Frankreich
Die Rechtsextreme Marine Le Pen will ein drittes Mal zu den Präsidentschaftswahlen in Frankeich antreten. In Umfragen liegt sie mit dem taumelnden Präsidenten Emmanuel Macron gleichauf.
Paris, 17. Jänner 2020 / Durch die Streiks im Zuge der umstrittenen Rentenreform in Frankreich, sinkt das Vertrauen in Präsident Macron beinahe täglich. Macron hat es bis dato nicht geschafft, auf seine Kritiker zuzugehen. Das scheint sich langsam zu rächen.
Projekt „nationaler Einheit“
Marine Le Pen hatte zuvor schon im Oktober eine etwaige Kandidatur angedeutet. Nun ist diese fix:
“Ich habe viel nachgedacht, aber meine Entscheidung steht: Mein Ziel ist ein Projekt nationaler Einheit, ein großer französischer Plan für eine vereinigende Zukunft. in dem sich Franzosen jeglicher Herkunft wiederfinden können. Ein vollkommen anderes Projekt, das dazu beitragen wird, Frankreich wieder zurück auf die Beine zu bekommen.”
Das verkündete sie beim Neujahrstreffen ihrer Partei Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung, Red.).
Macron angeschlagen
Der innenpolitische Zankpunkt, die umstrittene Rentenreform von Macron, lässt Le Pen als aussichtsreiche Kandidatin erscheinen. Verlor sie noch bei der letzten Wahl 2017 deutlich gegen den derzeitigen liberalen Amtsinhaber (Macron erreichte 66,1 Prozent, Le Pen nur 33,9 Prozent in der Stichwahl, Red.), so kann sie in den Umfragen mittlerweile ihren Widersache einholen.
In den jüngsten Umfragen liegt das rechtsextreme „Enfant terrible“ fast gleichauf mit dem liberalen Präsidenten Macron. Wären jetzt Präsidentenwahlen, würde sie im ersten Wahlgang 29 Prozent der Stimmen erhalten – exakt so viele wie Macron. In einer Stichwahl stünde es 45 zu 55, also deutlich enger als noch 2017.
Keine Ideen, aber viel Vertrauen
Le Pens rechtsextreme Partei hat, trotz der Debatte um die Rentenreformen, keinen eigenen Alternativvorschlag zur bestehenden Reform von Macron ausgearbeitet. Seit ihrem Sieg bei den Europawahlen hat die Le Pen-Partei eigentlich keinerlei neuen Ideen vorgelegt. Geschadet hat das alles offenbar nicht: Le Pen hat Skeptiker aus dem konservativ-moderaten Spektrum beruhigt, indem sie von einem “Frexit” (Austritt Frankreichs aus der EU, Red.) Abstand genommen hat. Sie gibt sich inzwischen bewusst staatstragend und verkörpert für viele die Alternative zu dem zunehmend als überheblich wahrgenommenen Emmanuel Macron. Le Pen trifft einen Nerv in der Bevölkerung:
„In alle Richtungen wird verschwendet und die Franzosen sind sich dessen bewusst. Aber ihnen werden Schuldgefühle eingeredet und Opferbereitschaft abverlangt, dabei sind alle Geldhähne offen“,
so Le Pen.
Die Antiestablishment-Kritik von rechts kommt auch deshalb bei breiten Schichten an, da die linken Parteien nach der glücklosen Präsidentschaft des Sozialisten Francois Hollande nicht auf den Boden kommen.
Frauenbonus selbst für Rechtsextreme?
Außerdem hat sie – auch als Rechtsextreme – eine Art „Frauenbonus“: Viele Franzosen sind ganz allgemein der Ansicht, dass die Zeit für eine Präsidentin in Frankreich reif ist. Laut einer neuen Umfrage wünschen sich 71 Prozent der Franzosen eine Frau im Präsidentenpalast.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk