Privates Chatten bald Geschichte?
Am Dienstag präsentierte Kommissionschefin Ursula von der Leyen gemeinsam mit Emmanuel Macron, Angela Merkel und Sebastian Kurz die neuen Anti-Terror-Pläne der EU. Zwar habe man nicht über das Verschlüsselungsverbot gesprochen, so Merkel, geplant dürfte es dennoch sein. Der Chaos Computer Club (CCC) schlägt Alarm.
Wien, 11. November 2020 | Am 9. Dezember werde die EU-Kommission eine neue Agenda „gegen Terrorismusbekämpfung“ vorlegen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag. Zuvor nahm das deutsche EU-Oberhaupt an einer Konferenz mit Angela Merkel, Emmanuel Macron und Sebastian Kurz teil. Neben dem Schutz der Außengrenzen will man vor allem das Internet an die Kandare nehmen.
Verschlüsselungsverbot
Einerseits sollen große Internetplattformen „stärker in die Verantwortung“ genommen werden, etwa um terroristische Inhalte schneller zu löschen. Aber auch ein Verschlüsselungsverbot ist angedacht. Dann wäre das private Chatten über WhatsApp, Telegram oder Signal Geschichte. Geheimdienste könnten sich dadurch jederzeit in die Chats einklinken. Das würde nicht nur die Privatsphäre von jedem Bürger bedrohen, sondern auch das Redaktionsgeheimnis unterminieren oder Industriespionage erleichtern.
Laut Angela Merkel habe man über das Verschlüsselungsverbot bei der Konferenz „nicht gesprochen“. Allerdings werden sich „sicherlich auch die Innenminister damit befassen“. Angesichts dem publik gewordenen Papier (ZackZack berichtete) wird wohl auch die neue Überwachungsmethode in der Anti-Terror-Agenda zu finden sein. Diese könne mit Generalschlüssel oder einer aufgeweichten Verschlüsselung umgesetzt werden, in der Pflicht stehen dann die Dienstanbieter.
Der Chaos Computer Club (CCC) meldete sich mit vernichtender Kritik zu Wort. „Kriminelle und Terroristen hätten mit geringem Mehraufwand jedoch weiterhin keine Probleme, verschlüsselt zu kommunizieren“, schreiben sie in ihrer Stellungnahme. Auch Thomas Lohninger von epicenter.works teilte am Montag diese Einschätzung gegenüber ZackZack. Zudem sei der Plan extrem ambitioniert, noch in diesem Jahr unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft soll die Agenda durchgedrückt werden.
„Zurück in die Steinzeit“
Für den CCC handle es sich hierbei um einen „weltweiten Angriff auf die allgemeine IT-Sicherheit.“ Jede sich bietende Gelegenheit werde genützt, um Gesetze und Verordnungen anzuschieben. Sollte nun eine Verschlüsselung kriminalisiert werden, würde dies bedeuten, dass jeder, der eine solche nutzt, zum Kriminellen wird.
„Das Vorhaben des EU-Ministerrats geht in die völlig falsche Richtung. Sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung muss die Regel werden, um den Schutz von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik im 21. Jahrhundert zu gewährleisten. Stattdessen würde uns dieser Schuss ins eigene Knie zurück in die Steinzeit katapultieren“,
sagte Dirk Engling, Sprecher des Chaos Computer Clubs.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk