Kommentar
Der ungenierter Postenschacher unter Türkis-Blau muss Folgen haben. Einer trägt Verantwortung. Einer muss gehen.
Wien, 18. November 2019 / Nach Sebastian Kurz’ Machtübernahme wurden die alte Schwarzen zu neuen Türkisen – und die ÖVP zur Führerpartei umgebaut. In den geheimen Strategiepapieren der ÖVP aus dem Jahr 2016 steht wörtlich zu lesen: Sebastian Kurz brauche “‘Jünger, nicht nur Team”. Es ging um eine Zuspitzung auf die Frage der Spitzenkandidaten “Wer soll Österreich führen?”
Führerpartei Neue ÖVP
Führen, Herr Kurz, das tut man von vorne. Das heißt auch: Wenn es Gegenwind gibt, bekommt man den als erster ab. Man kann sich dann nicht hinter seinen Jüngern verstecken.
Eines hat der Kreis um Sebastian Kurz richtig erkannt: “Die Mehrheit der Menschen hassen ‘das System’. Wer oder was ist aber ‘das System’, gegen das alle sind?”, fragt sich die ÖVP in ihrem Strategiepapier. Antwort:
“Das System ist intransparent.
- Entschiedungen sind für Großteil der Wähler nicht mehr nachvollziehbar
- Nach Meinung der Menschen oft willkürlich
- oft durch faule Deals (Kuhhandel) nach dem Prinzip: kriegst du was krieg ich was
- Eindruck ‘die richten sich’s'”
Postenschacher deluxe
Genau dagegen wollte Sebastian Kurz doch einen “Neuen Stil” setzen. Nun stellt sich heraus: Der Postenschacher unter Türkis-Blau war ungeniert wie nie zuvor.
“Lieber Hartwig”, schrieb Strache an ÖVP-Finanzminister Löger. “Am Nachmittag reden Schiefer und Schmitt (Arnold Schiefer, blauer ÖBB-Finanzvorstand und Thomas Schmid, türkiser ÖBAG-Vorstand, red.) sowieso. Und die haben für beide Parteien eine Vereinbarung fixiert.”
Gegenstand der Vereinbarung: Bei staatsnahen Betrieben, darunter Post, OMV, ÖBB, Bundesimmobiliengesellschaft, Donau-Versicherung, Telekom Austria schiebt man sich gegenseitig die Posten zu. “Alles andere wäre eine Provokation!”, schreibt Strache. Und: “Ausgemacht war 2018/19. das bitte auch sicherstellen und einhalten! Lg HC”.
Der neue Stil
So sieht er also aus, der neue Stil. Hans-Jörg Jenewein (FPÖ) sieht da kein Problem. Postenschacher sei “eine althergebrachte österreichische Tradition.” Stimmt, und jeder im Land weiß es.
Aber Kurz ist nicht mit dem Slogan angetreten: “Alles bleibt wie es ist.” Kurz hat einen neuen Stil versprochen. Den hat er nicht geliefert. Da seine Partei ganz auf ihn zugeschnitten ist, reicht es nicht, dass sich nun Löger schützend vor seinen Chef stellt. Der Ex-Finanzminister tut ja so, als hätte Kurz von nichts gewusst. Das stimmt nicht, wie die veröffentlichten Chatprotokolle zeigen.
Kurz muss gehen
Kurz wusste Bescheid. Kurz muss Verantwortung übernehmen. Kurz muss gehen.
Das schulden die mächtigen ÖVP-Landeshauptleute und Bündechefs ihrer Partei. Sie schulden es vor allem auch den Wählern.
Thomas Walach
Titelbild: APA Picturedesk
Thomas Walach kommentiert