Wenn der Staat Klimaaktivisten nachrichtendienstlich überwachen lässt, ist das populistisch, falsch und zieht Ressourcen für die echten Bedrohungen.
Benjamin Weiser
Wien, 09. Jänner 2023 | Man kann den Ärger der arbeitenden Bevölkerung verstehen, wenn die Klebeaktivisten den Verkehr der ganzen Stadt lahmlegen. Es gibt Leute, die sind auf Autos angewiesen – das ist ein Faktum. Aber bei einigen fehlt immer noch das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimakatastrophe.
Die Politik eiert von Mini-Maßnahme zu Mini-Maßnahme und hinterlässt den jüngeren Generationen geschmolzene Gletscher, Waldbrände und aufgerissene Straßen. Was ist schlimmer: eine halbe Stunde zu warten, weil sich ein paar Hippies auf die Straße kleben oder irgendwann gar nicht mehr fahren zu können, weil der Teer aufplatzt?
Herbeireden einer Bedrohung, die es nicht gibt
Jetzt also will der BVT-Nachfolger, Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), „jene Elemente der Klimabewegung, die sich zu einer ernstzunehmenden Bedrohung entwickeln könnten“, in den Fokus nehmen, wie es im „Standard“ heißt. Das klingt, als erwarte man etwas, das es derzeit noch gar nicht gibt, aber politisch wohl gelegen käme.
Rechte Parteien haben in ihrem Kulturkampf Klima und Asyl zu Hauptthemen gemacht. Sie brauchen die Rebellion der Jugend und den „Ansturm“ der Fremden. Sie lechzen nach dem, was sie vorgeben, abzulehnen. Dass sich die dem Innenminister unterstehende DSN politisch instrumentalisieren lässt, ist trotz massiver Imagepflege leider keine unrealistische Annahme.
Fehlende Ressourcen
Gleichzeitig bleibt der Kampf gegen die echten Bedrohungen auf der Strecke. Russlands Spionage ufert aus, China betreibt derweil illegale Polizeistationen im Westen. Cyberterrorismus und -kriminalität entwickeln sich so rasant, da kommen auch größere Nachrichtendienste mit weitergehenden Befugnissen nicht hinterher. Was zur Folge hat, dass die Gefahr von Cyberangriffen gegen schlecht geschützte Infrastruktur zunimmt, wie das Beispiel Außenministerium gezeigt hat.
Rechtsterrorismus, Dschihadismus, organisierte Kriminalität bis in die Mitte der Gesellschaft hinein – die Liste könnte beliebig weitergeführt werden. Doch die (immer noch mangelhaft kontrollierten) Dienste interessieren sich lieber für junge Leute, die etwas über die Stränge schlagen, weil sie auf die größte Bedrohung unserer Zeit hinweisen: die menschengemachte Zerstörung der Welt.
Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com