Samstag, Juli 27, 2024

“Sind fertig mit dem Mann”: Martin Weiss bis 2023 bei Bank in Dubai tätig

Der untergetauchte Ex-BVT-Mann und Marsalek-Vertraute entzog sich der Justiz, machte aber in den Emiraten weiter Geschäfte. Erst im Vorjahr wurde Weiss bei einem dortigen Finanzinstitut gekündigt, sagt nun sein ehemaliger Chef.

Martin Weiss weiß wie Kriminelle ticken. Der 60-Jährige war jahrzehntelang Kriminalpolizist, Staatsschützer, Terrorermittler und am Ende Leiter der mächtigen Abteilung 2 im BVT: Dort sitzen jene Beamte, die Jagd auf Extremisten und Spione machen. Heute sieht es so aus, als ob Weiss längst selbst die Seiten gewechselt hat – er soll unter anderem im Zusammenwirken mit Egisto Ott und dem flüchtigen Jan Marsalek Spionage für Russland betrieben haben, es gilt die Unschuldsvermutung.

Zuletzt hat ZackZack beschrieben, wie Weiss Justiz, Parlament und die Öffentlichkeit narrte. Großes Unverständnis herrscht darüber, wie es ihm gelingen konnte, ungehindert Österreich zu verlassen, sich nach Dubai abzusetzen und sich so bislang der Strafverfolgung zu entziehen. In den Emiraten konnte er weiterhin unbehelligt Geschäfte machen.

Letzte Spuren zum einst mächtigen BVT-Mann führen zum Finanzinstitut OCS, das in Dubai residiert und auch eine Niederlassung in München hat, bei der eine gute Freundin von Weiss tätig war. Bei der OCS International Finance war Weiss ab 2021 in Dubai als “Risk & Compliance Manager” tätig, wie Unternehmensverzeichnisse zeigen – also ausgerechnet für Regeltreue und Einhaltung von Gesetzen verantwortlich.

“Risk & Compliance Manager”

Weiss’ Chef bei OCS, der in Dubai lebende Österreicher Christian Franz Thurner, meint nun gegenüber ZackZack: “Herr Weiss ist seit 28.2.2023 nicht mehr bei uns beschäftigt und wurde von uns gekündigt!”

ZackZack liegen dazu eine Kündigungsvereinbarung sowie eine Mail vor, die das Ende des Arbeitsverhältnisses belegen sollen. Offizieller Grund für die Kündigung sollen demnach aber nicht Weiss’ strafrechtliche Verfolgung, sondern “ökonomische Faktoren außerhalb der Kontrolle des Unternehmens” sowie “Restrukturierungen” gewesen sein. Es wurde vereinbart, Weiss abschließend eine Summe von gut 95.000 VAE-Dirham, also umgerechnet gut 24.000 Euro, zu bezahlen.

Eine Kündigungsvereinbarung zwischen Martin Weiss und einem Dubaier Finanzinstitut.

“Von A bis Z belogen”

Geht es nach Thurner, sei man von Weiss über dessen Verfahren getäuscht worden. Erst die “London Sache” (Anm.: Ermittlungen gegen mutmaßliche Spione Marsaleks in England) sowie die Berichterstattung rund um Egisto Ott hätten ihm das vor Augen geführt. “Wir, wie viele andere, wurden von A bis Z von ihm betrogen, belogen und hinters Licht geführt. Wir sind fertig mit dem Mann.”

In einem abschließenden Mail sei Weiss aufgefordert worden, seine Arbeitsgeräte und Firmenutensilien einem Mitarbeiter zu überreichen. Man erkundigte sich auch nach einer zukünftigen Mailadresse und Handynummer, für etwaige ausstehende Kontaktaufnahme. “Wir wünschen dir alles Gute für deine zukünftigen Unternehmungen!”, so die Personalabteilung in dem Schreiben. Über den weiteren Verbleib von Weiss macht Thurner vorerst keine Angaben, die Ermittlungen laufen. Mehrere Kontaktversuche mit dem Ex-BVT-Beamten seitens ZackZack blieben unbeantwortet.

Abschiedsmail an Martin Weiss durch Arbeitgeber OCS.

Österreicher in Dubais dubioser Krypto-Welt

Weiss’ ehemaliger Chef bei OCS wurde in der Vergangenheit selbst im Zusammenhang mit den Paradise Papers genannt. Gemeint ist damit der von internationalen Journalisten aufgearbeitete Datenleak zu Briefkastenfirmen und Steueroasen. Der “Kärntner Monat” berichtete 2021 etwa zu Steuerbelangen Christian Thurners in Malta. ZackZack liegt ein Gerichtsurteil von Ende 2018 vor, das den Unternehmer zu einer Zahlung von knapp 5000 Euro gegenüber der Steuerbehörden verpflichtete. Ob damit sämtliche Belange geklärt waren, ist freilich nicht belegt. Thurner sagt dazu: “Ich habe in Malta für eine große Steuer- und Wirtschaftskanzlei gearbeitet und deutschsprachige Kunden betreut. Bezüglich Steuerakte habe ich in Malta alles abgeschlossen, als ich nach Dubai ging.”

