Warum hat die linke „Nouveau Front Populaire“ in Frankreich bei den Wählern so gut gepunktet? ZackZack hat sich das Programm genauer angesehen. Eine Erklärung des linken Wahlerfolgs in Frankreich.
Jean-Luc Mélenchon und seine Verbündeten feierten am Sonntag in Frankreich einen höchst überraschenden Wahlsieg. Bei der zur Schicksalswahl ausgerufenen zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen verbündeten sich die neoliberalen Macronisten mit dem neu gegründeten Linksbündnis aus Linkspopulisten, Sozialisten und Grünen gegen den Rassemblement National (RN) von Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen. Mehr als 200 Kandidaten der beiden Parteien verzichteten auf ein Antreten, um die Chancen zu erhöhen, den RN-Kandidaten zu schlagen.
Die „Nouveau Front Populaire“ (NFP), so der Name des Linksbündnisses konnte dabei überraschend die meisten Abgeordneten erlangen. Mit 182 zukünftigen Parlamentariern verwies man den RN auf Platz drei mit 143 Abgeordneten. Macrons Bündnis „Ensemble“ landete mit 168 Mandaten auf Rang zwei, büßte 82 Abgeordnete ein.
Der Sieger eines Wahlkreises gewinnt in Frankreich alles, der Verlierer geht leer aus. Wegen dem taktischen Vorgehen von Macron und der NFP erreichte der RN weniger Abgeordnete als die absoluten Stimmenanteile vermuten lassen würden. Insgesamt erreichte der RN 37,1 Prozent der Stimmen, trat aber in allen Wahlkreisen an. Die Nouveau Front Populaire kam auf 26 Prozent der Stimmen, Macrons Bündnis “Ensemble” auf 23,2. Die beiden Lager traten in über 200 Wahlkreisen absichtlich nicht an.
Soziales Wahlprogramm
Die NFP hat mit ihrem kompromisslosen Wahlprogramm einige unerwartete Siege eingefahren. In einem Papier bekennt sie sich zu einigen Punkten, die sie in den ersten 15 Tagen der Machtübernahme einhalten will. Die wichtigsten sind etwa: Preisbremsen bei Lebensmitteln und Energie, Rücknahme der ungeliebten Reform Macrons beim Pensionsantrittsalter, Erhöhung der Alterspension auf das Minimum der Armutsgrenze, Erhöhung des Mindestlohns auf 1600 Euro. Darüber hinaus will man die Auslastung der öffentlichen Spitäler reduzieren, Sozialwohnungen bauen, Essen in der Schulkantine umsonst anbieten, große Agrarunternehmen besteuern und damit kleinen Bauern bessere Preise garantieren.
Die Durchsetzung dieser Vorhaben wird nicht einfach, müsste das Linksbündnis doch Kooperationen mit anderen Parteien angehen.
Kein Bündnis nach der Wahl?
Nach der geschlagenen Wahl zeigten sich die engsten Vertrauten Macrons, die einen wirtschaftsliberalen Kurs verfolgen, geschockt vom Erfolg der Linken. Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Marie warnte auf „X“ vor dem Programm von Mélenchon und Co. Dieses würde die Resultate der Regierungen unter Emmanuel Macron der letzten sieben Jahre zunichtemachen – das erklärte Ziel von Mélenchon und dessen Gefährten, die einen „Bruch“ mit der Politik Macrons angekündigt hatten.
Die Sorge der meist wohlhabenden Wirtschaftsliberalen vor dem Programm der Linken ist berechtigt. Sollte sich die NFP durchsetzen würde nicht nur eine Übergewinnsteuer eingeführt werden, sondern auch eine Solidaritätssteuer auf Vermögen für besonders Wohlhabende. Beide Steuern sollen 15 Milliarden Euro einbringen, mit denen die Kaufkraft der Bürger und Bürgerinnen gestärkt werden soll.
Rechte Erfolge an der Côte d’Azur
Der RN konnte hingegen auf seine Stärke in den östlichen Mittelmeerregionen Frankreichs bauen. Nizza war die einzige größere Stadt, bei der der Rassemblement National die Wahl gewonnen hatte. Linksbündnis und Macronisten hatten sich dort nicht darauf geeinigt, auf einen Wahlantritt zugunsten des aussichtsreicheren Kandidaten zu verzichten.
In der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur, in der die drei größeren Städte Marseille, Nizza und Avignon liegen, gewann der RN fast alle Departements außerhalb von Marseille und Avignon. Die Erzählung der frustrierten weißen Arbeiterschicht, die in der rasanten Globalisierungsdynamik keine Zukunft für sich sehen, ist dabei nicht haltbar. Denn die Region wird nicht von Arbeitern, sondern von Dienstleistungen im Tourismussektor dominiert und zählt außerdem zu den einkommensstärksten Regionen in Frankreich.
Auch einige Wohlhabende leben nahe an der Mittelmeerküste. Sie haben lieber den RN gewählt, als eine Solidaritätssteuer zu zahlen. Zwar hat die Region einen relativ hohen Migrationsanteil – über 10 Prozent der dort lebenden Menschen haben keine französische Staatsbürgerschaft – hebt sich dabei aber nicht so sehr von anderen Regionen ab, die gänzlich anders gewählt haben. Der Erfolg der Linken ist vor allem dort stark, wo Menschen wenig verdienen und sich eine Besserung ihrer sozialen Lage wünschen. Das zeigt sich sehr anschaulich auch in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Das einkommensschwächste Departement, Hautes-Alpes, war das einzige, in denen das Linksbündnis die Wahl gewonnen hatte.
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