Gerichts-Showdown eröffnet
Plante die ÖVP, die Wahlkampfkosten erneut zu überschreiten? Das jedenfalls berichtete die Wochenzeitung “Falter” im Laufe des letztjährigen Wahlkampfs. Die ÖVP klagte. Jetzt traf man sich erstmals vor Gericht. Von einem “Frieden” ist man weit entfernt. Der Prozess steht auch beispielhaft für den Umgang mit Pressefreiheit.
Wien, 21. Februar 2020 / Die Richterin am Wiener Handelsgericht legte den Parteien “Rechtsfrieden” nahe und forderte dahin gehend “Kreativität” ein. Vorerst blieb das Unterfangen aber erfolglos. Damit trifft man sich am 22. Juni wieder vor Gericht. Falter-Anwalt Alfred Noll war davon wenig überzeugt: “Bevor ich der ÖVP die Ehre erklär’, stech i ma do eine”, kommentierte der ehemalige Abgeordnete, den Vermittlungsversuch der Richterin. Dabei hielt er sich seinen Zeigefinger an den Hals.
Gibt es Tatsachen?
In der Sache legten beide abermals ihre unterschiedlichen Standpunkte dar. Noll sieht Grundsatzfragen im Prozess behandelt. Denn hier werde nicht moniert, dass der Falter etwas Tatsachenwidriges behauptet hätte, sondern die Klage richte sich gegen die “politische Bewertung des Tatsachensubstrats”. Solange es in Österreich Pressefreiheit gebe, und wir “nicht bei Putin oder Orban sind”, müsse es möglich sein, die Falter-Interpretation zu schreiben.
Es müsse in einer Demokratie erlaubt sein, diese Tatsachen zu bewerten, meinte Noll sinngemäß. Offensichtlich gab es für die Redaktion Indizien. Immerhin überzog die ÖVP schon 2017 die Wahlkampfkosten um fast 6 Millionen. “Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht”, erklärte Noll.
Naturgemäß sieht die ÖVP das anders: Es gehe genau darum, “dass es kein Tatsachensubstrat” für jene Behauptungen und Vorwürfe gebe, die für 2019 aufgestellt wurden. Als Beispiel führte die ÖVP-Anwältin Zeller die Behauptung an, dass die ÖVP etwas vor dem Rechnungshof verbergen wollte. “Dazu fehlt jegliche Grundlage, weil sämtliche Ausgaben den gesetzlichen Vorgaben gemäß dem RH übermittelt wurden”, erklärte die Anwältin.
Nehammer in Zeugenstand – auch Kurz?
Am 22. Juni erscheinen jedenfalls erste hochkarätige erste Zeugen: Innenminister Karl Nehammer, ehmaliger Generalsekretär der ÖVP, und der aktuelle ÖVP-General Axel Melchior sollen ebenso wie Falter-Redakteur Josef Redl im Zeugenstand Aussagen. Der “Falter” will noch weitere Polit-Prominenz: Kanzler Kurz soll ebenso vorgeladen werden, wie seine Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.
Die ÖVP hatte die Klage gegen die Wochenzeitung Mitte September eingebracht, nachdem der “Falter” zuvor interne Dokumente zu Wahlkampfkosten und Parteifinanzen der Türkisen veröffentlicht hatte und zum Schluss gekommen war, dass die Volkspartei in den Wahlkämpfen 2017 und 2019 quasi eine doppelte Buchführung unterhielt, um das Überschreiten der gesetzlich erlaubten Wahlkampfkostenobergrenze zu verschleiern. Der Falter ging davon aus, dass die ÖVP sowohl 2017, als auch 2019 frühzeitig mit einem Überschreiten der Wahlkampfkostenobergrenze kalkulierte.
ÖVP fordert Widerruf und Kostenersatz
Die ÖVP sprach von fehlerhafter und manipulativer Berichterstattung und klagte. Demnach dürfe der “Falter” nicht mehr behaupten, dass die ÖVP 2019 bewusst die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro plane, dass die ÖVP die Öffentlichkeit bewusst über ihre Wahlkampfausgaben täusche und dass die ÖVP die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze vor dem Rechnungshof verbergen wolle. Die ÖVP fordert den Widerruf dieser Behauptungen, eine entsprechende Veröffentlichung sowie Kostenersatz.
(apa/ot)
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