Emirates Financial Towers: An der imposanten Adresse residiert Weiss ehemaliger Arbeitgeber. Quelle: Google Street View.

Der OCS hängen auch weitere Geschäftsbeziehungen nach: So sei man eine Kundenverhältnis mit ZENIQ eingegangen, der Krypto-Firma eines in Dubai lebenden Kärntners, bei der es zu Unstimmigkeiten mit der Dubaier Finanzaufsichtsbehörde (DFSA) kam. Den Kontakt zur Firma stellte übrigens ein weiterer Österreicher, mit dem wiederum auch Martin Weiss andere Geschäfte gemacht haben soll. Die Zusammenarbeit mit ZENIQ habe man beendet, so Thurner.

OCS stellte außerdem einen Mann namens Julian Alsayed ein, der einst eigentlich Julian Rifat hieß und in London 2015 zu 19 Monaten Haft wegen Insiderhandel verurteilt wurde. Thurner dazu: “Meine Devise war und ist, dass jemand immer eine zweite Chance im Leben bekommen sollte.”

Anhand dieser Episoden merkt man schon, dass die Dinge in Dubai einigermaßen “entspannt” laufen. Und es verwundert gleich weniger, dass einer wie Martin Weiss trotz seiner Verfahren am Hals einen Job im Bereich “Compliance” ergatterte. In Österreich waren Thurner und sein Unternehmen in den letzten Jahren besonders im Sportsponsoring aktiv. Zwei heimische und mitunter sehr erfolgreiche Basketballteams werden von OCS finanziell unterstützt.

Wenig Druck von Behörden

Weiss gilt mittlerweile als untergetaucht. Ihn nahmen die heimischen Ermittlungsbehörden im Jänner 2021 zwar fest, allerdings nur für zwei Tage. Damals liefen seitens der Staatsanwaltschaft Wien Verfahren wegen des Verdachts der Begünstigung, Bestechung, Amtsmissbrauch sowie dem Verrat von Staatsgeheimnissen. Der Beschuldigte verließ dann offenbar bereits im Februar das Land und kehrte damals für Befragungen nicht zurück. Laut ZackZack vorliegenden Akten wussten die Ermittler der AG Fama – einer Einheit aus Beamten des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung – spätestens im April 2021 darüber Bescheid.

Im April 2022 erschien Weiss sehr wohl vor der Münchner Staatsanwaltschaft, laut “profil” habe man in Österreich damals bereits nach ihm gefahndet. Eine Bestätigung dafür bekommt man seitens der Staatsanwaltschaft Wien und dem Bundeskriminalamt aber nicht.

Apartmentkomplex, den Weiss zumindest bis 2022 bewohnt haben soll. Quelle: Google Street View.

Von der Staatsanwaltschaft München heißt es hingegen: „Von einer etwaigen Fahndung war und ist der Staatsanwaltschaft München I, abgesehen von Medienberichten, nichts bekannt“, so die Stellungnahme gegenüber ZackZack. Und weiter:

Hätte die Staatsanwaltschaft München I von einem internationalen Haftbefehl Kenntnis gehabt, hätten die Beamten den Beschuldigten W. selbstverständlich festgenommen und in keinem Falle einen solchen Haftbefehl dem Beschuldigten vor der Anreise offengelegt. Ein Grund, die österreichischen Behörden über die anstehende Vernehmung des damaligen Beschuldigten W. zu informieren, bestand nicht, insbesondere hatten die österreichischen Behörden nicht zuvor um Festnahme oder Ähnliches ersucht.“

Somit bleibt weiter fraglich, ob die heimischen Behörden damals ausreichend Druck gemacht haben. ZackZack wird eine Fahndung – genau genommen eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung – erst ab frühestens April 2023 bestätigt und zwar seitens des Landesgerichtes Wien. Damals ließ Weiss seinen eigenen Prozess platzen.

Ein Auslieferungsabkommen mit den Emiraten besteht bekanntlich nicht, Österreich müsste von sich aus ordentlich Druck machen. Erst vergangenen Donnerstag traf Kanzler Karl Nehammer den emiratischen Industrieminister Ahmed Al Jaber in Wien, der nebenbei auch mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz Geschäfte macht. Man feierte “50 Jahre diplomatische Beziehungen”. Wie viel wert diese tatsächlich sind, wird sich in der Causa Weiss wohl noch zeigen.

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