Ein Cartoon, der vor einem halben Jahr auf ZackZack erschienen ist, sorgt für Aufregung. Ich verstehe sie, in jeder Hinsicht.
Der eine Satz stand am Eingang zum KZ: „Arbeit macht frei“. Der andere stammt von Karl Nehammer: „Arbeit bringt Freiheit“. Unser Cartoonist Othmar Wicke hat Nehammers Satz vor einem halben Jahr in den Rahmen der Toraufschrift, wie sie über den Eingängen zu den Lagern stand, gesetzt. Nehammer hat aber etwas anderes gesagt: „Arbeit bringt eben Freiheit, auch in der Gestaltung des eigenen Lebens und schafft Unabhängigkeit von Abhängigkeit.“
Othmar selbst hat den Cartoon so wie wir von unserer Seite sofort von seinem persönlichen Twitter-Account genommen, vor allem, um jede Gefahr einer Verletzung von Opfern des Holocausts und ihren Angehörigen zu vermeiden.
Mit der Karikatur haben wir Nehammer Unrecht getan. Das tut mir leid.
Google irrt mit
Allerdings ist das nicht nur Othmar Wicke passiert. Wer „Arbeit bringt Freiheit“ googelt, erhält mehr als neun Millionen Treffer. Der erste steht bei „Wikipedia“: „Arbeit macht frei“.
Der größten Suchmaschine geht es nicht anders als Othmar Wicke: Sie kommt vom Nehammer-Zitat direkt zur Toraufschrift. Auf Twitter haben die meisten Othmar recht gegeben und damit spontan reagiert wie unser Cartoonist.
Das ist kein Beweis für eine politische Absicht. Die hat es in diesem Fall sicherlich nicht gegeben. Das ist ein Hinweis, dass Nehammers Zitat zu Missverständnissen führt, weil es missverständlich ist.
Wie ist es möglich, dass ein Kanzler mit mehr als hundert bezahlten PR-Mitarbeitern derart missverständlich formuliert? Die plausibelste Erklärung lautet für mich: Wie vieles ist das Nehammer einfach passiert, ohne böse Absicht, aber offensichtlich auch ohne das notwendige Gefühl, das ihm geholfen hätte, das Missverständnis zu vermeiden.
Kulturkampf
Dazu kommt etwas weit Wichtigeres: Nach der FPÖ hat sich auch die ÖVP entschieden, Politik als Kulturkampf zu inszenieren. Vom Schnitzel über das Genderverbot bis zur „Leitkultur“ hat sie dabei einen weiten Weg in kurzer Zeit zurückgelegt. Immer öfter bewegt sich die ÖVP dabei auf den Spuren der FPÖ und erstmals, wie beim Begriff „Leitkultur“, von AfD und Identitären.
Dahinter steckt kein Missverständnis, sondern ein politischer Plan. „Leitkultur“ bezweckt nichts anderes, als „die Unsrigen“ gegen „die Anderen“ zu mobilisieren. Wer tubablasend einen Maibaum aufstellt und danach zum Schnitzel greift, gehört zu “uns”. Wer beim Döner die Musik der Heimat seiner Eltern hört, muss bei der Arbeit glänzen und jahrelang auf einen Teil der Sozialleistungen verzichten – sonst „raus mit ihm“. Die Frau am Herd ist „unsrig“, die Frau, die auf Gendern besteht, nicht.
Der Kulturkampf soll Menschen dazu bringen, dass sie sich gegen sich selbst entscheiden. Sie sollen gemeinsam mit den Reichsten gegen Vermögenssteuern, gegen gedeckelte Mieten und faire Energiepreise und dafür gegen Ausländer und auf sonstige Art „Andere“ kämpfen. Von der „Leitkultur“ ist es nur noch ein Schritt zum alten „Volk“. Die FPÖ hat ihn mit ihrem „Volkskanzler“ längst gesetzt.
Die Entscheidung für den Kulturkampf ist nicht einfach „passiert“. Sebastian Kurz hat ganz bewusst die Weichen von einer christdemokratischen Volkspartei zu einer rechtspopulistischen Staatspartei gestellt. Nehammer geht auf der Kurz-Route einfach weiter, Richtung FPÖ und dem gemeinsamen Rechtsblock nach der nächsten Wahl. Das ist jetzt seine Verantwortung, da gibt es keine Missverständnisse.
Distanzierung
Der Anlassfall für das alles war bekanntlich eine Erklärung von Sepp Schellhorn. Er distanzierte sich von dem Cartoon und damit „voll von der heutigen Verharmlosung vom Holocaust“. Othmar hat eine Passage einer Rede falsch zitiert. Wer ihn kennt, kann ihm niemals „Verharmlosung vom Holocaust“ unterstellen.
Es wäre einfacher gewesen, wenn mich Sepp angerufen und gefragt hätte „Peter, was machst du?“ Ich hätte ihm alles erklärt. Wenn er sich trotzdem von „ZackZack“ zurückgezogen hätte, wäre das für uns beide kein Problem gewesen, und Sepp hätte sich wieder den vielen Projekten im Tourismus, in denen er zeigt, wie man es besser, ökologischer und menschlicher machen kann, gewidmet.
So hat er uns die Möglichkeit einer Klärung gegeben. Das ist letztlich auch gut.