ÖVP-Abgeordneter grätscht Journalisten dazwischen
Der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, sorgte am Freitag für einen Eklat. Vor laufender Kamera gesellte sich der ÖVPler zu den Journalisten und störte bei Fragen an Innenminister Nehammer zur Schredder-Affäre.
Wien, 08. Juni 2020 | Am Freitag war Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in den Ibiza-U-Ausschuss geladen. Normalerweise ziehen Befragte in U-Ausschüssen eine Vertrauensperson, meist Anwälte, hinzu. Nehammer verzichtete darauf, aber nötig wäre es wohl ohnehin nicht gewesen. Immerhin sprang der ÖVP-Abgeordnete und Fraktionsführer im U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, als sein Verteidiger in die Presche.
Beweismittel zerstört?
Im Anschluss an Nehammers Befragung vor Journalisten, gesellte sich Gerstl in die Reihen der Journalisten und störte kritische Fragen an den Innenminister. So hätte Nehammer eigentlich auch eine Frage des “Falter”-Chefredakteurs Florian Klenk rund um die Schredder-Affäre beantworten sollen. Laut Klenk habe im Zuge der Schredder-Affäre ein Mitarbeiter der SOKO Tape keine Nachschau in der Lichtenfelsgasse (ÖVP-Zentrale) gehalten, weil der Mitarbeiter am Eingang den Kurz-Chefvertrauten Stefan Steiner gesehen habe. Der SOKO Tape-Ermittler ging davon aus, dass die Beweismittel bereits zerstört wurden, als er vom ÖVP-Berater gesehen wurde. Klenks Frage an Nehammer:
„Was empört Sie eigentlich mehr: dass man der ÖVP unterstellt Beweismittel zu fälschen oder dass ein Beamter aufgrund so eines Verdachts keine Nachschau hält?“
Ich hab versucht, @karlnehammer eine wichtige Frage zu stellen. Er wich aus in PR-Talk. Ich habs nochmal probiert, denn grätschte der Angeordnete Gerstl dazwischen. @RobertZikmund und sein ORF-Team haben mitgefilmt. pic.twitter.com/FGgLJVxhWA
— Florian Klenk (@florianklenk) June 6, 2020
Journalisten empört über Gerstl
In klassischer Nehammer-Manier erhielt Klenk viel Ungefähres, aber wenig Antworten. Der Minister habe es „selbst aus den Medien erfahren“, es sei „nicht meine Aufgabe als Innenminister“ und er habe „volle Vertrauen in die Sondereinheiten“. Als Klenk nachhackte und auf eine Antwort pochte, sprang dann der auserwählte Chefverteidiger des Ministers ein. Wolfgang Gerstl, der auf ziemlich bizarre Weise die Journalistenriege unterwanderte, erhob Einspruch gegen die Frage Klenks und stellte sich nah an den “Falter”-Chefredakteur. Die Stimmung wurde zunehmend ungut, Klenk selbst kritisierte den Ex-Wega-Beamten Gerstl sofort für dessen Auftritt.
Das Verhalten ÖVP-Gerstls sorgte auch bei den anderen Journalisten für Empörung, unter anderem auch bei der Puls24-Redakteurin Barbara Piontek. Gerstls Verhalten sei für sie “sehr fragwürdig”. Auch Nehammer bekam sein Fett ab. Am Freitag wurde klar, dass Nehammer Justizministerin Zadic nicht über den Fund des Ibiza-Videos informierte. Die ÖVP tut nun also nahezu alles zur Selbstverteidigung. Im türkisen Auge dürfte ein Gerstl-Korn die Aufklärung stören.
(bf)
.@babsipiontek berichtet über die Befragung von @karlnehammer und das störende
Verhalten des @volkspartei-Abgeordneten Gerstl, der sich zu den anwesenden Journalisten gesellte und unangenehm auffiel. #puls24 #Nehammer #IbizaUA pic.twitter.com/3ZzBTfxBlM— PULS 24 (@puls24news) June 5, 2020