Wien, 01. August 2020 | Seit viereinhalb Monaten sind Wiens Clubs wegen der Coronakrise geschlossen. Mit der Clubkultur leiden Stammgäste, Städtetourismus und die Musikszene. Die Corona-Krise hat den Clubbesitzern und Veranstaltern einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Und noch sei keinerlei Öffnung in Sicht, die Situation ist existenzbedrohend.
Wir waren die erste Branche, die von der Schließung betroffen war, und wir werden die Letzten sein, die wieder aufsperren. Wir brauchen Planungssicherheit,
sagt Gregor Imhof vom “Sass Music Club” am Karlsplatz.
Massensterben der Clubs
Zuletzt war die in Aussicht gestellte Lockerung für die Nachtgastronomie und eine Verlängerung der Sperrstunde bis 4.00 Uhr ab 1. August verschoben worden. Seither habe man nichts mehr gehört, klagte Imhof. Er halte es für schrecklich, dass die Clubbesitzer und Veranstalter fast fünf Monate auf eine Ansage warten müssen.
So wie es jetzt ausschaut, stehen wir wirklich vor einem Massensterben der Clubs,
sagte er.
Auch Martin Wagner, Betreiber des “Fluc”, in dem die Pressekonferenz stattfand, berichtete, dass die derzeitigen Umstände eine “größere Katastrophe” für das Fluc bedeuteten. Zwar kann derzeit zumindest der kleine Gastgarten bespielt werden, Wagner fürchtet aber den Herbst. Ohne Garten, und den dort erwirtschafteten Umsatz, würden die Schluden in die Höhe schießen. Dann würde es laut Wagner “sehr eng” werden. Er habe bereits privates Geld in den Club gesteckt. Er wünscht sich, dass die Clubs in die Überlegungen der Stadt zu Festivals, wie dem Kultursommer oder den Festwochen, stärker einbezogen werden. Einzelne Festivalveranstaltungen könnten auch in den Clubs stattfinden.
Vom drohenden Clubsterben ist auch die lokale Musikszene stark betroffen. Linda Schürer-Waldheim, vom Konzertveranstalter Arcadia Live betonte:
Das Überleben der Clubs ist auch für uns überlebenswichtig.
Rund 300 bis 400 Shows veranstaltet Arcadia Live pro Jahr in Österreich. 2019 fanden laut Schürer-Waldheim zwei Drittel davon in Wien statt und davon wiederum 62 Prozent in den Clubs.
Politische und gesellschaftliche Relevanz
Der kulturelle Mehrwert der Clubszene für die Stadt ist seit Einbruch des Coronavirus existenziell gefährdet. Orte der Freiheit, Kreativität und des Austausches versinken nach und nach im Erdboden.
Es gibt einfach Menschen, die diese Clubkultur brauchen, lieben, die sich darin finden und austoben. Die Diskussion, ob es relevant ist, ist für mich gegessen, denn es ist absolut relevant,
sagt Sandra Kendl vom “Techno Cafe”, die seit 24 Jahren in der Szene aktiv ist. Die Wiener Clubkultur sei auch im internationalen Vergleich sehr gut, so Eventveranstalterin Katja Pandora. Und Clubs seien nicht einfach austauschbar.
Die Clubszene ist ein großer Wirtschaftsfaktor für Wien. Laut Recherchen der Vienna Club Commission erzielt die Clubkultur in der Stadt 1 Mrd. Euro Umsatz. Sie hat 4300 Unternehmen und 24.000 Beschäftigte, darunter 150 Veranstalter.
Unterstützung der Clubkultur – was kann ich tun?
Bei der Demonstration für die elektronische Clubkultur im Auer-Welsbach-Park am heutigen Samstag kann man sich solidarisch mit der Clubkultur zusammentun. Die Veranstaltungslocation Himmel und Wasser bietet regelmäßige Open Airs auf der Donauinsel an. Mit den Einnahmen wird zum Beispiel DJs unter die Arme gegriffen. Bei den Friede und Liebe-Events auf der Kulturterasse des Werks kann man ebenfalls das Tanzbein zu elektronischer Tanzmusik schwingen. Der “Musik- und Kunst Markt” bietet außerdem ein feines Plätzchen für den einen oder anderen Sonnenuntergangs-Spritzer am Donaukanal. Die Plattform United We Stream wurde durch den Lockdown zum ersten Mal ins Leben gerufen. DJs legen ihre Platten in leeren Wiener Clubs auf, währenddessen können Menschen spenden und sich die größten Clubs per Livestream zu sich nach Hause holen – ohne in der Schlange anstehen zu müssen.
(jz/apa)
Titelbild: Alex Koletsis