sich bald: Anfang 2022 wurde bekannt, dass die FPÖ eine auferlegte Kostenobergrenze von 400.000 Euro um 37.000 überschritt. Nach einer Neugründung des Klubs “Korruptionsfreier Gemeinderatsklub” thematisierten die Ex-FPÖler immer wieder angeblichen Missbrauch von Geldern im Zuge des Wahlkampfes. Zahlungen in Höhe von 118.000 Euro seien 2021 widerrechtlich vom Klub zur Partei verschoben worden, meinte Gemeinderätin Claudia Schönbacher bereits Ende 2022. Zuletzt bestätigte im März der Bundesrechnungshof den Verdacht, dass beim Grazer Wahlkampf 2021 gegen das Parteiengesetz verstoßen wurde.

Grund genug also, auch bei den damaligen Leistungen von Signs kritisch nachzufragen. Doch sowohl Mario Eustacchio, als auch Signs und Thomas Sila lassen eine Anfrage von ZackZack, wie die Aufträge von 2021 abgerechnet wurden, unbeantwortet. Schweigen wird Sila auch gegenüber dem U-Ausschuss, er sagte sein Kommen gestern kurzfristig ab. Sein alter Freund Herbert Kickl verweigerte bereits letzte Woche seine Ladung – er macht indessen eine Bergtour.


Titelbild: APA/Ingrid Kornberger, FPÖ Graz, ZackZack-Collage

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