Japan hat einen neuen Tenno. Naruhito hat heute den Thron bestiegen. So interessant – so außergewöhnlich. Im Regelfall hätte Naruhito noch bis zum Tod seines Vaters Akihito als Nachfolger warten müssen. Doch diesmal ist alles anders. Denn sein Vater Akihito ist mit 20. April 2019 aus Krankheitsgründen zurückgetreten. Das ist ein sehr seltenes Ereignis in Japan. In einer religiösen Zeremonie teilt der neue Monarch am Morgen den Gottheiten mit, dass er am Nachmittag den Antritt seiner Regentschaft verkünden wird.
Wien, 22. Oktober 2019 / Naruhito ist eigentlich schon seit dem 1. Mai Kaiser. Er ist der 126. Tenno. Das japanische Kaiserhaus ist damit die älteste Erbmonarchie der Welt. Sie besteht seit 660 nach unserer Zeitrechnung. Doch erst mit seiner heutigen Inthronisierung kann er seine verfassungsmäßige Rolle als Symbol des Staates und der Einheit des Volkes wahrnehmen.
Wechselvolle Geschichte
Tenno bedeutet übersetzt „Himmlischer Herrscher“. Die Geschichte der japanischen Kaiser ist wechselvoll und ihre Machtbefugnisse decken sich nicht immer den Vorstellungen, die man vielleicht von einem Gottkaiser erwartet. Die Kaiser in Japan wurden lange Zeit für Götter gehalten. Der alte Kaiserpalast in Kyoto bietet ein Zeugnis davon. Nur wenige Menschen durften sich dem Kaiser überhaupt nähern. Ein Tenno galt als sagenumwobenes Wesen. Nun ist Naruhito der zweite Tenno, der nicht mehr als Gottkaiser seine Aufgabe antritt.
Völlig abgeschottet
Während der Zeit berühmten Edo-Dynastie weilten die Kaiser in Kyoto und das Reich wurde von Edo aus von den Shogunen verwaltet bzw. beherrscht. Japan war in dieser Zeit völlig abgeschottet und kein Ausländer durfte die Inseln betreten. Es herrschte Frieden und Beständigkeit. Wirtschaft und kulturelle Formen wie Kabuki und Sumō blühten auf.
Aus Edo wird Tokyo
Alles änderte sich damit, dass die USA 1853 Japan zwangen, sich zu öffnen. Captain Perry eroberte kurzerhand den Hafen von Edo. Die Herrschaft der Shogune wurde beendet. Der Tenno wurde als der eigentliche Herrscher gezwungen Kyoto zu verlassen und nach Edo zu ziehen. Aus Edo wurde Tokio, was übersetzt nichts anders als Kaiserstadt im Osten bedeutet. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde der Kaiser „sichtbar“ für sein Volk. Viele Menschen waren erstaunt, dass es sich um einen Menschen handelte.
Die Zeit des Imperialismus
Zuerst wehrten sich die angestammten Fürstenhäuser gegen die Öffnung, doch dann setzte Japan zu einem großen wirtschaftlichen Sprung an und versuchte nach der Einführung eines Kaiserreiches die Vormacht in Ostasien zu übernehmen. Diese Zeit des Imperialismus gipfelte im 2. Weltkrieg, als Japan die USA angriff. Nach dem verlorenen Krieg wurde der Tenno gezwungen, auf seine Göttlichkeit zu verzichten und er erhielt nur mehr repräsentative Funktionen.
Bundespräsident anwesend
Am Nachmittag vollzog Kaiser Naruhito dann im Beisein von rund 2000 Würdenträgern aus aller Welt eine Zeremonie zu seiner Thronbesteigung. Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen war bei dem 30 Minuten dauernden festlichen Akt namens “Sokuirei Seiden no gi” (Zeremonie zur Inthronisierung des Kaisers) anwesend. Aus Rücksicht auf die Opfer der kürzlichen Taifun-Katastrophe verzichtete der neue Kaiser auf eine Wagenparade durch die Hauptstadt Tokio.
(sm)
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