Mittwoch, Dezember 11, 2024

Zadic und der Kreutner-Bericht: in der Kuhhandelsrunde

Während die letzten Kuhhändel zwischen ÖVP und Grünen laufen, entscheidet das Justizministerium über den Kreutner-Bericht.

Der Kreutner-Bericht ist überfällig. Bei der Präsentation am letzten Montag war sich der Vorsitzende der Kommission sicher, dass der Bericht in „zwei, drei Tagen“ vom Justizministerium online gestellt werde. Das würde auch deshalb so schnell gehen, weil nichts geändert würde.

Schon vor der Pressekonferenz wunderten sich einige, als bei ihnen das Telefon läutete und eine sorgenvolle Ministerin fragte, ob man schon wisse, was „drinnensteht“. Die Kommission hatte dichtgehalten, gegenüber Journalisten und dem Ressort, dem sie auf die Finger schauen sollte.

Eines war Martin Kreutner besonders wichtig: dass die Kommission selbst für ihren Bericht verantwortlich blieb. Ausgesuchte Juristinnen und Juristen von der Präsidentin des Landesgerichts Feldkirch und dem Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs bis zum Präsidenten des Bayrischen Verfassungsgerichtshof und zum Universitätsprofessor für Strafrecht kontrollierten jede Zeile, auch, um dem Ministerium klarzumachen, dass man die Verantwortung für den Bericht selbst trägt.

Hochdruck-Prüfung

Jetzt ist eine Woche vergangen. Nicht nur Neos und FPÖ fragen, was los ist. Gestern ließ das Justizministerium bekanntgeben, der Bericht werde „unter Hochdruck auf die Einhaltung aller geltenden gesetzlichen Vorgaben geprüft“. Jetzt passiert genau das, was die Kommission vermeiden wollte: dass sich das System, über das sie berichtet, den Bericht selbst vornimmt.

Die Ankündigung des Ministeriums klingt wenig vertrauenerweckend: „Sobald diese notwendige rechtliche Prüfung abgeschlossen sei, werde eine zur Veröffentlichung geeignete Version vorliegen und öffentlich gemacht“. Diese Prüfung war Teil der Aufgabe der Kommission. Ihre Mitglieder haben nach ihrer eigenen rechtlichen Prüfung dem Justizministerium zwei Versionen des Berichts vorgelegt: eine ungeschwärzte für den internen Gebrauch; und eine geschwärzte für die Veröffentlichung.

Die Stärke der Kommission lag gerade darin, dass niemand ihren Bericht zensuriert. Die Stärke des Systems im Ministerium liegt darin, dass es sich darum nicht schert. Alma Zadic hat offensichtlich nicht vor, ihren Apparat vom Bericht fernzuhalten. Aber warum?

Schlagring statt Handschuh

Natürlich hat die ÖVP mit dem Bericht keine Freude. Doch die Grünen haben keinen Grund, jetzt, wo die Koalition de facto beendet ist und die ÖVP mit einer Strafanzeige gegen die grüne Umweltministerin Handschuhe gegen Schlagring getauscht hat, Rücksicht auf den baldigen Ex-Partner zu nehmen.

Oder doch? Eines steht jedenfalls fest: Der Bericht dürfte gerade für Alma Zadic zur falschen Zeit gekommen sein. Grüne und ÖVP tragen ihren letzten großen Streit aus. Im Finale ihrer Koalition geht es nicht um Politik, sondern um Posten. Zum ersten Mal streitet die Regierung über faire Verteilung: Wer bekommt was?

Wie früher werden die Ämter untereinander verteilt. Meistens sitzen die, die später als die Besten für die Posten präsentiert werden, mit am Tisch. Magnus Brunner und Karoline Edtstadler haben ihre Suche, wer in Österreich am besten „Kommissar“ kann, erfolgreich abgeschlossen: sie selbst, wer sonst? Alma Zadic war als Richterin am EuGH gesetzt. Aber der Posten scheint doch nicht frei zu werden. Ihren nächsten Karriereschritt wollte Zadic rechtzeitig vor dem Ende ihrer Ministerschaft planen. Die Kuhhandelsrunde zwischen den Regierungsparteien ist möglicherweise ihre letzte Chance.

Ochs und Kuh

Grüne und ÖVP stehen wie in einer Viehversteigerungshalle und lassen sich eine Kuh nach der anderen vorführen. „Den Kommissarochsen nimm ich!“ – „Nein, erst krieg ich meine Gerichtskuh!“ ÖVP und Grüne wissen, was sie wollen. Aber im Gegensatz zur ÖVP geht den Grünen das Personal für Spitzenpositionen schnell aus, vielleicht auch, weil sie auf Mindestqualifikationen Wert legen.

Plötzlich wird verständlich, was bisher keiner verstanden hat. Warum war Zadic bereit, das Recht zur Auswertung von Handys von der WKStA zum türkis beherrschten und familiär verlässlichen Bundeskriminalamt zu verschieben? Warum wollte die Justizministerin in ihren letzten Monaten die WKStA schwächen und die „Zwei Klassen-Justiz“, die die Kreutner-Kommission ins Visier nimmt, stärken? Wenn das „Part oft he Game“ war, was war das Spiel?

Zadic hat nur eine Möglichkeit, aufkeimenden Verdacht zu zerstreuen: Sie muss dafür sorgen, dass der Kreutner-Bericht sofort und unzensuriert veröffentlicht wird. Die Alternative scheint klar: eine parlamentarische Untersuchung der Befunde der Kommission – und des Umgangs mit ihrem Bericht.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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