Mittwoch, Juni 26, 2024

Spesen-Affäre: Harald Vilimskys Stress mit der Strafjustiz

Der FPÖ-Spitzenkandidat gehört im EU-Parlament einem exklusiven Klub an: Er ist einer von 30 Abgeordneten, die seit 2019 ihre Immunität verloren haben, weil sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein sollen.

Am 7. Mai 2021 erreichte das EU-Parlament ein Schreiben der Wiener Staatsanwaltschaft. Die Behörde beantragte darin offiziell die Aufhebung der Immunität des österreichischen EU-Abgeordneten Harald Vilimsky, um strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn einleiten zu können. Der Grund: Gegen den FPÖ-Delegationsleiter besteht der Vorwurf der Untreue, der Veruntreuung als Beteiligter und des Förderungsmissbrauches.

Das Parlament kam dem Wunsch der österreichischen Justiz im November 2021 nach. Vilimskys Immunität wurde im Ausschuss mit 21 zu 4 Stimmen aufgehoben – ein eindeutiges Ergebnis und ein Alleinstellungsmerkmal des FPÖ-Delegationsleiters: Er ist derzeit der einzige österreichische EU-Abgeordnete, dessen parlamentarischer Schutz aberkannt wurde und der einzige Spitzenkandidat, der als Beschuldigter ein laufendes Ermittlungsverfahren am Hals hat.

30 EU-Abgeordnete verloren Immunität – Vilimsky ist einer davon

Dass ein EU-Parlamentarier seine Immunität verliert, passiert nicht jeden Tag. Laut der Datenbank “ParlTrack”, die Dokumente und Statistiken zur EU sammelt, gab es in der nun auslaufenden Legislaturperiode seit Mai 2019 insgesamt 58 Fälle, in denen die parlamentarische Immunität behandelt wurde. ZackZack hat die Daten noch genauer ausgewertet: Konkret aberkannt wurde demnach der parlamentarische Schutz von letztlich 30 Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Bei insgesamt 705 Abgeordneten entspricht das rund 4 Prozent aller Mandatare – Vilimsky gehört also einem recht exklusiven Klub an, wenn auch im negativen Sinn.

Die ZackZack-Auswertung ergab zudem, dass Vilimskys rechte Fraktion “Identität und Demokratie” (ID) von den Aufhebungen am meisten betroffen ist – und das, obwohl die ID zahlenmäßig mit 64 Abgeordneten nur fünftgrößte Fraktion ist. So gab es seit 2019 gegen 7 Abgeordnete Aufhebungen, die zum Zeitpunkt des Antrages der ID angehörten. Bei der konservativen EVP waren es 5 Personen, bei der sozialdemokratischen S&D ebenfalls 5 Personen; 5 weitere gehörten der rechtskonservativen ECR an, 2 der liberalen “Renew Europe”, eine Person der linken GUE/NGL, 5 sind fraktionslos.

Ausgelieferte EU-Parlamentarier nach Fraktionen seit der Legislaturperiode 2019. Quelle: ParlTrack/ZackZack-Berechnung
Fraktionen im EU-Parlament. Quelle: europarl.europa.e

Vilimsky soll FPÖ-Vermögen “geschädigt” haben

Inhaltlich geht es in Vilimskys Verfahren um die sogenannte Spesen-Affäre, die 2019 auf die Ibiza-Affäre folgte. Nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache als FPÖ-Chef tauchten Vorwürfe auf, dass dieser während seiner Obmannschaft jahrelang seine eigene Partei finanziell geschädigt haben soll. Strache soll Privatausgaben (darunter Lebensmittel, Gaming-Apps bis hinzu Hundefutter) auf Kosten der FPÖ Wien verrechnet haben. Die Summe belief sich laut “Kronen Zeitung” mit Ermittlungsstand 2020 auf über eine halbe Million Euro. Strache bestritt die Vorwürfe stets, wird aber von ehemaligen Mitarbeitern belastet.

Bald zog die Spesen-Affäre größere Kreise innerhalb der Partei. Auch der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp wurde Beschuldigter – und eben auch Harald Vilimsky. Zu ihm hielt das EU-Parlament in seiner Entscheidung vom November 2021 folgende “Erwägungen” fest – etwa,

“dass Harald Vilimsky vom 1. Oktober 2011 bis zum 13. August 2019 seine Verfügungsbefugnis über Bankkonten des Freiheitlichen Parlamentsklubs im Nationalrat der Republik Österreich missbraucht haben soll, indem er die Bezahlung von Rechnungen mittels regelmäßiger Überweisungen vom Konto des Freiheitlichen Parlamentsklubs im Nationalrat für rein privat genutzte Mobilfunkdienstleistungen veranlasste, wodurch der Freiheitliche Parlamentsklub im Nationalrat am Vermögen geschädigt wurde.”

Sowie, “dass er den dem Freiheitlichen Parlamentsklub im Nationalrat gewährten Kostenbeitrag für Zwecke eingesetzt haben soll, die über die in Paragraph 1 des österreichischen Klubfinanzierungsgesetzes 1985 (KlubFG) definierten Zwecke hinausgehen, und in der Erwägung, dass er gewusst haben soll, dass es sich um Leistungen parteifremden Charakters handelte.

Gemäß der Entscheidung sei Vilimsky als “Finanzreferent des Freiheitlichen Parlamentsklubs” von 2006 bis 2019 zuständig gewesen.

Erinnerungen an “Champagner-Gate”

Fördermissbrauch, die rechte EU-Fraktion und Vilimsky – diese Konstellation gab es in der Vergangenheit schon einmal auf ähnliche Weise: 2016 hatte der Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments aufgedeckt, dass Vilimskys Fraktion – er war zu dieser Zeit ihr Vizechef – Fördergelder der EU missbräuchlich verwendete. Ausgaben wie teure Essen, Weihnachtsgeschenke und insgesamt 228 Flaschen Champagner führten dazu, dass die Prüfer insgesamt 427.000 Euro beanstandeten. Vilimsky erklärte damals, dass Fraktionsmitarbeiter aus Frankreich die überbordenden Kosten verursacht hätten.

Bezüglich der laufenden Spesen-Affäre fragte ZackZack bei der FPÖ-Pressestelle bzw. Harald Vilimsky wegen einer Stellungnahme an, eine Antwort gab es nicht. Auch nicht auf die Frage, ob der EU-Spitzenkandidat wegen der strafrechtlichen Ermittlungen Konsequenzen ziehen werde, falls es etwa zu einer Anklage kommt. In der Vergangenheit hatte die FPÖ bei anderen Spitzenpolitikern wie Sebastian Kurz bereits nach Einleitungen von Ermittlungen Rücktritte gefordert. Hinsichtlich der Vorwürfe gilt für alle Genannten die Unschuldsvermutung.


Titelbild: ZackZack-Montage/ANN COATSALIOU / AFP / picturedesk.com/pixarbay.com/
Hannah Sattlecker

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