Das Leiden der Gastronomie
Bei verschärften Corona-Maßnahmen steht die Gastronomie wie immer an vorderster Front: In Wien mussten Cafés, Bars und Restaurants zum zweiten Mal die Pforten zusperren – für wie lang, das ist immer noch ungewiss. Sicher ist jedoch, dass die meisten Lokale stark darunter leiden werden – auch wenn Kurzarbeit versprochen wurde. ZackZack hat sich bei den Gastronomen umgehört.
Wien 10. November 2020 | Trinkgeld-Ersatz und Null-Stunden-Option: Vor einer Woche fand ein Treffen von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und den Sozialpartnern betreffend kurzfristiger Anpassungen der Kurzarbeit statt. Die Corona-Kurzarbeit ist für den November-Lockdown umgeändert worden. Einhelliger Tenor: „Es muss niemand gekündigt werden.“
Trotz versprochener Kurzarbeit stehen viele Gastronomen kurz vor dem Aus. Was sich wie eine gut gemeinte Lösung anhört, entpuppt sich für viele Gastronomen zum wiederholten Mal als ein ewiges Warten auf Klarheit und Umsetzung. Sophie K., Luis M., Phillipp L. und Noah F. arbeiten in unterschiedlichen Bars und Cafés in Wien. Vom Trinkgeld konnten sie gut leben – jetzt wissen sie nicht mal mehr, ob sie überhaupt noch ihre Miete bezahlen könenn.
Änderung der Kurzarbeit – Nur ein leeres Versprechen?
Mitarbeiter dürfen im November ganz zu Hause bleiben, bei bis zu 90 Prozent des Gehalts. So sollen Betriebe, die im November gesperrt werden, die Kurzarbeit anwenden – sofern keine Mitarbeiter gekündigt werden. Sie haben dann einen Anspruch auf 80 Prozent Umsatz-Ersatz, als Basis hierfür wird der Umsatz vom November des Vorjahres genommen.
Darüber hinaus wurde eine Erleichterung bei der Beantragung und Rückmeldung innerhalb von 72 Stunden versprochen. Viele Gastronomen beschwerten sich darüber, dass die Auszahlung der Kurzarbeit vom ersten Lockdown erst ein halbes Jahr später geschah – so auch Geschäftsführer Luis M.
“Das Problem ist vor allem, dass Zuschüsse viel zu spät ankommen. Wir haben das Geld vom Lockdown im Frühjahr erst vor 2 Wochen bekommen. Diesmal scheint es nicht anders zu sein. Wir haben immer noch keine Rückmeldung erhalten”,
so Luis M. gegenüber ZackZack.
Er ist Geschäftsführers eines Cafés im sechsten Wiener Bezirk, arbeitet Vollzeit und komme mit dem Geld gut aus. Allerdings sei dies nicht der Fall bei allen anderen Angestellten – die sind zum größten Teil auf 20 Stunden angemeldet und waren auf das Trinkgeld stark angewiesen.
Trinkgeldpauschale: Was steckt dahinter?
Laut Aschbacher soll es ein Ersatz für in den vergangenen Monaten entgangenes Trinkgeld geben. Dieses sei ein “wesentlicher Einkommensbestandteil von Mitarbeitern in Gastronomie und Hotellerie”, betonte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Er stellte dafür “mit Zustimmung der Arbeitsministerin” 100 Euro netto pro Monat für die Beschäftigten in Hotellerie und Gastronomie in Aussicht.
Luis M. erklärt ZackZack, dass 100 Euro Trinkgeld pro Monat für Vollzeit beschäftigte versprochen wurden, nicht aber für Angestellte, die nur die Hälfte in der Woche arbeiten.
“Es ist halt kaum jemand Vollzeit beschäftigt, und 100 Euro Trinkgeld pro Monat ist, wie man sich sicher denken kann, sehr konservativ gerechnet.”,
so Luis M.
Sophie K. arbeitet neben dem Studium 20 Stunden die Woche in einem Café im siebten Wiener Bezirk. Mit der Kurzarbeit kommen starke Existenzängste zurück, die sie schon aus dem ersten Lockdown kennt:
“Es ist ja ganz klar: Wir leben in der Gastronomie vom Trinkgeld. Von der Kurzarbeit können wir, wenn überhaupt, gerade noch die Miete decken. An sich finde ich es cool, dass es diese Trinkgeldpauschale gibt, dennoch ist es leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und keiner weiß wann und ob diese Pauschale überhaupt zu uns gelangt.”
