Freitag, Juli 5, 2024

Studie zeigt: Kickl macht unglücklich

Wer Rechtsextremen in die Fänge gerät, dessen persönliche Lebenszufriedenheit nimmt rasant ab.

In Deutschland haben Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin in einer umfassenden Studie etwas herausgefunden, was man salopp so zusammenfassen kann: Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien machen unglücklich. Und besonders unglücklich machen sie ihre eigenen Anhänger.

Was die Studie aussagen könnte

Wollen wir uns kurz etwas genauer der Studie widmen. Dass Wähler von rechten Parteien oder von Protestparteien „unglücklich“ sind oder ein eher negatives „persönliches Wohlbefinden“ äußern (also: sich mies fühlen) heißt ja noch lange nicht, dass diese Parteien sie unglücklich machen. Man könnte die Kausalität ja auch anders herum sehen: Weil die Menschen am politischen System frustriert sind, weil sie selbst beispielsweise in einer ökonomisch marginalisierten Situation sind, weil sie arm sind, weil sie unter Druck stehen, weil sie es nicht leicht im Leben haben – deswegen haben sie ein verständliches persönliches Unglücksempfinden. Und wegen all dieser Umstände wählen sie dann die Rechtsparteien. Dann wären diese Parteien der authentische Ausdruck einer berechtigten Unzufriedenheit. Daran wäre nichts problematisch. Im Gegenteil: Das wäre dann sogar wichtig für die Demokratie, dass Unzufriedenheit seine Artikulationsmöglichkeit findet. Parteien, welche auch immer, die mehrheitlich etwa die Verlierer der sozialen Wandels und die ökonomisch Unterprivilegierten sammeln, hätten dann logischerweise eine „unglücklichere“ Wählerschaft.

Man könnte auch noch eine „weichere“ Form der Kausalität für möglich halten: Wer in einer Demokratie Oppositionsparteien anhängt, die in einer Minderheitenposition sind, ist logischerweise unzufriedener mit dem Funktionieren des politischen Systems, als jemand, der sich der dominanten Mehrheit zuzählt. Schließlich kann letzterer ja zufrieden damit sein, wie es läuft, ersterer eher nicht.

F-R-F‘: Frust – Rechtsextremismus – Mehr Frust  

Das wussten die Forscherinnen und Forscher natürlich auch, und haben ihre Methode angepasst. Sie haben sich in vielen Tiefeninterviews angesehen, wie sich Personen verändern, sobald sie zu Wählern oder Anhängern von Rechtsextremen werden, in dem Fall ganz konkret: der deutschen AfD. Sie haben also nicht untersucht: Wie unzufrieden bist du im Vergleich mit anderen Personen? Sondern: Wie unzufrieden bist du im Vergleich mit Dir selbst, bevor Du Rechtsextremisten-Anhänger wurdest? In der Studie wird ein kausaler Zusammenhang belegt, nämlich, dass neue Wähler der AfD „eine Verschlechterung des Wohlbefindens aufweisen“. Übrigens sind AfD-Anhänger beispielsweise nicht ärmer als die Anhänger anderer Parteien. Aber es gibt einen stabilen „Zusammenhang zwischen der Unterstützung der AfD und dem Gefühl der Deprivation“. Unzufriedenheit geht gewiss der Entwicklung zum AfD-Unterstützer voraus, aber das verbessert ihr Wohlbefinden nicht. Im Gegenteil – die persönliche Unzufriedenheit steigt.

Seltsamerweise verschwinden die negativen Effekte auf die Lebenszufriedenheit, wenn die Wähler dann eine volle Identität als rechtsextreme Anhänger annehmen. Warum? Einerseits wohl, weil es von einem bestimmten Grad des Negativismus nicht mehr bergab gehen kann, andererseits vielleicht auch, weil dann „Gemeinschaftsgefühl“-Effekte dazu kommen, die das wieder ausgleichen. Faktum ist aber, dass Anhänger rechtsextremer Bewegungen „einen Rückgang des Wohlbefindens aufgrund der negativen Rhetorik der von ihnen gewählten Partei“ erleben. Kurzum: Höcke, Kickl und Co. machen unglücklich, und das vor allem die eigenen Anhänger.

Der „Spiegel“ zitiert die Forscherinnen wie folgt: „Rechtsextreme Bewegungen leben von einer Rhetorik der Negativität und überschwemmen ihre Anhänger mit negativ formulierten Themen und Nachrichten“, sagt Maja Adena, Co-Autorin der Studie. Angst und Pessimismus zu verbreiten, wird zum Kalkül der politischen Kommunikation. Die Anhängerinnen und Anhänger der AfD würden mit negativen Botschaften regelrecht „infiziert“.

