Nicht jedes Kind ist gleich
Der coronabedingte Kinderbonus, der im September mit der Kinderbeihilfe ausbezahlt werden soll, sorgt für Wirbel. Denn nicht jedes Kind erhält die versprochenen 360 Euro. Die Ungleichbehandlung erinnert an ein türkis-blaues „Leuchtturm-Projekt“.
Wien, 06. August 2020 | Während der Corona-Krise wurde einmal mehr ersichtlich, wie sehr das österreichische Pflegesystem bei der 24-Stunden-Pflege von ausländischen Pflegekräften abhängig ist. 33.000 Menschen sind in Österreich auf 24-Stunden-Pflege angewiesen. Im Mai wurde ein Zugkorridor aus Rumänien nach Österreich errichtet, um einen Pflegemangel zu verhindern.
Ausländische Arbeitskräfte benachteiligt
Genau diese Arbeitskräfte beziehungsweise deren Kinder sollen nun durch die türkis-grüne Regierung benachteiligt werden. Im Juli beschloss das Parlament – entgegen den Stimmen der Opposition – einen Kinderbonus als Einmalzahlung von 360 Euro, der gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausgezahlt werden soll. Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) lobte die Einmalzahlung und betonte, dass “all jene, die Familienbeihilfe in Anspruch nehmen, mit 360 Euro pro Kind” unterstützt werden sollen. Auch Vizekanzler Werner Kogler kündigte an, dass der Bonus für jedes Kind gleich sei.
Doch Vizekanzler und Arbeitsministerin irren. Denn die Einmalzahlung erinnert an den türkis-blauen Familienbonus. Sie ist ebenso wie die Familienbeihilfe indexiert: Die Vorgänger-Regierung hatte 2019 die Höhe der Auszahlung der Familienbeihilfe von den Lebenserhaltungskosten jenes EU-Landes abhängig gemacht, in dem das Kind lebt.
NEOS rechnen Ungerechtigkeit vor
In einer Aussendung rechnet der NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard vor, was dies für im Ausland lebende, aber in Österreich arbeitende Menschen und deren Kinder heißt:
„Vizekanzler Kogler hat noch im Juni großspurig angekündigt, dass der Familienbonus für jedes Kind gleich hoch sein wird – und jetzt stellt sich heraus, dass das eine glatte Lüge war und die slowakische Krankenschwester nur 230 statt der 360 Euro bekommt und die rumänische 24-Stunden-Betreuerin gar nur 177 Euro. Das ist inakzeptabel und wohl genauso EU-rechtswidrig wie die Indexierung der Familienbeihilfe an sich“.
Gegen Österreich läuft aufgrund der ungleichen Familienbeihilfe vor dem Europäischen Gerichtshof bereits ein Verfahren.
SPÖ: “Schlag ins Gesicht”
SPÖ-Kinder- und Jugendsprecherin Eva-Maria Holzleitner zeigt sich über die Indexierung von Corona-Unterstützungsleistungen in einer Aussendung ebenfalls empört.
“Das ist ein Schlag ins Gesicht für jene, die während der Krise als Systemerhalter gefeiert wurden. Das Mindeste, was wir jenen Arbeitnehmern schuldig sind, ist die volle Unterstützung für ihre Kinder. Alles andere ist absurd und menschlich inakzeptabel“.
Die SPÖ wies bereits nach dem Beschluss der Einmalzahlung darauf hin, dass die Indexierung zurückzunehmen sei. Ein Abänderungsantrag wurde jedoch von den Regierungsparteien niedergestimmt. Die SPÖ geht ebenfalls davon aus, dass die Einmalzahlung gegen EU-Recht verstößt.
Sogar Grüne hofft auf Aufhebung
Sogar aus den Reihen der grünen Regierungspartei gibt es Kritik. Die Grüne Familiensprecherin Barbara Neßler hält es
„für absurd und ethisch nicht vertretbar, gerade jene Personen finanziell zu beschneiden, die ohnehin schon viel zu geringe Löhne erhalten”.
Neßler hoffe ebenfalls, dass die Indexierung des Kinderbonus durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufgehoben wird.
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk