Bei Zib 2: Kompetent, souverän, ausbaufähig
Pamela Rendi-Wagner hat es nicht leicht: das gut ausgearbeitete „Kraftpaket“ hat zu wenig Marketingpower, die Bundes-SPÖ tritt in Umfragen auf der Stelle. Da kommt ein Auftritt bei Armin Wolf gelegen. Sie hat die Chance genutzt – bis auf wenige, dafür schmerzhafte Ausnahmen. Eine Analyse.
Benjamin Weiser
Wien, 14. Juli 2020 | Nach dem Auftritt von Vizekanzler Werner Kogler, der die seltsame Erzählung eines österreichischen Spitzenplatzes im fiktiven „Corona-Ranking“ breitgetreten hatte, war gestern Abend Rendi-Wagner in der ZIB 2 zu Gast.
Dabei glänzte sie mit Souveränität, die man sich im Angesicht der akuten Krise von ihr öfter und früher gewünscht hätte. Dass dies auch an der weit höheren Medienpräsenz der Regierungsvertreten gelegen hatte, konnte zumindest gestern keine Ausrede sein.
Wolf hakt nach, die Epidemiologin erklärt
Dass der Reproduktionsfaktor R bei 1,3 liegt und die Zahlen wieder steigen, wäre für viele Politiker Anlass, die „zweite Welle“ auszurufen. Rendi-Wagner, ausgebildete Epidemiologin, fand aber die richtigen Worte:
„Wir müssen wachsam sein, aber gibt keinen Grund zur Panik. Es ist auch nicht überraschend, dass es jetzt zu Anstiegen kommt, vor allem regional begrenzt, zuerst in Salzburg, jetzt in Oberösterreich.“
Die beiden ÖVP-geführten Bundesländer nannte sie wohl nicht zufällig, die Faktenlage ist aber auch eindeutig: Oberösterreich ist derzeit stärker als alle anderen betroffen, jedoch verzichtete Rendi-Wagner auf parteipolitische Anschuldigungen. Karl Nehammer sollte sich die Sendung anschauen. Weiter stellte sie in Aussicht, was uns erwarten wird:
„Solange das Virus da ist, wird es immer wieder Cluster-Ausbrüche geben. Das Allerwichtigste ist, darauf zu schauen, dass sich die regionalen Ausbrüche nicht unkontrolliert ausbreiten können.“
Das ist zwar nicht neu, aber die Sachlichkeit, mit der es vorgetragen wurde, war eine willkommene Abwechslung zur Show der letzten Monate.
„Endlich einheitliche Kriterien“
Etwas schärfer wurde sie bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Krise. So brauche es „endlich einheitliche, österreichweite Kriterien und Entscheidungsgrundlagen für die Bundesländer.“ Es sei nicht einzusehen, dass auf ähnliche Entwicklungen in Vorarlberg anders reagiert wird als in Oberösterreich.
Auch forderte sie schnellere und effizientere Tests, damit Testergebnisse binnen weniger Stunden vorliegen könnten. Selbiges gelte auch für die Identifikation von Kontaktpersonen. Dass das Wort „Contact Tracing“ nicht fiel, war dabei keine Überraschung: der Nehammer-Vorstoß, aus der Polizei eine „Gesundheitspolizei“ zu machen, kam gar nicht gut an in der Bevölkerung.
Die Wiedereinsetzung der Maskenpflicht, deren Aufhebung für Rendi-Wagner zu optimistisch gewesen wäre, war eine weitere einfache Forderung, mit der sie punkten konnte – sie muss diese aus der Opposition heraus auch nicht verantworten. Eine Maskenpflicht in Supermärkten, an die man sich bereits gewohnt hatte, wäre aber wohl eine einfache und wenig kontroverse Maßnahme.
Überhaupt verwandelte die SPÖ-Chefin, anders als bei vorigen Auftritten, die sich selbst aufgelegten Elfmeter souverän.
Urlaub in Zypern – Wolf übernimmt oe24-Geschichte
Überraschend war gestern Abend aber auch Armin Wolf. Der stellte eine Frage nach den von der Plattform „oe24“ „aufgedeckten“ Urlaubsplänen seines Gasts, als wenn die nationalistische Urlaubskampagne der Bundesregierung eine Regel wäre, an die man sich zu halten habe. Auch hier: Rendi-Wagner reagierte souverän und sagte, sie hätte zwei Urlaubsdestinationen – dass neben Zypern ein Ziel die Steiermark ist, nahm sogleich den Dampf raus.
Bei der Frage, ob es wieder Grenzschließungen brauche, stellte die SPÖ-Politikerin klar, dass bei einer raschen Unterbrechung der Infektionsketten Grenzschließungen nichts bringen würden. Das Virus ist ja schon im Land. Richtig, nur hätte man sich hier dann doch eine klare Ansage in Richtung Bundesregierung gewünscht, denn die Grenzdebatte als Teil der „Urlaub in Österreich“-Kampagne ist ein Schandfleck und verzweifelter Versuch der Regierung, vom eigenen Versagen in der Wirtschaftspolitik abzulenken. Man muss es halt auch sagen.
Gut bei Wirtschaft, Schwimmkurs bei Seximsus
Apropos Wirtschaft. Wolfs berechtigter Einwand, wonach die SPÖ trotz glücklicher Themenlage in den Umfragen stagnieren würde, nahm Rendi-Wagner auf, um für ihr „Kraftpaket“ zu werben. Gute Punkte zur Wirtschaft, und auch eine klare Differenzierung zwischen Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeit, lenkten etwas vom Marketingversagen ab. Die Bezeichnung „Kraftpaket“ für einen zweifellos gut ausgearbeiteten Plan löst wohl nicht nur Stirnrunzeln bei Werbern aus.
Insgesamt schaffte sie es, die kritischen Nachfragen zu nutzen, um die soziale und wirtschaftliche Krise in den Vordergrund ihrer Politik zu stellen.
„Die Wirtschaft wird sich nicht in wenigen Monaten erholen, das wird uns noch einige Jahre begleiten.“
Umso ärgerlicher für die SPÖ-Chefin, dass sie zum Schluss hin dann doch noch einen Schwimmkurs nahm. Ihre Reaktion auf einen unpassenden Sexismus-Vergleich von Armin Wolf war der schlechteste Moment des Abends – ausgerechnet am Ende der Sendung.
So stellte der ZIB2-Anchor den Vergleich auf, die sexistische Karikatur der „Oberösterreichischen Nachrichten“ hätte für Kritik gesorgt und Rendi-Wagner ob ihrer Aussagen Solidarität von vielen Seiten eingebracht, zum „Dümmerl“-Sager des SPÖ-OÖ-Landesgeschäftsführers hätte sie aber nichts gesagt. Wolfs Frage: „Ist Sexismus nur böse, wenn er von anderen Parteien kommt?“ hätte sie leicht beantworten können: „Nein, aber es geht schon um die Schwere der Fälle und die ist bei beiden Beispielen deutlich unterschiedlich.“
Ihre Antwort war hingegen die schnelle Entschuldigung des SPÖ-Kollegen, was aber Wolfs These ungewollt verstärkte. Insbesondere deshalb, weil Rendi-Wagner sagte, sie halte die „Dümmerl“-Aussage nicht für viel besser als eine sexistischere und viel stärker verbreitete Karikatur.
Fazit: Kompetent, souverän, am Ende jedoch ausbaufähig. Man könnte aber auch sagen: die Bundes-SPÖ und ihre Chefin scheinen aus ihrem Tiefschlaf erwacht zu sein, auch wenn der Gang zur Kaffeemaschine manchmal etwas gemächlich wirkt.
Titelbild: Screenshot Orf.