»Uber Files«:
Ein Konvolut an E-Mails, privaten SMS-Nachrichten und Dokumenten enthüllt, wie Politiker, Wissenschaftler und Medien im Sinne des US-Fahrdienstleister „Uber“ interveniert haben. Auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist dabei ins Visier geraten.
Wien, 11. Juli 2022 | Der Fahrdienstleister „Uber“ ist in Vergangenheit wiederholt mit negativen Schlagzeilen zu fragwürdigen Arbeitsbedingungen, Ausbeutung von Angestellten und Missachtung von Gesetzen aufgefallen. Durch die „Uber Files“ rückt das Unternehmen erneut in die Kritik.
Eine Sammlung an über 124.000 vertraulichen Daten, die „The Guardian“ aus einer anonymen Quelle zugespielt wurden, zeigt die umstrittenen Praktiken des multinationalen US-Konzerns im Zeitraum von 2013 bis 2017, als es international einen enormen Wachstum erlangte. Die „Uber Files“ wurden von einem Team aus über 180 Journalisten aus allen Ländern koordiniert und durch das Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) ausgewertet. „Uber“ soll mithilfe von amtierenden und ehemaligen Spitzenpolitikern weltweit eine aggressive Lobby-Kampagne betrieben haben.
Interventionen Macrons als Finanzminister
Im Fokus der Recherche steht vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron, der damals Finanzminister unter Francois Hollande war. Laut den Akten soll er sich eingesetzt haben, um Vorschriften zu Gunsten des Fahrdienstleisters anzupassen. In Frankreich kam es 2015 zu massiven Protesten von Taxifahrern als „Uber“ das umstrittene Service „UberPop“ einführte, das auch privaten Fahrern mit einem Auto die Möglichkeit gab Fahrten für „Uber“ abzuwickeln. Daraufhin wurde die Dienstleistung vom Polizeipräfekt per Verfügung aufgrund gewaltvoller Ausschreitungen in Marseille verboten. Der Konzern soll sich empört direkt an Macron gewandt haben, der sich bereit erklärt hatte einzuschreiten.
Es kam tatsächlich zu einer Änderung im Vorgehen der lokalen Behörden gegen „Uber“. Behördenvertreter sollen abgestritten haben Druck aus dem Ministerium Macrons erhalten zu haben. Das scheint jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass sich der „Uber“-Lobbyist danach bei Macron für die Kooperation bedankte, fraglich. In einer internen Mail soll außerdem das entschärfte Vorgehen als Erfolg, der auf den „massiven Druck Ubers“ zurückzuführen ist, gefeiert worden sein. Die Opposition in Frankreich reagierte entsetzt zu den Enthüllungen und ortet einen „Staatsskandal“. Zur Untersuchung von Macrons Rolle wird ein parlamentarischer Ausschuss verlangt. Auf Anfragen des ICIJ zum Verhältnis von Macron zu „Uber“ gab es keine Antworten.
Ehemalige EU-Kommissarin vermittelte Treffen
Eine weitere Schlüsselposition in den „Uber Files“ nimmt eine ehemalige niederländische Politikerin ein. Neelie Kroes war von 2010 bis 2014 EU-Kommissarin für digitale Agenda. Laut EU-Regelungen müssen aus dem Amt geschiedene Kommissionsvertreter eine 18-monatige „Abkühlungsphase“ einlegen, bevor sie einen Lobby-Job annehmen dürfen. Den Daten zufolge soll Kroes diese Vorgabe nicht genau genommen haben. Chatnachrichten zeigen, wie „Ubers“ Cheflobbyist den damaligen CEO über Kroes Intervention während einer laufenden Razzia gegen „Uber“ in Amsterdam 2015 informierte. Kroes soll ein niederländisches Regierungsmitglied angerufen haben, um die Polizei zurückzurufen. Außerdem soll Kroes in ihrer „Abkühlungsphase“ sich darum bemüht haben Treffen mit „Uber“-Vertretern und Regierungsmitgliedern zu organisieren.
Kurz´ Finger auch im Spiel
Die Interventionen in Österreich halten sich überraschend in Grenzen. Das liegt zum einen daran, dass jene umstrittenen „Uber“-Versionen sich in Österreich wegen der Gesetzeslage gar nicht durchsetzen konnten und andererseits daran, dass der Markt in Österreich als wenig bedeutend eingestuft wurde. Allerdings geht aus einer Präsentation hervor, dass Bestrebungen unternommen wurden, um bei neuen Regulierungsvorschriften mitzuwirken. Auch auf der internationalen Führungsebene sollen mit der Zeit immer klarere Ziele formuliert worden sein. So wollte man das Arbeitsministerium „schulen“ und so Inspektionen und damit einhergehende negative Schlagzeilen zu vermeiden, geht aus den Auswertungen des “profil” hervor.
Spannend wird es jedoch erst als Mitte 2019 eine Gesetzesnovellierung im Gelegenheitsverkehrsgesetz beschlossen wird, das „Uber“ schaden würde. Diese Novellierung wird jedoch bevor sie in Kraft treten kann, wieder zu Gunsten des Konzerns verändert. Das geschah, nachdem Sebastian Kurz, der damals ÖVP-Chef war, im Juli 2019 den CEO von „Uber“ während seiner Reise ins Silicon Valley getroffen und mit ihm über jene schadhafte Gesetzesveränderung gesprochen haben soll. Kurz war zu dem Zeitpunkt zwar nicht mehr Bundeskanzler, aber die Änderung wurde in der folgenden Koalition mit den Grünen durchgesetzt.
(nw)
Titelbild: APA Picturedesk