Die Gastronomie als Leidensträger der Corona-Maßnahmen
Auf den Wiener Einkaufsstraßen tummelten sich vergangenen Samstag die bummelnden Wochenend-Einkäufer dicht aneinander, die Geschäfte sind gefüllt. Fast mag sich alles, trotz Lockdown, ganz normal anfühlen. Shoppen gehen ist erlaubt, Cafés, Restaurants und Bars müssen dennoch schließen. Viele Gastronomen finden das nicht nachvollziehbar.
“Ganz einfach: Die Gastronomie musste schließen, weil das Ordnungsamt nicht genügend Arbeitskräfte hatte, die schwarzen Schafe zwischen all den Läden ausfindig zu machen, die sich nicht an die Maßnahmen hielten,”,
mutmaßt Phillipp L., der in einer Bar im zweiten Wiener Bezirk arbeitet. Er habe kein Verständnis für die Schließung.
“Nur 2,5 Prozent aller Infektionsfälle sind auf die Gastronomie zurück zu führen. Der Großteil steckt sich in den eigenen vier Wänden an. Jetzt wo alles zu hat, wird sich das Abendleben in die Wohnung verlagern, Lockdown hin oder her. Ich bezweifle stark, dass das die bessere Lösung ist”,
so Phillipp L. gegenüber ZackZack.
“Nicht alle Cafés, Bars und Restaurants können über denselben Kamm geschert werden”
Auch Noah F., der in einem Restaurant im dritten Bezirk arbeitet, fragt sich, ob das komplette Schließen der Gastronomie über den gesamten Tag so schlau gewesen sei. Seiner Meinung nach hätte es auch eine Sperrstunde ab Abend geben können. Hiermit hätte man vielleicht viele, vor allem kleinere Läden und deren Angestellten vor dem finanziellen Aus retten können. Er schildert ZackZack, dass sich die Gäste tagsüber strikt an die Maßnahmen gehalten hätten.
“Tun sie das nicht, müssen sie den Laden verlassen. Das Problem der Ansteckung kam erst mit dem Konsum alkoholischer Getränke. Die Leute kommen sich dann viel näher und verlieren jegliches Verantwortungsbewusstsein,”
so Noah F.
Darüber hinaus könne man nicht alle Cafés, Bars und Restaurants über denselben Kamm scheren.
“Es gibt sicher Läden, bei denen das nicht möglich ist, die entsprechenden Maßnahmen einzuhalten. Das Zusperren der Gastronomie riecht für mich nach einer populistischen Maßnahme – sie reißerisch und ‚stark‘ als drastische Maßnahme“,
Ständiges Zittern um den Job
Wann der Lockdown vorüber ist, das ist noch nicht sicher. Selbst wenn die Gastronomie im Dezember wieder aufsperren darf, bleiben die meisten Angestellten in der Kurzarbeit, damit sich die Betriebe finanziell erholen können. Das bedeutet für die Angestellten viel Ungewissheit, dennoch bleibt ihnen keine Wahl, als sich weiter durchzubeißen.
“Das Gefühl, sich nicht mehr sicher sein zu können, ist beängstigend. Man muss seit Frühjahr ständig um seinen Job zittern und das wird jetzt erstmal länger so gehen”,
so Phillipp L.
Da es sich um einen Ausnahmezustand handelt, traue sich jedoch keiner, etwas zu sagen.
“Die Hälfte der Angestellten in unserem Café wurde auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Stundenanzahl runtergestuft, ohne dass man sie vorher gefragt hat oder man was unterschreiben musste. Viele schlucken dass dann einfach, um ihren Job zu behalten”,
führt Phillipp L. fort. Er hoffe, dass es bald eine bessere Lösung für gastronomische Betriebe während des Lockdowns gibt.
“Die Gastronomie ist das Herz von Wien und so sollte sie auch behandelt werden.”
(jz)Titelbild: APA Picturedesk