Bombardement mit Negativität

Jetzt können Sie natürlich mit Recht anmerken: Da hätte man keine große sozialpsychologische Studie dafür gebraucht. Rechtsextremisten wie Höcke, Kickl und ihre Parteien leben davon, Gereiztheit und Wut zu schüren. Der Zorn ist ihr Brennstoff. Jedes reale Problem muss ins Groteske übertrieben werden. Wo keines ist, müssen fürchterliche Gefahren erfunden werden. Probleme dürfen auch nicht einfach so bestehen, als Folgen komplexer gesellschaftlicher Prozesse, es müssen immer auch böswillige, fiese Akteure („die Eliten“, „die Globalisten“, „die Muslime“, „die Juden“) dahinterstehen, die einerseits mächtig sind, und es andererseits darauf abgesehen haben, die arglosen normalen Menschen zu unterdrücken.

Der „neue Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (Jürgen Habermas), also die Brandbeschleuniger in den sozialen Medien, spielen dabei eine entscheidende Rolle, gemeinsam mit den Algorithmen, die alles noch schlimmer machen. Menschen werden von der rechtsextremen Propaganda stündlich, ja: minütlich mit negativen Botschaften bombardiert, die ihre Wut steigern sollen, und sobald sie stabil in das Fahrwasser rechtsextremer „Unglücksparteien“ kommen und in deren Fänge geraten, sorgt der Algorithmus dafür, dass sie nur mehr diese negativen Botschaften erhalten. Sie sind einer Gehirnwäsche ausgesetzt, die ihre Empörung stets neu nähren und verstärken soll. Denn das führt zu Wählerstimmen der extremen Rechten, macht diese also „glücklich“, weil damit ihre Ämter und ihr gut bezahltes Bonzentum verbunden ist.

Das persönliche Glück und Wohlbefinden von Kickl, Höcke, Hafenecker, Schnedlitz und wie sie alle heißen mögen, hat also das persönliche Unglücksempfinden ihrer Wähler zur Voraussetzung. Das Unglück ihrer Anhänger ist das Glück der rechten Bonzen. So einfach ist das.

Rechtsextremisten: Ihr Unglück ist unser Glück!

Polarisierungsunternehmer im Umfeld der Rechtsextremisten sind wesentliche Akteure in dem Spiel, etwa der hergebrachte Boulevard, wenn er sich etwas von der Machtergreifung der Rechten verspricht, wie etwa ein besseres Geschäftsumfeld, eingestellte Gerichtsverfahren, oder einfach Klicks im Online-Geschäft: Die Berichterstattung wird dann etwa auf empörende Gewaltverbrechen beschränkt, vor allem, wenn sie von Migranten begangen wird. Erschlägt ein einheimischer Rentner seine Frau, ist es eine „Familientragödie“, die es nur zu einer kleinen Notiz bringt, während jeder Messerstich von Asylbewerbern mit oberflächlicher Schnittverletzung eine gellende Schlagzeile wird.

Die Strategie dahinter ist klar: Den Menschen soll eine ständige Bedrohung vorgegaukelt werden, der Zusammenbruch der friedlichen öffentlichen Ordnung. Grotesk: Die erfolgreichsten, wohlverwaltetsten und pazifiertesten Gesellschaften der Weltgeschichte werden in der durchgedrehten Propaganda als Failed States gezeichnet, in denen gar nichts mehr funktioniert und alles zusammenbricht. Wien-Favoriten quasi als inneres Somalia. Die Absicht kennt man aus der Geschichte. Denn wir wissen aus vielen Beispielen, dass Menschen autoritäre Anführer und Faschisten meist nicht deshalb an die Macht bringen, weil die Menschen selbst Faschisten sind, die den Rechtsstaat und die Pluralität abschaffen wollen. Sondern weil ihnen eine Art von fatalistischer Abwägung vorgegaukelt wird, also dass man die Abschaffung von Demokratie und Menschenrechte hinnehmen müsse, um Sicherheit garantieren zu können.

Negativismus-Unternehmer

Der Weg in den Abgrund ist mit einem fabrizierten Unglücksgefühl gepflastert, in das die Rechtsextremisten ihre Anhänger hineinmanipulieren müssen. Negativismus, Depression, das Unglück ihrer Fans nehmen sie dabei gerne in Kauf. Denn die sind ja für sie bloß zujubelndes Menschenmaterial, nützliche Idioten, denen gegenüber man ein zynisches Verhältnis hat. Je unglücklicher sie sind, umso besser.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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