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Kanzleramt: Anschober-Gesetz wohl verfassungswidrig – Covid-Rennen zwischen Türkis-Grün

Covid-Rennen zwischen Türkis-Grün

Rund um das neue Covid-Gesetz, das dem Gesundheitsministerium weitreichende Befugnisse einräumen würde, schert der Verfassungsdienst aus und ortet Verfassungswidrigkeit. Anschober sagt aber, der Verfassungsdienst sei von Beginn an eingebunden gewesen. Letzteren leitet der ehemalige Kabinettschef von Gernot Blümel. Die Opposition kritisiert das Gesetz indes weiter.

 

Wien, 01. September 2020 | Die neue Änderung im Covid-Gesetz soll Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) weitreichende Befugnisse einräumen. Die Republik könnte dann vom Minister unter Hausarrest gestellt werden, „bei Auftreten“ von Corona, wie es im Gesetzestext schwammig heißt. Weil die Kritik enorm ist, lud Anschober Opposition und NGOs zur Beratung ins Ministerium.

Kanzleramt: Anschober-Gesetz verfassungswidrig

Schon zuvor entwickelte sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Verfassungsdienst, angesiedelt im Kanzleramt, und dem grünen Gesundheitsminister. Der Verfassungsdienst sagte am Freitag über die Anschober-Vorlage, dass sie wohl nicht verfassungskonform sei.

Aus dem Gesundheitsministerium hieß es dagegen per Aussendung, dass der Verfassungsdienst von „Beginn an in die Erarbeitung der beiden Entwürfe eingebunden“ gewesen wäre. Daraufhin entgegnete der Verfassungsdienst: Man habe „Anmerkungen an das Gesundheitsministerium übermittelt, die im Begutachtungsentwurf nicht berücksichtigt wurden“, weshalb man die Kritik am Freitag erneut vorbrachte. Auf ZackZack-Anfrage verwies das Ministerium auf seine Aussendung, den Widerspruch wollte man nicht weiter kommentieren. Pikant: Geleitet wird der Verfassungsdienst von Blümels ehemaligem Kabinettschef Albert Posch.

Nun kommen aus dem Kanzerlamt also verfassungsrechtliche Bedenken. Anfang April, wenige Tage, nachdem Kanzler Kurz der Bevölkerung mit „100.000 Toten“ enorme Angst vor dem Virus gemacht hatte, sprach er von „juristischen Spitzfindigkeiten“. Damit tat er Kritik an den Ausgangsbeschränkungen ab, die von einigen Juristen zügig als verfassungswidrig erkannt wurden. Mittlerweile ist das Gesetz aufgehoben.

Opposition nimmt Kurz in Pflicht

Die Opposition ortete nach dem Treffen mit Anschober am Montag weiter eklatante Lücken.

„Die Gesetzesnovellen sind zu wenig detailliert und zu wenig bestimmt, wenn es um Grundrechtseingriffe geht. Das Zuständigkeits-Chaos konnte auch mit den neuen Entwürfen nicht aufgelöst werden: 100 Behörden sind für Verordnungen zuständig, aber welche für welchen Geltungsbereich zuständig ist, bleibt unklar“,

sagt SPÖ-Vize-Klubchef Jörg Leichtfried per Aussendung. Leichtfried nimmt aber auch den Kanzler in die Pflicht, der „endlich vom Showman zum Krisenmanager werden muss“.

FPÖ-Belakowitsch kritisiert ein türkis-grünes Verwirrspiel rund um die Gesetzesnovelle. Ihr fiel das Ping-Pong zwischen Gesundheitsministerium und Verfassungsdienst auf:

„Auch der Verfassungsdienst, angesiedelt im ÖVP-Bundeskanzleramt und geleitet von ÖVP-Minister Blümels ehemaligem Kabinettschef Posch, lässt an Gesundheitsminister Anschobers Begutachtungsentwurf zum Epidemiegesetz und Covid-19-Maßnahmengesetz kein gutes Haar. Angeblich wurde der Verfassungsdienst von Anschober aber eingebunden. Also was stimmt jetzt?“,

fragt sich Belakowitsch per Aussendung. „Es ist also lebensfremd, dass das ÖVP-Bundeskanzleramt und der ÖVP-Parlamentsklub den Text vorher nicht gesehen haben. Gesundheitsminister Anschober hat die Ministerverantwortung und Kanzler Kurz, der das Thema Coronavirus ja quasi zur Chefsache erklärt und sich die politische ‚Richtlinienkompetenz‘ angeeignet hat, trägt die Gesamtverantwortung für diesen Angriff auf unsere verfassungsmäßig geschützten Rechte.“

NEOS sehen Covid-Wettbeweb

Gerald Loacker (NEOS) glaubt im Hinblick auf die Ankündigung des Gesundheitsministers am Dienstag, einen Covid-Wettbewerb zwischen Kurz und Anschober zu erkennen:

„Während Anschober am Weg festhalten möchte, den Lockerungen Chancen zu geben, kündigte Kurz gestern mögliche neue Verschärfungen an. Bei der Corona-Strategie können wir uns nicht länger ein ‚Bestes aus Zwei Welten‘ leisten. Die Bundesregierung muss endlich eine gemeinsame Strategie vorlegen, die für die Bevölkerung nachvollziehbar und rechtsstaatlich einwandfrei ist“,

Loacker verlangt eine stärkere Einbindung des Parlaments, sollte es noch mal zu weitreichenden Ausgangsbeschränkungen kommen. „Das gestrige Gespräch war ein erster Schritt dazu. Jetzt bleibt es abzuwarten, wie der nächste Entwurf des neuen COVID-Gesetzes ausschauen wird.“

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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