Samstag, Juli 27, 2024

Ott, Kickl, Putin und die ÖVP

Der blaue Teil der BVT-Affäre wird jetzt von „profil“ bis „Kurier“ aufgeklärt. Der türkise Teil bleibt noch im Dunkel. Das ist eine gute Nachricht für Nehammer und  Putin.

Einiges ist hier in Wien in den letzten Wochen gut gelungen. Die Pilnacek-Recherche, von der wir bisher ungefähr die Hälfte in ZackZack veröffentlicht haben, hat jetzt schon zu Ermittlungen durch die WKStA geführt. Der Beschuldigte aus dem Landeskriminalamt war bei weitem nicht das wichtigste Rad in dieser Affäre. Da wird noch einiges herauskommen. Wir setzen unsere Serie jedenfalls bald fort.

Schade und eine Schande

Der WKStA geht es nicht so gut. Zwei ihre besten gehen. Sie haben Großartiges geleistet und gehen nur, weil einiges nicht mehr passt. Ich verstehe, dass es ihnen nach Jahren, in denen sie unter schwerstem Beschuss der Kanzlerpartei den Rechtsstaat erfolgreich verteidigt haben, reicht, wenn sie feststellen, dass von oben bestenfalls halbherzige Unterstützung kommt.

Hätten sich die exponierten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf Justizministerin und Behördenleiterin verlassen können, wären sie vielleicht geblieben. Aber auf Dauer hält niemand aus, wenn es im Erdgeschoß hart auf hart geht und einen Stock höher herumtaktiert wird. Alle in der WKStA wissen zu schätzen, dass Behördenleiterin und Ministerin ihren Ermittlern nicht so in die Rücken gefallen sind, wie das in anderen Staatsanwaltschaften und im Ministerium gang und gäbe ist. Aber ihre Hauptaufgabe, in entscheidenden Situationen verlässlich den Rücken zu stärken, haben sie nicht ausreichend erfüllt.

Das Wort „verlassen“ hat drei Bedeutungen. Wenn man sich auf jemanden nicht verlassen kann, fühlt man sich verlassen. Dann kann es sein, dass man sich zum Verlassen entscheidet. Genauso haben das die beiden wohl erlebt. Es ist schade und eine Schande.

Volle Unterstützung

Andere wie die AG Fama haben diese Probleme nicht. Im Innenministerium genießt die Spitze des Bundeskriminalamts die volle Unterstützung ihres beeindruckenden Ministers. Gerhard Karner weiß, dass seine Beamten das liefern, was er und seine Partei erwarten.

Im Fall „Ott“ haben die BK-Beamten jahrelang alles zusammengetragen. Ja, alleine hätten sie es nicht geschafft, eigentlich hat der britische Geheimdienst MI5 Ende 2017 den Anfangsverdacht und 2024 die entscheidenden Beweise geliefert. Ja, eigentlich hätte das Innenministerium längst verhindern müssen, dass Ott bis zum Schluss sensible Daten abfragen konnte. Ja, eigentlich hätte man Christo Grozev und alle anderen Putin-Gegner, die nicht wussten, wie sehr sie im Visier des russischen FSB standen, warnen und schützen müssen. Ja, eigentlich hätte man Martin Weiss nicht ungehindert ausreisen lassen dürfen. Und ja, man hätte nicht zulassen dürfen, dass Ott bis zum Schluss neun Schusswaffen mit sich führen konnte.

Das wichtigste, höre ich, sei jetzt, dass die erfolgreiche Enttarnung des größten russischen Spionagenetzes und damit der größten Affäre der letzten Jahrzehnte nicht klein- und schlechtgeredet wird, nur weil sich diesmal ÖVP-Minister und ÖVP-Beamte die Lorbeeren gegenseitig um die Hälse hängen.

Ich erlaube mir nur eine Frage:  Hat Putins FSB mehr als ein Jahrzehnt mit Jan Marsalek, Martin Weiss und Egisto Ott mitten in Wien wirklich das größte Agentennetz der Nachkriegsgeschichte betrieben? War die FPÖ die einzige Putin-Partei Österreichs und war das damit ausschließlich ihre Affäre? Oder waren Weiss und Ott Teil einer viel größeren Geschichte?

Ungestörtes Geschäft

Es gibt auch eine zweite Lesart der Fakten, die wir bisher kennen. Seit Jahrzehnten spionieren drei russische Dienste in Österreich ungehindert wie sonst nirgends in der EU. Der FSB verfolgt mit mehr als 500 Agenten Flüchtlinge und Putin-Gegner. Der SWR baut seine Antennen und Schüsseln ungehindert in Wien auf. Und die GRU besorgt Daten und Information für den Krieg gegen die Ukraine. Alle drei verrichten mit ihren Residenten an der russischen Botschaft in Wien ungestört ihr Geschäft.

Die Partei, die das von der Spitze des Innenministeriums her zugelassen hat, war fast immer die ÖVP. Die Ministerinnen, die am Putin-Auge blind waren, hießen Ernst Strasser, Günther Platter, Liese Prokop, Maria Fekter, Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka, Karl Nehammer, Gerhard Karner – und Herbert Kickl.

Kickls Sturm auf das BVT war der Versuch, einen schwarzen Geheimdienst blau umzufärben. Als Innenminister hat es Herbert Kickl geschafft, ein lahmes und sehschwaches BVT endgültig zu zerstören und Österreich nachrichtendienstlich zu isolieren. Als Kickl gehen musste, war das BVT taub und blind.

Jetzt wird der FPÖ-Teil der Affäre von Ott über Jenewein bis Kickl penibel aufgeklärt. Da kann man sich auf „profil“ und seine Chefredakteurin verlassen. An der Aufklärung der großen BVT-Affäre rund um die beiden Putin-Parteien „ÖVP“ und „FPÖ“ arbeiten wir bei ZackZack.

Eines hat sich jedenfalls zum Besseren gewendet: Anna Thalhammer hat Helmut Brandstätter und mich aus ihren „Ott-Netzwerken“ herausgenommen. Damit kann ich jetzt unbeschwert meinen Koffer fertig packen. Heute, am Sonntag, fahren wir in den Süden. Wir sind jetzt 40 Jahre verheiratet. Das feiern wir. Am Abend sind wir dann dort, wo die ganz großen Zitronen blühen.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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